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Sonntag, 20. November 2011

Recht in Theorie und Praxis.

Neulich saßen Hildegard Hamm-Brücher (90), Margarete Mitscherlich (94) und Vera von Lehndorff zusammen in einer Talkshow der ARD.

Hier ist das Video.

Auf die Frage nach der derzeitigen Verfassung der FDP hatten die beiden Damen eigentlich nur Spott übrig. Was sollte auch ein Mensch mit mehr als drei Gehirnzellen sonst zu der ewigen Steuersenkungs-Laier sagen?
Obwohl Hamm-Brücher, die in Kontakt mit Christian Lindner und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger steht, sich immerhin theoretisch vorstellen konnte, daß es für eine „liberale“ Partei noch ein Aufgabenspektrum in unserem Parteiensystem gäbe.
Nämlich als Verteidigerin der Demokratie. Da gibt es noch reichlich Nachholbedarf.
Pöstchen werden ausgeklüngelt, Entscheidungen von Lobbyisten getroffen, Mandate werden als imperativ angesehen, Richter, Intendanten und Behördenchefs werden nach Parteibuch bestimmt, etc, pp.
Allerdings sieht die „große alte Dame des Liberalismus“ die Wahrscheinlichkeit, daß sich die Rösler-Liberalen dahingehend wandeln als lächerlich gering an.
Zurückblickend auf die letzten 60 Jahre ist sie der Ansicht, Deutschland sei tatsächlich liberal geworden.
Verglichen mit der Nachkriegszeit, als Frauen ohne Zustimmung des Ehemannes gar nicht arbeiten durften und in der Politik nichts zu suchen hatten, ist ein Quantensprung vollzogen worden.
Eine Frau ist Kanzlerin, eine regiert das mächtigste Bundesland. Ein Schwuler wird Chef einer rechten Partei, steigt zum Außenminister auf und heiratet im Amt des Vizekanzlers einen Mann.
Ein anderer Parteichef stammt aus der Türkei und der konservative Bundespräsident hat seine Frau vor die Tür gesetzt, stattdessen eine 20 Jahre Jüngere mit Tattoo auf der Schulter geheiratet und sie mit ins Bellevue-Schloß genommen.

Da wir liberal geworden wären, fährt Hamm-Brücher fort, wäre es doch für eine FDP, der seit den 80er Jahren die Themen ausgegangen sind, eine ehrenwerte Option zu sagen: Unsere Aufgabe ist erledigt; wir lösen unseren Verein auf.

Ich wünsche mir hingegen immer noch mehr Liberalismus in der Politik. So eine Partei gibt es allerdings nicht und die FDP ("die Liberalen") ist am wenigsten liberal.
Freiheit von Konventionen und Zwängen ist nach wie vor ein gutes Ziel. In der klassischen Definition heißt das: „Leitziel des Liberalismus ist die Freiheit des Individuums vornehmlich gegenüber staatlicher Gewalt.“
Natürlich geht die Freiheit des einzelnen nur soweit bis sie die Freiheit des nächsten bedroht.
Da ist in der Praxis jede Menge Konfliktstoff.

Die Freiheit der Berufswahl beispielsweise ist nur sehr theoretisch.
Stammt man nicht aus dem richtigen Elternhaus und landet ohne familiären Bildungsinput auf einer Hauptschule eines Problembezirks, ist es nun einmal so gut wie ausgeschlossen später mal Chefarzt oder Botschafter zu werden.
Dem Millionärssohn im Schloßinternat Salem stehen ganz andere Möglichkeiten offen.
Und was soll ein Hartz-IV’ler, der von der ARGE zum Callcenter geschickt wird von Grundgesetzartikel Art 12, Abs (2) halten?

Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

Die 20 im Grundgesetz verankerten Grundrechte klingen teilweise sehr hübsch; das muß ich zugeben.

Art 1 (1) Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Art 2 (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.
Art 3 (1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Nicht jeder hält sich allerdings an die Grundrechtsartikel.
Wenn einzelne dagegen verstoßen, bekommen sie es mit dem Strafgesetz zu tun, welches beispielsweise Mord oder Diebstahl individuell ahndet.

Aber was ist wenn die Masse des Volkes sich nicht grundrechtskonform verhält, indem sie die Menschen absolut nicht gleich ansieht?

Für große Schlagzeilen sorgte heute die Meldung des letzte Nacht direkt nach der Geburt aus dem fünften Stock in Berlin Charlottenburg geworfenen Babys.
Eine 40-Jährige Frau in meinem Mietshaus am Spandauer Damm hatte zuhause entbunden und irgendwie war dann der kleine Junge aus dem Fenster geflogen - was allerdings nicht etwa einen der Anwesenden dazu veranlasste mal nachzusehen.
Der 44-Jährige Vater und die 15-Jährige Tochter wurden erst am heutigen Morgen verhaftet, nachdem ein Nachbar den Säugling, dort wo er aufschlug fand.

Nun ist die Empörung groß und die Zeitungen graben ähnliche Fälle aus.
Neu ist das ja nicht, daß in Deutschland Neugeborene in Tiefkühltruhen gestopft oder auf dem Balkon in Blumenkübeln verbuddelt werden.

Die 40-Jährige gab an, das Kind in der Nacht geboren zu haben. Sie wurde in ein Krankenhaus gebracht und kam nach der Untersuchung zur Vernehmung bei der Mordkommission in der Tiergartener Keithstraße. Aufgrund seiner Vorgeschichte gilt vor allem der Mann als tatverdächtig, hieß es bei der Polizei. Er soll 2003 einen Totschlag begangen haben, 2009 war er zweimal wegen Kindesmisshandlung angezeigt worden.
[…] Eine ähnlich grausige Kindstötung hatte es zuletzt Weihnachten 2010 gegeben. Ebenfalls in Charlottenburg hatte eine 20-Jährige ihr Neugeborenes aus dem Fenster geworfen. Es war zwar lebend im Schnee gefunden worden, jedoch Stunden später im Krankenhaus an Unterkühlung gestorben. Die in Berlin als Prostituierte arbeitende Mutter wurde im Sommer zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Sie habe sich in einer „extremen Ausnahmesituation“ befunden, befand das Gericht. Vor zwei Jahren war in Wilmersdorf ein totes Baby in einem Altkleider-Container entdeckt worden. Die Mutter war damals zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Sie hatte bereits Jahre zuvor schon einmal versucht, ein Neugeborenes zu töten.
(Jörn Hasselmann 20.11.11)

In Hamburg war 2007 ein neugeborenes Mädchen aus dem zehnten Stock eines Hochhauses geworfen worden und gestorben. Die damals 26 Jahre alte Mutter beschuldigte zunächst ihren 23 Jahre alten Freund, geriet dann aber selbst unter Verdacht, ihre Tochter in einer Plastiktüte vom Balkon geworfen zu haben. Das Hamburger Landgericht verurteilte sie zu drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe. Die Frau habe „in einem körperlichen und seelischen Ausnahmezustand“ gehandelt, urteilte der Richter.
(dpa 20.11.11)

Das sind in der Tat keine netten Methoden und man wundert sich über solche Eltern.
Sehr überraschend ist es allerdings auch nicht mehr.

Wenn aber das Leben eines jeden gleichwichtig ist, wenn die Würde nie angetastet werden darf, dann muß man sich viel mehr darüber wundern, daß sich bei anderen Todesfällen niemand wundert.

Von den weltweit zigtausend täglich verhungernden Kindern will ich gar nicht anfangen. Zu weit weg.

Ich will auch nicht von den jährlich zigtausenden in Krankenhäusern durch MRSA-Keime Umgekommenen anfangen. Zu abstrakt.

Aber wir, als Gesellschaft, sollten uns schon fragen, wieso 182 Morde, begangen von Rechtsradikalen nicht weiter auffielen.

Und wie konnte diese BAF, respektive NSU zehn Menschen umbringen - alles spektakuläre öffentliche Mordanschläge, ohne daß jemand die Opfer ernsthaft bedauerte und man wie selbstverständlich davon ausging, daß es sich wohl um irgendwelche „Milieu-bedingten“ Streitigkeiten gehandelt haben mußte???

Die Toten waren hauptsächlich Türken - ERGO waren es in der Presse die „Döner-Morde“ und verdächtig waren somit konkurrierende Döner-Verkäufer.

Schande über uns.

Das gestern Nacht in Charlottenburg zu Tode geschmissene Baby hatte wenigstens noch keine Angehörigen, die sich grämen.
Die von der NSU Getöteten hinterlassen hingegen Kinder, Geschwister und Freunde.

Müßte ihr Tod da nicht viel schwerer wiegen und viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit hervorrufen??

2 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

"Müßte ihr Tod da nicht viel schwerer wiegen und viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit hervorrufen??"

Warum denn??
Die laufen doch in einem rechtsdrallenden Westen in klaren Kategorien der Un/Wuerdigen Opfer.

Norwegen war der juengste Beweis, wie man Unpassendes ignoriert und unter den Teppich fegt.
Sonst muesste man ja womoeglich was am Plan aendern.

Was die deutsche Politik gerade daraus(Doener&So) macht ist ein gross angelegtes Ablenkungsmanoever, da diese fatalen Entwicklungen bis Heute nur einem wesentlichen Ursprung und Kontinuitaet unterliegen. Politik.

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

tja, und da sagt man immer voller Stolz, daß Deutschland nach 1945 seine Lektion gelernt habe und nun sensibler als andere Nationen mit Menschrechten umginge.....

Ha Ha Haaa.

LGT