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Montag, 8. November 2010

Das Ende der Staatsraison.

“Das Fundament unseres Wertesystems droht auseinanderzubrechen.“
(Präsident des Bankenverbandes Andreas Schmitz)

Im Herbst 2010 hat sich etwas geändert in der Wahrnehmung von bürgerlichem Widerstand und in der medialen Berichterstattung darüber.
In den 1970ern und 1980ern waren die Atombefürworter und sonstigen Konservativen in der bequemen Situation sich kaum inhaltlich mit den Anliegen von Umweltschützern, Verbraucherschützern oder sozialen Aktivisten auseinander setzen zu müssen.
Man konnte sich darauf verlassen, daß das Gros der Wähler ohnehin diesen Müslis mit langen Haaren in den Parkern mißtraut.
Klammheimlich freuten sich die Bürgerlichen in den Vorstadthäuschen darüber, wenn die linken Querulanten mal verdroschen wurden.

Einige Politvertreter aus Merkels schwarzgelber Truppe sind noch im letzten Jahrtausend stecken geblieben. Zum Beispiel der CSU-Wadenbeißer Dobrindt, dem mehr oder weniger unabsichtlich rausrutschte, wie störend er die Demokratie empfindet.

«Die Grünen outen sich als politischer Arm von Aufrührern, Brandstiftern und Steinewerfern. Was Trittin, Roth und Özdemir im Wendland abziehen, ist moralische Unterstützung für Landfriedensbruch», sagte Dobrindt am Montag laut Mitteilung in München. «Sie machen sich in skandalöser Weise mitschuldig an der Zerstörung von Bahngleisen und Gewalt gegen Polizeibeamte.» Die Grünen hätten «eine antidemokratische Bewegung im Sinn, die eine Diktatur von Minderheiten auf dem Rücken unserer Ordnungskräfte und Polizisten anstrebt», sagte Dobrindt. Scharfe Kritik übte er insbesondere an Grünen-Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin. «Als Trittin selbst Umweltminister war, hat er Castor-Blockade verurteilt, heute in der Opposition mischt er sich selbst unter die Blockierer. Das ist schäbig und unanständig», sagte der CSU-Generalsekretär.
(SZ 08.11.10)

Der Nachfolger von CSU-General Guttenberg scheint zu glauben, daß er mit dem Schreckgespenst Trittin (=Kommunist = Satan = Ruin Deutschlands) immer noch den Urnenpöbel auf die Hinterbeine bekommt.
Dabei hat sich Trittin längst als praxistauglicher Politprofi erweisen, der durchaus der nächste Bundeskanzler werden könnte.

Tatsächlich ist es so, daß Jürgen Trittin staatstragend und seriös den wahren Sachverhalt darlegt

Herr Dobrindt beschimpft Bürgerinnen und Bürger, die von ihrem verfassungsmäßigen Recht auf Demonstrationsfreiheit und gewaltfreien Widerstand Gebrauch machen. Dieser antidemokratische Reflex fällt auf seine Urheber zurück. Fakt ist und bleibt: Die Union hat sich in skandalöser Weise zum politischen Handlanger der Atomkonzerne gemacht. Sie missbraucht Tausende von Polizisten, um ihr Lobbyinteresse gegen die Bevölkerung durchzusetzen. Merkels Willfährigkeit gegenüber RWE, E.On und Co. ist skandalös. Es ist schäbig und unanständig, hunderte von Tonnen Atommüll zusätzlich zu produzieren und ohne atomrechtliche Genehmigung in Gorleben ein Endlager als Schwarzbau zu errichten. Der vieltausendfache Protest und die gewaltfreien Blockaden gegen den Castor, an denen sich in diesem Jahr mehr Menschen denn je beteiligen, sind die angemessene Reaktion auf die Arroganz der Macht der Berliner Regierungskoalition.
(PM der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen Nr. 1309 vom 8. November 2010)

Das ist das Problem in Deutschland 2010 - die Politdarsteller von Merkels Gnaden haben innerhalb eines Jahres das Vertrauen der Bundesbürger in ihr politisches System so nachhaltig erschüttert, daß der Graben zwischen ihnen und dem Volk unüberwindbar scheint.

Selbstherrlich, arrogant und in noch nie da gewesener Weise lügen CDU-, CSU- und FDP-Minister ihr Volk an.
Die einzig verbliebene Richtschnur der Schwarzgelben ist der Lobbygehorsam.
Selbst die klassischen Symbole des Staates, die Polizisten, haben gründlich die Nase voll davon die dreisten Manipulationen dieser Regierung auszubaden. Was Merkel und Co gemütlich in Kanzleramt und Staatskanzleien ausgemauschelt haben, bekommt die Polizei bei Demonstrationen zu spüren.

[Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad] Freiberg kritisierte zugleich die Entscheidung der schwarz-gelben Regierung zur Verlängerung der Laufzeiten deutscher Atomkraftwerke. "Es muss doch jedem klar sein: Wer einen Konsens aufkündigt, ruft einen gesellschaftlichen Konflikt hervor", sagte er der "Rheinischen Post". Die Proteste gegen den jüngsten Castor-Transport nach Gorleben werden durch die Akw-Laufzeitenverlängerung offenbar stark angeheizt und ziehen mehr Menschen an als in den vergangenen Jahren.
(AFP 08.11.10)

Der Vorstandssprecher des Bankenverbandes Schmitz schreibt in einem Gastkommentar für das Intelligenzblatt und CDU/CSU-Propagandaorgan BILD über seine Sorgen.
Laut einer Ipsos-Untersuchung ist das Vertrauen der Bundesbürger in ihre Eliten völlig zerrüttet.

Nur 15 Prozent der Deutschen meinen, dass führende Politiker ihren Aufgaben gerecht werden; Wirtschaftslenker bestehen nur bei 26 Prozent der Deutschen. Das ist bedenklich. Während man in den USA zu erfolgreichen Führungskräften aus der Wirtschaft aufschaut, geht hierzulande jeder Respekt vor Eliten verloren.
[…] Erfolg braucht eben Vorbilder. Und Autoritäten. Deswegen müssen wir in Deutschland den Respekt vor dem Erfolg zurückgewinnen. Wir als Privatbanken wollen durch gute Arbeit das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen.
(BILD 07.11.10)

Herr Schmitz ist offensichtlich ein wenig verwirrt, wenn er meint, daß die derzeitigen Eliten aus Politik und Bankenwelt so ungeheuer erfolgreich wären und nun das Volk dafür nur noch Respekt zeigen müsse.

Nein, das Problem ist das totale Versagen der Eliten, die noch nicht mal ihre Desaster zugeben und sich die Welt mit angeblich „revolutionären Energiekonzeptionen“ und schöngerechneten Arbeitsmarktzahlen so malen wie es ihnen gefällt.

Solchen Politikern zollt man keinen Respekt - das wundert vermutlich nur Herrn Schmitz.

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