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Freitag, 25. November 2011

Bleibt alles anders

Aus der der ersten Generation der Grünen, die man immer wieder gerne in alten Dokus über ihren 1983er Einzug in den Bundestag betrachtet, sind sich wenige treu geblieben.
Joschka Fischer wurde Maßanzugträger und Vizekanzler. Die Ikonen Petra Kelly und Gert Bastian sind auf eine mehr als dubiose Weise ums Leben gekommen. Schily und Ditfurth sind keine Parteimitglieder mehr.
Einige, die ich damals richtig klasse fand, sind einfach in der Versenkung verschwunden.
Waltraud Schoppe wurde in den 1990ern in Hannover Ministerin und ward seit 1998 nicht mehr gesehen.
Mein Lieblingsgrüner der 80er Jahre, Gerald Häfner, verschwand ebenfalls aus dem Focus der Öffentlichkeit, ist aber seit 2009 Mitglied des Europaparlaments.

Eine klasse Grüne der ersten Stunde ist auch Marieluise Beck, die heute immer noch so gut ist wie vor 30 Jahren und immer noch Bundestagsabgeordnete ist.
1998-2002 war sie Ausländerbauftragte der Bundesregierung und ab Oktober 2002 als Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration.

Christa Nickels hat sich sowohl optisch, als auch in ihren Positionen nie verändert.
Sie ist der phänotypische Ur-Müsli: Brille, fettige lange Haare und auch wenn ich das nie gesehen habe: Sie trägt garantiert Birkenstocksandalen.
Nickels ist DIE Christin der ersten Stunde und seit 2001 Mitglied Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK).

Da bin ich ja vorurteilsbelastet - wenn sich eine Frau so stark in einer Organisation wie der RKK, die Frauen für viel zu unwürdig für die Weihe hält, engagiert, zweifele ich an ihrem Verstand.
Ebenso könnte ein Vegetarier sich um den Vorsitz der Metzgerinnung bewerben.


Und natürlich war ich immer ein Fan einer der berühmtesten Grüninnen; nämlich Antje Vollmer, die es zur von allen Parteien hochgeachteten Bundestagsvizepräsidentin brachte.

Im Gegensatz zu Nickels sieht Vollmer immer erstklassig gekleidet aus und muß für ihren Mut und ihr stetiges Trachten nach Ausgleich wirklich bewundert werden.
Die kleine, leise Frau mit der brüchigen Stimme ist aber nicht nur eine Intellektuelle, sondern auch ein Kraftpaket.
Sie hat wirklich Mut und wagte sich immer wieder dahin, wo es wehtut.
Mitten in die Wespennester, in die normalerweise kein Grüner geht.
Sie diskutierte mit den Chinesen über den Dalai Lama, trat schon 1985 in einen Dialog mit der RAF, um deren Loslösung vom Terror (Selbstauflösung 1998) zu betreiben. Sie setzte sich schon vor 30 Jahren für eine Entschädigung für Zwangsarbeiter, NS- und Euthanasieopfer, Homosexuelle und Wehrdienstverweigerer ein und ging als absolute Exotin zu den Treffen der Vertriebenenorgansiationen, die normalerweise nur CSU’ler vom rechten Rand akzeptieren.
Vollmer wollte aber eine echte deutsch-tschechische Versöhnung erreichen.
Legendär sind ihre Vermittlungen auf unzähligen Grünen-Parteitagen, wenn sich Fundis und Realos gegenseitig den Krieg erklärten.

So eine vorbildliche Pazifistin muß man eigentlich lieben.

Aber, ..

Es gibt auch eine Kehrseite. Antje Vollmer studierte Theologie und wurde Pfarrerin, bevor sie politisch aktiv in Erscheinung trat.
Man kann jemanden noch so sehr schätzen, aber you can never trust a priest.
Welcher wirklich vertrauenswürdige Mensch verschreibt sich schon dem Christentum?
Ich bin tatsächlich der Meinung, daß ein wirklich guter Mensch nicht Christ sein kann.
Das Grundgerüst der Christenlehre - Erbsünde, Vater bringt seinen Sohn um, wir haben die Wahrheit gepachtet, wer seine Kinder liebt, schlägt sie - muß doch abschrecken.

Vollmer, als inkarnierte Vermittlerin war zuletzt ihr Christentum anzumerken, als sie den Vorsitz des Runden Tisches Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren übernahm, der im Frühjahr 2009 von der Bundesregierung auf Empfehlung des Bundestages eingerichtet wurde und bis 2010 die Geschehnisse in der Heimerziehung im westlichen Nachkriegsdeutschland aufarbeiten sollte.
Dabei geht es um rund 900.000 Kinder, die in kirchlichen Anstalten ausgebeutet, vergewaltigt, als Arbeitssklaven eingesetzt, zu Medikamentenversuchen missbraucht, religiös malträtiert, geschlagen, gedemütigt und traumatisiert wurden.
Wie so oft bei solchen „Runden Tischen“ saßen mehrheitlich die Täter-Vertreter zusammen.
Von 22 überwiegend kirchlichen Mitglieder und der vorsitzenden Pfarrerin Vollmer, waren gerade mal drei Vertreter der Opfer.
Und zwar sollten das genehme und nicht aufmüpfige Opfer sein.
Als der Verein ehemaliger Heimkinder andere Vertreter schicken wollte, blockte Vollmer dieses Ansinnen knallhart ab.
Man tagte vom 17. Februar 2009 bis zum 10. Dezember 2010 und verabschiedete einstimmig einen Abschlußbericht, der ganz den Vorstellungen der Kirchen entsprach.
Für den 120 Mio-Entschädigungsfonds sollte zudem hauptsächlich der Steuerzahler und nicht etwa die 700 Milliarden schweren Kirchen einstehen.


Am 13. Dezember wurde der Abschlussbericht des RTH während einer zusätzlich angelegten Pressekonferenz der Öffentlichkeit von der „Freien Initiative ehemaliger Heimkinder“ vorgestellt. Die ehemaligen Heimkinder reagierten empört auf bekanntgewordene Einzelheiten des Berichtes und auf das Zustandekommen des "einheitlichen" Abstimmungsergebnisses. In der Pressekonferenz wurde reklamiert dass:
  • der im Abschlussbericht vorgeschlagene Fonds (zu gründen von Bund, Ländern und den beiden großen Kirchen) mit 120 Millionen Euro auf keinen Fall ausreichend sei - rein rechnerisch ergebe das eine Summe von höchstens 1.000 bis 4.000 Euro pro Person;
  • eine "Entschädigung" an sehr detaillierte Einlassungen von Seiten der ehemaligen Heimkkinder geknüpft sei;
  • den ehemaligen Heimkindern in großen Teilen ihrer Schilderungen NICHT gefolgt wurde - obwohl es im Bericht heißt, die Schilderungen der Ehemaligen seien glaubhaft;
  • ehemalige Heimkinder mit Behinderungen erst gar nicht berücksichtigt worden seien;
  • ehemalige Heimkinder aus der Ex-DDR ebenso wenig berücksichtigt wurden;
  • das Zeitfenster (50er und 60er Jahre) eindeutig zu klein sei;
  • großer Druck auf die Heimkindervertreter bei der Abstimmung ausgeübt wurde, um hier eine Einstimmigkeit herzustellen. Vertreter des VEH empfanden dies als einen ungeheuerlichen Vorgang und mit Sicherheit einer Demokratie nicht würdig.

Auch Manfred Kappeler empfand diesen Abschlussbericht als äußerst kritikwürdig und ging nur wenige Tage nach dem Erscheinen desselben mit einer scharfen Kritik an die Öffentlichkeit.[3]

"Sie waren mit Vertrauen in die vorbehaltlose Aufklärung der Heimerziehung und ihrer Folgen für die ihr ausgelieferten Kinder und Jugendlichen und mit der Erwartung einer ihnen gerecht werdenden Rehabilitation und Entschädigung in dieses Gremium gegangen und mussten erleben, dass sie von den meisten anderen Mitgliedern herablassend und wie „Klienten“ behandelt wurden, deren substantielle Anliegen nicht akzeptierte wurden. Sie wurden nicht gehört, sondern angehört, wie Zeugen vor einem Untersuchungsausschuss. Alle sechs Ehemaligen am RTH, die drei Mitglieder und ihre drei Vertreter (diese mit einem bloßen Anwesenheitsrecht, d.h. ohne Rede- und Stimmrecht wenn die Vollmitglieder anwesend waren – nur in der letzten Sitzung durften sie reden und abstimmen), haben mir diese demütigende Erfahrung, die sie an ihre Kindheit in den Heimen erinnerte, wiederholt berichtet."
(Wikipedia)

Das hat man davon, wenn man Pfaffen einsetzt. Vollmer hatte dafür gesorgt, dass die Begriffe Zwangsarbeit und Menschenrechtsverletzungen nicht im Abschlussbericht stehen.

Mit 120 Millionen Euro aus einem Hilfsfonds sollen Hunderttausende Menschen entschädigt werden, die als Kinder in Heimen misshandelt wurden. Die Opfer sind verbittert: Es könnte noch Jahre dauern, bis die Summen ausgezahlt werden - für viele kommt das Geld bereits zu spät. in einen Finanztopf für die Opfer von Misshandlung in Kinderheimen fließen. Andere Staaten hätten ihren Opfern mehr gegeben, meinte Matthäus-Maier, "da müssen wir uns schämen".
[...] Vieles ist im Vagen und Ungefähren geblieben. Die Gefühlslage unter den Ex-Heimkindern, die beim dramatischen Ringen um die letzte Fassung des Abschlussberichts am Runden Tisch mit dabei waren, schwankte, wie ein Beteiligter sagt, "zwischen Nötigung und Erpressung". Die Vereinsvorsitzende, Monika Tschapek-Güntner, sagte, sie habe das Gefühl gehabt, bei den Verhandlungspartnern auf eine Haltung nach dem Motto "Wenn ihr das nicht wollt, gibt es gar nichts!" zu stoßen. Ihr Mistreiter Jürgen Beverförden ergänzt: "Mit gar nichts wollte ich nicht zurückfahren." Es klingt wie eine Entschuldigung.
(Spon 13.12.10)

Vollmer hat nichts anderes als eine weitere Demütigung der gequälten Kinder erreicht und bekam für diese Tat nun einen kirchlichen Preis zuerkannt.

Eine verdiente Preisträgerin, eine würdevolle Zeremonie, eine angeregte Podiumsdiskussion - so hatte man sich in Bochum die Verleihung des Hans-Ehrenberg-Preises an Antje Vollmer am Dienstag (22.11.2011) vorgestellt. Die Grünen-Politikerin und ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages soll für ihre nachhaltigen Versöhnungsleistungen geehrt werden, so der ausrichtende Evangelische Kirchenkreis Bochum, der mit der Auszeichnung an Leben und Werk des Theologen Hans Ehrenberg (1883-1958) erinnern will. "Er war ein Vertreter der Dialogphilosophie", sagt Traugott Jähnichen, Vorstandsmitglied der Hans Ehrenberg Gesellschaft. "Frau Vollmer wirkt in seiner Tradition, sie hat sich in unterschiedlichen Belangen moderierend eingesetzt."
(WDR 21.11.2011)

Die Kirchen sind entzückt über die außerordentlich billige Lösung, die Vollmer ausbaldovert hat, die Vorsitzende kann sich über einen Preis freuen und die gefolterten Heimkinder sind wieder einmal gedemütigt worden.
Sie kündigten scharfe Proste an - aber seit wann kümmern sich die großkopferten Kirchenvertreter um die Opfer ihrer Verbrecherorganisation?
Vollmer fand das auch alles ganz prima und nahm den Preis an.

Unter lautstarkem Protest ehemaliger Heimkinder ist am Dienstagabend in Bochum der evangelische Hans-Ehrenberg-Preis an die langjährige Bundestagsvizepräsidentin und ehemalige Leiterin des "Runden Tisches zur Heimerziehung", Antje Vollmer (Grüne), für ihre Versöhnungsarbeit verliehen worden.
[…] Verschiedene Gruppen ehemaliger Heimkinder hatten bereits im Vorfeld die Ehrung Vollmers als "obszön und skandalös" kritisiert, denn sie habe nichts zur Versöhnung beigetragen. Der Hilfsfonds sei nicht ausreichend. "Eine Kritik in der Form haben wir nicht erwartet und halten sie für völlig unangemessen", betonte der Bochumer Theologieprofessor und Vorsitzende der Hans-Ehrenberg-Gesellschaft, Traugott Jähnichen, gegenüber dem epd.
[…] Statt einer Laudatio hatten die Veranstalter anlässlich der Preisverleihung zu einem Dialog zwischen Vollmer und der früheren Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, über "Gott und die Politik" eingeladen.
(epd)

Daß Vollmer schon vor neun Jahren über die Missbrauchsfälle an der Odenwaldschule informiert gewesen sein soll, aber das Wissen geheim hielt, passt ins Bild.

Die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin sei bereits vor gut sieben Jahren über den Missbrauch an der Odenwaldschule informiert worden. Laut Zeitungsbericht habe die Grünen-Politikerin damals mitteilen lassen, dass sie die "Angelegenheit nicht beurteilen kann".
Was wusste Antje Vollmer? Die Vorsitzende des Runden Tisches Heimerziehung, ist offenbar bereits im November 2002 von einem Lehrer der Odenwaldschule über die Missbrauchsvorwürfe gegen deren vormaligen Schulleiter Gerold Becker informiert worden.
(Spon 03.04.2010)

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