TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Mittwoch, 28. April 2010

Unser Mann in Amerika

Gestern habe ich gezappt und bin ziemlich lange bei einer MTV-Reality-show hängen geblieben:
Real World XXIII: Washington DC.
Das ist nicht nur irgendeine weitere Reality-show, sondern laut MTV sogar die Urmutter des Genres:

Lange vor Big Brother kreierte MTV ein Format mit dem Titel 'The Real World' – das alle anderen Real-Life-Shows überdauert hat! Dies ist die wahre Geschichte von ein paar Unbekannten, die ausgewählt wurden, um zusammen in einem Haus zu wohnen und um herauszufinden, was passiert, wenn man irgendwann damit aufhört immer nur höflich zu sein, sondern sein wahres Gesicht zeigt.

Offenbar gilt auch für The Real World, was für die Ableger 20 Jahre später und 10.000 km entfernt immer noch gilt: Reality-TV ist der Bodensatz des TV - schlimmer geht es kaum.
Abgesehen von Volksmusiksendungen und Übertragungen von FDP-Parteitagen.

Für nicht in Amerika Lebende ist das aber doch mal ganz interessant nicht synchronisiert junge Amerikaner zu hören, die nach Ami-Maßstäben sehr heterogen zusammengewürfelt sind, jedoch aus Europäischer Perspektive homogen amerikanisch wirken.

Wie schnell und selbstverständlich sie von ihrer Liebe zu Gott reden, daß sie gemeinsam in die Kirche gehen wollen und welche enorme Rolle Rasse und sexuelle Orientierung spielen.

(Sämtliche Episoden kann man im Netz ansehen - vielleicht ziehe ich mir irgendwann noch mal eine rein.)

Was ist das nur mit den Amerikanern, das die so dermaßen auf einem anderen Planeten leben läßt?
Ich habe auch immer noch nicht rausgefunden, was eigentlich genau die optischen Merkmale sind, daß man Amerikaner gleich in der ersten Sekunde aus 100m Entfernung als Amerikaner erkennt.
Da müssen sie gar nicht wie Real-World-Darstellerin Calli, 21, aus Texas, gleich in der ersten Minute erklären „Oh my gosh - I am so not liberal and Ronald Reagan is my favourite president!“

Liberal scheint immer noch DAS Schimpfwort schlechthin zu sein.

Immerhin haben wir uns da inzwischen Amerika angeglichen - nur spiegelverkehrt:
Während im Lande Guidos „liberal“ zum Synonym für rechte Arbeitsgeberlobbytätigkeit verkommen ist, steht das Wort bei den meisten Amerikanern immer noch für staatssozialistisches Sektierertum.
Eine politische Ausrichtung, die nur für schwule schwarze kommunistische Junkies akzeptabel ist.

Wir Deutsche finden bis weit in die politische Rechte hinein, daß Obama noch viel zu zögerlich agiert.
Wir finden es zwar sehr schön, daß er von atomarer Abrüstung spricht und sich so für die Gesundheitsreform (health-care für alle!) einsetzt, aber nach den enormen Erwartungen aus dem Jahr 2008 geht uns das alles viel zu langsam.

Worauf nimmt der Kerl denn so eine Rücksicht und wieso läßt er anderthalb Jahre tatenlos verstreichen, ohne daß es irgendwelche erkennbaren Ansätze in der internationalen Klimaschutzpolitik gibt, ohne daß es irgendwelche nennenswerten Initiativen zum Israelisch-palästinensischen Konflikt gäbe?
Guantanamo existiert immer noch, Baghram wird auch weiter existieren und natürlich können die internationalen Investmentbanker auch weiterhin ohne internationale Regeln und ohne Tobinsteuer weiter ihr zerstörerisches Unwesen treiben.

Für amerikanische Sinne ist Obama aber trotzdem so ultralinks, daß bei den Kongresswahlen dieses Jahr ein Debakel für die Demokraten erwartet wird.
Sogar Kalifornien droht verloren zu gehen.
Aufwind haben nur die Teabagger um Palin, Rush Limpballs und Glenn Beck und FOX TV, die 24 Stunden pro Tag über den Marxisten im Oval Office herziehen.

So sehr die Vollidioten von der Teebeutelfraktion den Linksdrall der amerikanischen Regierung beklagen, so klar ist Obama inzwischen nach rechts gerutscht.

Das große Klimaschutzgesetz, das Obama über zwei Jahre im Wahlkampf gebetsmühlenhaft angekündigt hatte, wird nun verschoben - und zwar auf den St. Nimmerleinstag.
Nicht, daß das Klima plötzlich nicht mehr gerettet werden müsste, aber noch dringender möchte der US-Präsident seine eigene Macht retten, wie auch Christian Wernicke heute in der SZ analysiert.

Denn ab sofort geht es, politisch jedenfalls, nur noch ums Überleben von Obamas Präsidentschaft. Im Herbst lauern Kongresswahlen, und sämtliche Umfragen verheißen den Demokraten am 2. November 2010 ein abscheuliches Blutbad: Drei bis vier Dutzend von Obamas Parteifreunden müssen bei diesem Urnengang den demokratischen Exitus fürchten. Damit verlöre die Regierungspartei ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die Republikaner könnten per Fundi-Opposition dann fast alles (und allemal jedes Gesetz) blockieren. Der Traum von Obamas "Change", vom großen Wandel, wäre endgültig dahin.
Also laviert Barack Obama. Zur Erinnerung: Es ist dieser Mann gewesen, der 2008 das sprichwörtlich Blaue vom Himmel herunter versprochen hatte. Seinem Schwur, als 44. Präsident wolle er "die Nation heilen" und obendrein gleich "die Welt reparieren", entsprach nichts so sehr wie das Versprechen einer neuen, zukunftsfähigen Energie- und Klimapolitik. Auf diese Weise wollte der Demokrat daheim im eigenen Land Millionen grüne Jobs schaffen - und der Welt draußen beweisen, dass ein erneuertes Amerika seinen Teil der Verantwortung für den Erdball schultert. Das Weiße Haus beteuert, diese große Strategie gelte weiterhin. Nur, jetzt regiert die pure Taktik.

Ähnlich verhält sich der projizierte Messias der Europäer auch bezüglich der Religion.
Zeter und Mordio hatten Teebeutler im ganzen Lande aufgeschrien, als Vertreter von Atheistengruppen im Februar 2010 im Weißen Haus empfangen wurden.
Nicht etwa von Obama selbst, aber daß diese Gottlosen überhaupt in das Gebäude gelassen wurden, brachte Amerikas Evangelikale zur Raserei:

Zum ersten Mal in der Geschichte hat gestern Abend die US-amerikanische Regierung eine humanistisch-säkulare Organisation getroffen. 60 Mitglieder der Secular Coalition for America (Säkulare Koalition für Amerika), einem Dachverband für bislang zehn atheistische, freidenkerische, humanistische und säkulare Organisationen, trafen Regierungsvertreter aus dem Jusitz- und dem Gesundheitsministerium. Im Mittelpunkt der Gespräche standen Themen wie die Ungleichbehandlung religiöser Einrichtungen, die religiöse Diskriminierung im Militär und die Bevorzugung kirchlicher Organisationen bei der Zuweisung von Finanzmitteln.

Obama, der einst so selbstbewußt auftrat, hat seine Eier im Evangelikalen Schraubstock verloren und kuscht vor Sarah Palin und Co, indem er den Godfather der Christlichen Rechten umschmeichelt wie noch kein US-Präsident zuvor.
Obama goes Billy Graham.

Noch einmal Christian Wernicke
:

… Noch kein Präsident ist dem evangelikalen Massenprediger so weit entgegen gekommen wie dieser. Nach einem erholsamen Wochenende mit Frau, Kindern und viel Golfspiel in North Carolina ließ sich Obama hinauf nach Montreat chauffieren, zum Kaffee mit Keks auf jenem Hügel, wo Graham seit jeher die Kraft und die Eingebung suchte für seine wortgewaltigen Predigten wie für seine weltweiten "Kreuzzüge".
Beide Männer strahlten, da sie sich am Kamin zum Gespräch niederließen….

Anschließend schlachteten Obamas Presseleute den Gebetstermin bei dem rechten Todesstrafen-begeisterten, antisemitischen und homophoben Hetzer aus:

Sprecher des Weißen Hauses scheuten sich hernach nicht, von einer "Pilgerfahrt" ihres Dienstherrn zu sprechen. Beide beteten füreinander. Obama, so erzählte später Grahams Sohn Franklin, habe schlicht Gott "für das Leben meines Vaters gedankt". Und im Gegenzug erbat Graham Senior des Himmels Segen und Weisheit für den jungen Präsidenten.

Immerhin konnte der 91-Jährige Massenprediger dem Präsidenten einen guten Rat geben:

"Der einzige Weg, den Job anständig zu erledigen, ist, aus der Quelle des Glaubens zu schöpfen."

Na dann - Helleluhja alle zusammen.

4 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

Ich habe mir heute ca. 30sek. Obama Life im Doerfchen Macon, MO gegeben.

Ermuedend glorreich .. 'werden wir nicht Nr. 2 oder 3 sondern fuehrend in der Welt mit Solar, Wind und blabla sein. We will renew, rebuild America ....'
Dann ging der Wuergreiz los und ich musste abbrechen.

"Nicht, daß das Klima plötzlich nicht mehr gerettet werden müsste, aber noch dringender möchte der US-Präsident seine eigene Macht retten, ....."
Wofuer denn dass?
Mit seiner Macht/Mehrheit konnte'durfte'wollte er doch bisher nichts anfangen.

Zum Thema hatte ich auch einen kleinen Schlagabtausch beim GotB.
http://guardianoftheblind.de/blog/2010/04/23/wohin-steuert-obama/#comments

Ja, Obama ist schon wieder am campaignen. Viel Anderes hat er seit 2007 ehh nicht gemacht.
Er hat extrem an Glaubwuerdigkeit eingebuesst und wird hoechstwahrscheinlich seine Mehrheit einbuessen.

Dann hat er wenigstens ne Ausrede fuer dass nichts mehr Changed.

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Hallo Jake.

Dein Satz

„Wofuer denn dass?
Mit seiner Macht/Mehrheit konnte'durfte'wollte er doch bisher nichts anfangen.“

ist eigentlich grauenvoll bitter!

Ein Obama, der angeblich so links regiert, daß halb Amerika schon auf den Barrikaden ist, ist in der Praxis so lasch, daß jeder vernünftig denkende Mensch nur enttäuscht sein kann.

Wozu sollte man sich also noch für die Demokraten einsetzen? Wozu soll man Obama die Daumen drücken, wenn selbst ein frisch gewählter Obama mit enormen Vertrauensvorschuss und dicken parlamentarischen Mehrheiten nichts auf die Reihe kriegt??

An dieser Stelle muß man entweder aus Frust Selbstmord begehen, oder aber wieder diese leidige entnervende Überlegung nach dem kleineren Übel anstellen.
Das ist zutiefst unbefriedigend und abgefuckt.

Aber dennoch bleibe ich dabei: Eine Palin an der Macht wäre NOCH schlimmer.
Wir haben ja gesehen, wie begeistert GWB Kriege anzettelt und überall in der Welt zündelt.
Bis jetzt habe ich zumindest die Hoffnung, daß Obama wenigstens das nicht ganz so schnell macht.

Man wird ja bescheiden bei seinen politischen Wünschen!

LGT

jakebaby hat gesagt…

In Bezug auf Palin ist ja so ziemlich alles da kleinere Uebel.

Zum Wochende noch was Christliches
http://poetry.rotten.com/jesus-with-boy/

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Danke Jake - habe ich gleich übernommen.

http://tammox-totlachen.blogspot.com/2010/05/katholische-sitten.html

LGT