(Marcel Reich-Ranicki)
Hirnforschung und Intelligenzforschung sind sehr interessante Fachgebiete, die laufend neue Erkenntnisse liefern.
Im Alter von neun Jahren kam ich auf ein Gymnasium. Das ist das Alter, in dem in Deutschland selektiert wird. (Ich war einen Tick früher dran.) Üblicherweise werden aber mit zehn Jahren schon die Weichen für das ganze Leben gestellt.
Pädagogen gingen davon aus, schon in dem Lebensalter wären Fähigkeiten und Intelligenz determiniert. Gymnasien waren für die zukünftige Elite zuständig; argwöhnten aber, daß sich zu viele Minderintelligente einschmuggeln würden.
Daher galten die fünfte und sechste Klasse als „Beobachtungsstufen.“
Während dieser Zeit wurde fleißig weiter ausgesiebt.
Nach jedem Halbjahreszeugnis wurde unsere Klasse kleiner.
Es ist bemerkenswert, daß Schüler fast nur den Weg der Enttäuschungen gingen.
Kam jemand nicht mit, ging es bergab - Realschule, Gesamtschule, Hauptschule…
Die Kinder sollten desillusioniert werden und die Erfahrung des Scheiterns machen.
Während meiner gesamten Schulzeit und auch später als Nachhilfelehrer während meines Studiums habe ich nur die Richtung bergab beobachtet.
Sitzenbleiben, Wechsel auf eine schlechtere Schule, Misserfolge.
Dabei wäre es doch sinnvoller Kinder nicht systematisch zu demotivieren, sondern ihnen den Weg nach oben zu ermöglichen.
Ich habe aber nie erlebt, daß ein ehemaliger Real- oder Hauptschüler aufgrund guter Leistungen zu uns aufs Gymnasium versetzt wurde.
Um ganz sicher zu sein, daß sich an der elitären Schule keine Windeier mehr durchhangeln, wurde in der sechsten Klasse ein großer Intelligenztest veranstaltet.
Wir waren damals ein recht großer Jahrgang mit fünf Parallelklassen à 34-38 Schüler.
Nach der Auswertung des Testes riefen die Eltern den Klassenlehrer an und erfuhren ganz genau den IG, die Platzierung in der IQ-Rangliste der Schule und eine kurze Schulprognose.
Schülern der hinteren Plätze wurde gegebenenfalls noch mal dringend nahegelegt am Ende der sechsten Klasse auf eine weniger anspruchsvolle Schule zu wechseln.
Natürlich war auch ich ungeheuer gespannt darauf meinen IQ zu erfahren.
Es war Ende der 70er Jahre und man fand das System gerecht und fortschrittlich.
Der IQ war eine messbare Fixgröße, so wie man auch die Schuhgröße oder die Blutgruppe bestimmen kann.
Erst als Erwachsener an der Uni habe ich erfahren, daß schon die Messung des IQs höchst zweifelhaft ist. Das Ergebnis hängt von der Tagesform und der Art des Tests ab.
Wiederholt man die IQ-Messung kann man durchaus auch andere Ergebnisse bekommen.
Und noch einmal 20 Jahre später weiß ich, daß es nicht nur problematisch ist den IQ zu messen, sondern daß der Wert auch keineswegs das Leben lang gleich bleibt.
Es ist eben doch nicht rein genetisch determiniert wie klug man ist.
Wird ein Kind von der Natur mit einer guten 110 ausgestattet, also etwas über dem Durchschnitt, kann sich dieser Wert in Abhängigkeit von der Umwelt bis zum Erwachsenenalter um +/- 20 verändern.
Aus dem 110er Baby kann in einem bildungsbürgerlichen Elternhaus und einer sehr guten Schule ein 130er Student werden - also ein sehr intelligenter Mensch.
Das 110er Baby kann aber auch in einem Prekariatler-Haushalt ohne Bücher, dafür aber mit drogensüchtigen Geschwistern ein 95er Teenager werden, also ein Dummkopf.
Wie die Umgebung das Hirn beeinflusst, ist eine sehr komplexe und sicher noch nicht vollständig verstandene Sache.
Aber höchstwahrscheinlich ist es nicht intelligenzförderlich, wenn man ein Kleinkind nie geistig anregt, nie mit ihm spielt, ihm nie vorliest, sondern es vor der Glotze parkt.
Es prasseln ohnehin gigantische Informationsmengen auf uns Menschen des 21. Jahrhunderts ein.
Unmengen dringend notwendigen Allgemeinwissens gab es vor 100 Jahren noch gar nicht.
Es hilft ja nichts - wer heute Vater oder Mutter wird, muß seine Leibesfrucht irgendwie mit Fertigkeiten ausstatten, die heute nun mal erforderlich sind: Wie schließe ich einen Handyvertrag ab? Wie ernähre ich mich gesund? Wie wähle ich aus 300 Fernsehsendern aus? Wie geht man mit dem Internet, Facebook und Co um?
Einfache Lösungen gibt es nicht.
Lesen ist gut. Meistens. Aber es gibt jährlich 90.000 Neuerscheinungen auf dem deutschen Buchmarkt und vieles davon ist nur zur Hirnzellenzerstörung geeignet.
Entsprechendes gilt für Radio, Zeitschriften, Fernsehen und natürlich erst recht für das Internet.
Aus all diesen Quellen kann man klüger und gebildeter werden.
Man kann sie möglicherweise so geschickt nutzen, daß der IQ um zehn oder zwanzig Punkte klettert.
Aber gerade das Fernsehen kann auch zur systematischen Verdummung führen.
Zu einer Verdummung, die in konzentrierter Form präsentiert, regelrecht furchteinflößend sein kann.
Ein gutes Beispiel dafür war die außen- und sicherheitspolitische Republikanerdebatte auf CNN vor zehn Tagen.
Man ahnt ja gar nicht welchen unsäglichen Unfug Menschen von sich geben können, die ernsthaft als US-Präsidenten in Frage kommen.
Michele Bachmann hatte beispielsweise im Gegensatz zur IAEO genaue Kenntnisse über das Iranische Atomprogramm. Achmadinedshad plane nämlich in Kürze Israel „auszuradieren“ und dann auch Amerika mit Atomwaffen anzugreifen.
Erstaunlich. Wir sprechen über einen möglichen Atomsprengkopf des Irans.
Es ist noch nicht mal sicher, ob Teheran über ein Trägersystem verfügt, das leistungsfähig genug ist, um die Bombe nach Israel zu schießen.
Und selbst wenn, ist es höchstwahrscheinlich so, daß Israelische und Amerikanische Patriot-Abwehrsysteme den Sprengkopf längst zerstört hätten, bevor er Israelischen Luftraum erreicht.
Aber nehmen wir man an der Iranische Präsident könnte technisch einen Atomsprengkopf nach Israel schießen.
Wieso sollte er das tun? Denn Israel verfügt über mindestens 200 - 300 Atomwaffen, so daß ein Iranischer Atomschlag mit absoluter Sicherheit Selbstmord an 75 Millionen Persern wäre.
Der Iran würde aufhören zu existieren und welcher Mullah sollte das in Kauf nehmen?
Die Möglichkeiten Irans die USA direkt MIT EINER ATOMBOMBE anzugreifen, sind ohnehin nicht vorhanden. Keine iranische Rakete kann bis in die USA fliegen.
Selbst wenn Teheran eine Interkontinentalrakete hätte, würde sie lange vor Erreichen des US-Luftraums abgeschossen werden und schließlich wäre das ebenfalls mit Sicherheit das Ende des Irans, da die US-Vergeltungsmaschinerie ausreicht, um den ganzen Planeten mehrfach zu zerstören. Den gesamten Iran in eine nukleare Wüste ohne jedes Leben zu verwandeln, wäre ein Kinderspiel für den potus.
Dieses sind Überlegungen, die eigentlich ein Kleinkind anstellen kann. So funktioniert Abschreckung.
Wieso können also die Bachmanns dieser Welt so einen hanebüchenen Unsinn im Amerikanischen Fernsehen erzählen, ohne daß die Zuschauer lachend aus dem Saal stürmen?
Der Grund ist eine Massenverdummungsmaschinerie, die außerordentlich erfolgreich in Amerika eingesetzt wird.
Sie heißt FOX, respektive Christliche Radiosender und lässt den Durchschnitts-IQ ihrer Zuschauer rapide in den Keller rauschen.
Dies ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen.
Die Zuschauer der FOX-Nachrichten sind sogar signifikant dümmer als die Amerikaner, die überhaupt gar keine Nachrichten sehen.
Dies hat eine Studie der Fairleigh Dickinson University belegt.
For example, respondents were first asked whether, to the best of their knowledge, opposition groups in Egypt had been successful in bringing down the Mubarak regime. Among NPR listeners, 68% correctly said they had been; only 49% of Fox News viewers answered correctly. In fact, the survey found, Fox viewers were 18 percentage points less likely to answer correctly than those who watched no news at all. "The results show us that there is something about watching Fox News that leads people to do worse on these questions than those who don't watch any news at all," said Dan Cassino, a political science professor at Fairleigh Dickinson. Those who watched Sunday public affairs shows tended to be the best informed on current events, the survey found. Readers of national newspapers also were more likely to respond correctly.
(LA Times November 21, 2011)
Fox-Zuschauer sind aber nicht nur wesentlich weniger faktensicher, sondern sie glauben auch massiv an absolute Märchen, beispielsweise über den Muslim Obama, der mit seiner kommunistischen Healthcare-Reform systematisch alte Menschen töten will.
Vor ein paar Jahren schuf der amerikanische Satiriker Stephen Colbert einen neuen Begriff: Mit dem Wort truthiness beschrieb er sein Land, das geteilt sei 'zwischen denen, die mit dem Kopf denken, und jenen, die mit dem Herz wissen'. Wichtigstes Forum für letztere ist der konservative Kanal Fox News, der behauptet, ein Nachrichtensender zu sein. Tatsächlich malen rechte Meinungsführer dort täglich den Teufel an die Wand und schießen auf seinen angeblichen General, Präsident Obama. Intoniert wird die Hetze mit Methoden der truthiness, gefühlte Wahrheit ist wichtiger als die reale Faktenlage. Das Ergebnis ist oft sagenhafter Unfug, den sagenhaft viele Menschen schauen. Vor allem Menschen, die die Welt nach altem Brauch in 'gut' und 'Sozialisten' einteilen.
(SZ 30.11.11)
Die systematisch desintelligentisierten Amerikaner, die den ganzen Tag FOX glotzen, liegen bei allen abgefragten Sachverhalten klar selbst hinter den Menschen, die nie Nachrichten gucken.
Die Wahrscheinlichkeit einer richtigen Antwort lag bei Nachrichtenverweigerern bis zu 18 Prozentpunkte über der bei Zuschauern von Fox News. Am besten schnitt das Publikum der politischen Nachrichtenshows am Sonntagmorgen ab, als überdurchschnittlich informiert erwiesen sich auch die Zuschauer der Daily Show beim Kabelkanal Comedy Central.
(SZ 30.11.11)
Nur auf diesem national verblödeten Boden können GOPer wie die derzeitigen Präsidentschaftskandidaten gedeihen.
In Deutschland kann man sich nicht vorstellen, daß solche Vollidioten überhaupt ernsthaft antreten.
In Amerika ist es sogar möglich, daß solche Zimmertemperatur-IQ’ler ins Weiße Haus kommen.
Hunderte sitzen bereits im Kongress.
Über Außenpolitik wissen der White Trash und Teebeutler nicht nur nichts, sondern hängen auch noch Lügengeschichten an.
Sie interessieren sich für Aspekte weit abseits der politischen Relevanz.
So toben die Rechten wegen Obamas diesjähriger Truthahnansprache, in der er vergaß GOTT zu erwähnen.
Watch this YouTube of President Barack Obama delivering his Thanksgiving-themed weekly address and see if you can figure out what—or Who—is missing. tl; dw? Fine, then: It's God! He did not mention God, who made everything you should feel thankful for—if you believe in God.
[…] This year Obama decided to do something a little different and celebrate "the community" and the troops instead of God. As the LA Times reports, this literally forced the wingnuts to spend their holidays writing, blog-commenting, and tweeting about how Obama is a militant atheist, a turkey, and a "proponent of separatist multiculturalism and its inherent disruption of progress toward a unified America and the common good." None of the usual references to his ties to Islam from what we've seen, however; maybe it occurred to people that he can't be a Muslim and an atheist at the same time. (He'll probably be a Muslim again by Christmas.) Besides random tweeters and commenters, a Fox Radio commentator and a columnist who says "holy cow!" also complained about Obama's God-less speech, and probably some others but it's a holiday and we don't feel like torturing ourselves by wading through such silliness any longer. God wants us to honor our personal limitations and have some more of His cranberry sauce.
(gawker.com, 24.11.11)
Only in America…..
Unnötig zu erwähnen, daß der Ärger über den gottvergessenen Obama auch auf einer Lüge beruht. Natürlich hatte Obama Gott erwähnt.
Unsere Traditionen mögen sich vielleicht entwickelt haben, aber der Geist der Gnade und Demut, der Thanksgiving zugrunde liegt, hat die Zeit überdauert. Als Präsident George Washington zum ersten Mal den Feiertag Thanksgiving proklamierte, pries er den großzügigen und allwissenden Gott dafür, dass er die junge Republik als guter Hirte durch eine schwierige Anfangszeit geführt hatte. Jahrzehnte später bat Präsident Abraham Lincoln Gott um Schutz für diejenigen, die das Grauen des Bürgerkrieges miterleben mussten, und darum, die Nation wiederherzustellen, damit sie sich an „Frieden, Harmonie, Ruhe und Einheit erfreuen kann“. In guten und auch in schlechten Zeiten haben wir unsere Herzen geöffnet, indem wir in Demut unsere Dankbarkeit für die Dinge gezeigt haben, die wir empfangen, und die Menschen, die unser Leben bereichert haben. Heute danken wir auch den Frauen und Männern in Uniform für die zahllosen Opfer, die sie bringen, und denken an die Familien, die einen Platz an ihrem Tisch für einen ihrer Lieben freihalten, der an einem gefährlichen Ort seinen Dienst leistet. Lassen Sie uns in Zeiten, in denen amerikanische Familien mit weniger Geld zurechtkommen müssen, auch unser Engagement für Freunde und Mitbürger erneuern, die eine helfende Hand brauchen. Wenn wir nun in unserer Gemeinde, Zuhause, um einen Tisch oder in der Küche zusammenkommen, danken wir Gott und einander für die vielen Wohltaten und Gaben, die unser Leben bereichern. Lassen Sie uns innehalten und uns der einfachen Gaben bewusst werden, die uns erfreuen, und lassen Sie uns diese Gaben im kommenden Jahr weitergeben.
AUF GRUND DESSEN ERKLÄRE ICH, BARACK OBAMA, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, kraft des mir durch die Verfassung und die Gesetze der Vereinigten Staaten verliehenen Amtes, hiermit Donnerstag, den 24. November 2011, zum nationalen Feiertag Thanksgiving. Ich rufe alle Menschen in den Vereinigten Staaten dazu auf, sich zu versammeln, ob zu Hause, in Gotteshäusern, Gemeindezentren oder an anderen Orten, an denen Familie, Freunde und Nachbarn zusammenkommen können, in Dankbarkeit für all das, was wir im vergangenen Jahr erhalten haben, um unserer Anerkennung für all diejenigen Ausdruck zu verleihen, deren Leben unser eigenes bereichert haben, und um unsere reichen Gaben mit anderen zu teilen.
(Barack Obama am 16.11.11)
Nachtrag:
Auch lustig - Michele Bachmann verkündete soeben, daß sie als US-Präsidentin die Amerikanischen Botschaften im Iran schließen würde.
Nur doof, daß die USA schon seit 1980 keine Botschaft mehr im Iran hat!