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Donnerstag, 11. August 2011

Empirie

Man lernt ja nie aus. An der Uni (rer.nat.-Fach) habe ich natürlich jede Menge Naturgesetzmäßigkeiten kennengelernt.
Das wichtigste Gesetz wurde uns, wenn ich mich recht erinnere, schon in der ersten Labor-Stunde beigebracht.
Murphys Law.
Jedenfalls habe ich später, als ich als Betreuer für die Erstsemester gejobbt habe immer als erstes auf Murphys Law hingewiesen.
Man kann gar nicht unterschätzen welche Energie und welch ausgeklügeltes Geschick junge Leute aufbringen, wenn es darum geht sich selbst unnötigerweise Verletzungen zuzufügen.

Inzwischen kenne ich solche Geschichten aus ganz anderen Bereichen. Einer meiner Bekannten ist Ingenieur in einer Flugzeugwerft und sagt immer, daß niemand mehr fliegen würde, wenn man wüßte, was bei ihnen dauernd schief geht.
Angesichts ähnlicher Horrorstories, die mir ein Kapitän einer großen deutschen Reederei erzählte, fragte ich ihn, wieso es denn nicht dauernd zu Kollisionen und Unfällen auf See käme.
Die Antwort war, daß ich nur eine selektive Sichtweise hätte. Kollisionen auf See werden nur selten bekannt. Sie passieren aber tatsächlich ständig und immer öfter, weil die Reedereien das Personal extrem ausdünnen, durch Ausflaggungen die Sicherheitsregeln aushebeln und einen extremen Zeitdruck generieren.

So schafft man ideale Voraussetzungen für das Erblühen von Murphys Law.

Eigentümlicherweise habe ich ein andere wichtiges Naturgesetz erst sehr viel später kennengelernt.
Denis Scheck* erinnerte kürzlich im SWR-Night-talk an den großen (und fast vergessenen) SciFi-Autoren Theodore Sturgeon (1918-1985).

Auf die Frage nach der Qualität der Science Fiction-Literatur antwortete er einst, „90% davon ist purer Mist“ und entwickelte daraus sein berühmtes Gesetz, welches auch als Sturgeons Offenbarung bekannt wurde: „90% von Allem ist Dreck!“

In 1951, Sturgeon coined what is now known as Sturgeon's Law: "Ninety percent of SF [science fiction] is crud, but then, ninety percent of everything is crud." This was originally known as Sturgeon's Revelation; Sturgeon has said that "Sturgeon's Law" was originally "Nothing is always absolutely so." However, the former statement is now widely referred to as Sturgeon's Law.
(Wiki)

Daß sich Sturgeon's Law auf alle publizierten Dinge anwenden läßt - seien es Bücher, Musik, Fernsehsendungen, Filme - ist offensichtlich.

Allerdings zitierte Denis Scheck den amerikanischen Autoren etwas anderes.
Nämlich: „95% von Allem ist Mist!“

Das scheint mir auch eher hinzukommen.
In letzter Zeit prüfe ich nun die Verwendbarkeit von Sturgeon's Law auf politische Probleme.
Nun, da hapert es allerdings etwas.

Sieht man sich die Teaparty, oder meinetwegen auch nur die GOP an, kann offensichtlich diese empirische Gesetzmäßigkeit nicht stimmen, denn dann wären ja 5% dessen was die Republikaner äußern KEIN Mist.

So viel Schlaues gibt es da aber mit Sicherheit nicht.

In der deutschen Politik funktioniert Sturgeon's Law auch nur eingeschränkt.

Denn trotz aller Kritik finde ich bei Grünen und SPD sogar MEHR als 5% der Äußerungen richtig.

Bei Schwarzgelb hingegen sind selbst die fünf Prozent schwer zu knacken.

Nach intensivem Nachdenken ist mir von den 93 FDP-Abgeordneten immerhin eine sinnvolle Äußerung einer Abgeordneten eingefallen.

Ist man nun so großzügig aufgrund einer einzigen Aussage die ganze Abgeordnete als „nicht Mist“ zu werten, kommen wir also immerhin auf eine Sturgeon-artige Quote von 1 von 93 = 1,1%.

Immerhin.

Die eine sinnige Äußerung kommt übrigens von einer Hanseatin, der Bundestagsabgeordneten Sylvia Canel, 53, Lehrerin aus Hamburg-Wandsbek.
Sie ist Mitglied im Bildungsausschuss sowie stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und kommt ob der intensiven Auseinandersetzung mit den Debakel-Ministern Schavan und Westerwelle zu einem rationalen Ergebnis:
Schluß mit dieser erbärmlichen Koalition des Grauens!
Auch wenn wir alle bei Neuwahlen garantiert unsere Jobs verlieren, aber alles ist besser als Merkel und Rösler das Land weiter ruinieren zu lassen!

Nach eineinhalb Jahren schwarz-gelben Dauerstreits und kurz vor der für die Koalition wichtigen Entscheidung über den Euro-Rettungsschirm im September sagt Frau Canel jetzt in einer Fernsehrunde: „Ja“, ein vorzeitiges Ende von Schwarz-Gelb fände sie „sympathisch“. Wegen der miesen Stimmung. Aber auch wegen der Milliarden, die Angela Merkel (CDU) ab Herbst überschuldeten EU-Staaten „in verantwortungsloser Weise“ zuschieben wolle. Das verstößt auf jeden Fall gegen jedes FDP-Prinzip. Und dem soll Canel auch noch zustimmen? Eine glatte Todsünde für Ordnungspolitiker. So mancher in Rainer Brüderles FDP-Fraktion liebäugelt daher mit Ablehnung. Das schwarz-gelbe Ende kühl rechnend in Kauf nehmend.
(Tagesspiegel 11.08.11)

Man soll Frau Canel wegen eines Geistesblitzes nun nicht in den Himmel loben, denn immerhin waren bei ihr genügend Schrauben locker, um sich in der Westerwelle-Steuersenkungensteuersenkungensteuersenkungen-FDP zu engagieren und für den Bundestag zu kandidieren.
Aber sie ist immerhin lernfähig.
Das ist weit mehr, als man vom Rest der Schwarzgelben Horrortruppe im Bundestag sagen kann.

Das Beispiel USA zeige, "wenn Extreme gegeneinanderstehen, dann kann das Regieren nicht funktionieren". Canel weiter: "Wir sind kompromissbereit und haben bereits viele Kompromisse gemacht. Aber ich sehe auch, dass das für die FDP oft zum Nachteil ist, und da muss man dann auch mal fragen, ob denn die CDU/CSU tatsächlich diese Koalition will, so wie es im Koalitionsvertrag verabredet worden ist."
(Hamburger Abendblatt 11.08.11)




* Scheck findet immer noch treffende Worte in bei seinen Kritiken der Spiegel-Top10 Sachbuch:

Margot Käßmann: Sehnsucht nach Leben (Adeo, 176 Seiten, 17,99 €)
Immer der erste Gedanke, immer das nächstliegende Bild, immer die flachste und schnarchlangweiligste Conclusio. Das liest sich dann so: „Wer die Sehnsucht nach Frieden kennt, wird auf die Taube vertrauen.“ Und wer auch nur ein Fitzelchen von Stilempfinden hat, der wird darauf vertrauen, dass binnen weniger Jahre nach solchen Plastik-Evangelien kein Hahn mehr kräht.

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