TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Mittwoch, 13. April 2011

Ich mach mir die Welt, widiwidiwitt, wie sie mir gefällt.

Ihr mit Eurem SPIEGEL-Fimmel“; den Spruch mußte ich mir heute wieder anhören und er hängt mir zu den Ohren raus.
Ja, klar, natürlich kann man auch einen Montag ohne den neuen SPIEGEL ertragen. Ja, klar, ist das Hamburger Magazin nicht mehr so outstanding wie früher. Die Federn sind nicht mehr so spitz und die Themen nicht mehr so heiß.

Aber der arme SPIEGEL mit seinem wöchentlichen Rhythmus erkämpft sich immerhin einen Platz in der Medienwelt der minütlichen Meldungen.
Heute bin ich scheinbar milde gestimmt und gucke großzügig darüber hinweg wie das Berliner Büro und Gabor Steingarts Leitung einst pure neoliberale PR schrieb. Merkel und Westerwelle-huldigend drosch man damals wie von Sinnen auf Rot/Grün ein.
Aber auch wenn mir permanent die Ohren schlackern und sich alle Fußnägel hochbiegen, werde ich mal bei meinem Abo bleiben. Genau wie bei meiner Parteimitgliedschaft, die auch kein Ruhmesblatt ist.

Die aktuelle Ausgabe (DER SPIEGEL15/2011) ist jedenfalls ganz lustig.
Outside-minister Westerwave kriegt so richtig eins auf den Deckel - und zwar insbesondere wegen seiner miserablen Außenpolitik.
Kläglich dilettierend schafft er es immerhin keinen Fettnapf auszulassen.
Er ist quasi das reziproke Trüffelschwein des diplomatischen Dienstes und steckt immer da seine Nase rein, wo es ekelig und billig ist.

Aber das war nur die Ouvertüre.
Richtig vom Leder zieht dann SPIEGEL-Urgestein Dirk Kurbjuweit mit seinem zweiseitigen Essay „Ritt auf dem Reh - Warum Bundeskanzlerin Angela Merkel immer wieder umfällt.

Die armen Spiegelleute. Wie sollen sie auch noch auffallen in einer Zeit, in der selbst Unternehmerverbände und Industrielobbyisten unverhohlen ausplaudern die schwarzgelbe Regierung sei zweifellos die Schlechteste, die Deutschland je gehabt hat?
Es ist schon schwer für die aktuelle Besatzung des „Sturmgeschützes der Demokratie“ noch Treffer zu setzen, während in den TV-Talkrunden die konservativen Pressevertreter von Handelsblatt, Welt, FAZ und Focus augenrollend zustimmen, wenn taz-Journalisten über die Kanzlerin vom Leder ziehen.

Kurbjuweit versucht der journalistischen Aufgabe nun mit einer Art realistischem Zynismus gerecht zu werden.
Seine Grundthese lautet, daß mit Angela Merkel die direkte Demokratie à la Griechenland im Jahr 500 v.Chr. ins Kanzleramt eingezogen sei.
Merkel verfüge über keinerlei Überzeugungen und sei derart flexibel, daß sie immer das täte, das zufällig gerade populär wäre.
Er nennt das „weiche Kanzlerschaft“, da die Kanzlerin niemals fest zu einem Vorhaben stehe.

In einer Demokratie sollte es immer eine Alternative geben, was niemand so gut weiß wie die Kanzlerin. Die Alternative zu Merkels Politik kommt meistens von Merkel. Sie ist die Frau ohne Fundament, ein Wunder der Beweglichkeit.
(Spiegel 15/2011)

Sie habe keinen inneren Kompass und dementsprechend wären alle Ansätze ihrem Handeln -christliche, wissenschaftliche, weibliche, konservative oder was auch immer für welche - Maßstäbe zuzuordnen gescheitert.

Als sie die Nachrichten aus Fukushima hörte, verabschiedete sie sich in Windeseile vom Atomstrom, ohne das in klaren Sätzen öffentlich zu sagen. Ähnlich wie im Fall Libyen war es die entschiedene Unentschiedenheit. Sie setzte ein Moratorium für sieben ältere Kernkraftwerke durch und berief eine Ethikkommission, die über den Ausstieg beraten und für Merkel klare Sätze absichern soll. Auch das geschah rechtzeitig vor den Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die Deutschen, dachte die Populistin in ihr, können die Atomkraft nicht mehr aushalten.
(Spiegel 15/2011)

Als guter Journalist will Kurbjuweit auch beschreiben, weswegen Merkel eigentlich so puddingartig und bar jeder Kontur regiert.
Sie wolle eben unbedingt Bundeskanzlerin sein und bleiben.
Ganz im Gegensatz zu Schröder der für eine politische Überzeugung gewissermaßen 2005 sein Amt opferte, werfe Merkel lieber Überzeugungen über Bord, um ihren Job zu behalten.

Für sie ist das Regieren der Bundesrepublik nicht der Ritt auf dem Tiger, sondern der Ritt auf dem Reh. Für Merkel sind wir ein nervöses, ängstliches Volk, das dauernd beruhigt werden muss. Aus ihrer Sicht haben wir Angst vor Krieg, Angst vor Kernkraft, Angst vor Steuererhöhungen, Angst vor Sozialkürzungen, Angst vor hohen Energiepreisen. Die Frage ist, ob das stimmt. Durch die vielen Krisen des jungen Jahrtausends sind wir doch recht gelassen gekommen.
(Spiegel 15/2011)

Dieser Essay hat wirklich Charme.

Ein von Merkel frustrierter Journalist versetzt ihr den ultimativen Tiefschlag, indem er ihr abspricht das ureigen Kanzler-artige zu tun, nämlich die Richtlinien der Politik zu bestimmen.

Sie regiert gewissermaßen durch "Nichtregieren". Sie reagiert.
Sie gibt die Richtung vor, indem sie anderen hinterherläuft.

Einen netten Schuß Perfidie rührt Kurbjuweit in seinen Essay, indem er ausgerechnet der konservativen Parteiführerin attestiert APO-artig Basisdemokratie eingeführt zu haben.

Tatsächlich sind einige Punkte dieser Analyse kaum zu bestreiten:
Auch im Jahr 6 der Merkelschen Kanzlerschaft weiß man nicht welche Meinungen sie eigentlich vertritt. Sie läßt sich nicht festlegen, wartet ab.
Mit ihrer „asymmetrischen Demobilisierungen“ lutschte sie die K.O.alitionspartner SPD und FDP zu winzigen Kieseln rund.
Ganz offensichtlich interessiert die Kanzlerin nur eins: Kanzlerin zu sein.

Daß die CDU-Obermutter so rückgratfrei regiert, hat in Wahrheit aber einen anderen Grund.
Merkel ist lernfähig und hat erkannt wie es um ihre Entscheidungskraft aussieht.
Mit sicherem Griff ins Klo entscheidet sie sich bei politischen Positionen stets für die falsche Seite.
Sie kann es einfach nicht besser, da ihre Instinkte verkümmert sind.
Sie erinnert an eine Eiskunstläuferin, die keinen Spin beim Dreh um die Längsachse entwickeln kann. Alle ihre Rittberger, Toeloops und Salchows landete sie immer mit dem blanken Hintern auf der Eisbahn. Nachdem sie sich das zehnte mal das Steißbein sehr schmerzhaft angeknackst hatte, tat sie das was jeder Eiskunstläufer tun würde.
Sie verzichtete auf die eigentlich Kür-entscheidenden Sprünge und verwirrt die Zuschauer mit komplizierten Schrittfolgen, Pirouetten und ständigen Tempi-Wechseln.

Merkel ist seit 1990 in der vordersten Reihe der bundesrepublikanischen Politik. Acht Jahre Mitglied der Kohl-Regierung, acht Jahre Ministerin, gute zehn Jahre Parteichefin, sieben Jahre Oppositionsführerin und seit 2005 Kanzlerin.

Ich halte daher die These von ihrem DDR-bedingten Fremdeln in der Spitzenpolitik für schwachsinnig.
Es hat seit 1945 immer wieder Menschen gegeben, die quasi über Nacht in politische Spitzenämter katapultiert wurden.
Das ging mal gut, wie bei Prof. Dr. Dr. Karl Wilhelm Lauterbach, den es 2005 in den Bundestag verschlug und der dort inzwischen eine Schlüsselrolle in der SPD-Fraktion spielt.
Das ging mal schief, wie bei Ian Karan, Rudolf Augstein oder Konrad Schily, die nach kurzen Intermezzi sang- und klanglos aus der Politik ausschieden.

Merkel gehörte offenbar zu der flexiblen Sorte und konnte amöbenartig recht schnell die jeweiligen Anforderungsprofile ausfüllen.
In den letzten 21 Jahren hat die Nordvorpommerin im Hosenanzug durchaus auch mal politische Entscheidungen getroffen, die richtungsweisend sein sollten.
Aber sie hat ausnahmslos auf das falsche Pferd gesetzt.
Mit geradezu unheimlicher Sicherheit setzte sich Merkel für den Weg in die Sackgasse ein.
Und sie ist eben doch klug genug, um inzwischen an den politischen Weg-Gabeln nicht mehr von allein eine Richtung einzuschlagen.

Ein kurzer Rückblick:

Merkel entschied als Umweltministerin, daß die Asse ein wunderbar geeigneter Ort wäre, um den Atommüll endzulagern.

Sie setzte 1998 auf Freiwilligkeit der Getränkehersteller beim Dosenpfand, verkomplizierte die alte Töpferische Lösung in absurder Weise und sprach sich 2003 generell gegen eine Pfandlösung aus - wie in Österreich.

Merkel rutschte 2003 schleimspurziehend auf den Knien nach Washington, um George W. Bush zu versichern, daß Schröder nicht für alle Deutschen spreche und Deutschland unter ihrer Führung an der Seite der USA im Irak wäre.

Im Herbst 2003 auf dem legendären Leipziger Parteitag ließ sich Merkel als Radikalreformerin bejubeln und kämpfte für eine 264 Euro-Kopfpauschale im Gesundheitssystem.
Arbeitgeber und Reiche sollten entlastet werden.

Im Wahlkampf 2005 propagierte die CDU-Kanzlerkandidatin für die Kirchhof‘sche Flat Tax von 25 Prozent auf alle Einkommen.

Um Schröder zu beschädigen, nahm sie es in Kauf die Position Deutschlands zu unterminieren und mauschelte 2004 mit allen Tricks den konservativen José Manuel Durão Barroso an die Spitze der EU. Inzwischen ist der Portugiese ihr größtes Ärgernis bei der Euro-Politik.

Bei der OPEL-Krise setzte die Kanzlerin gegen ihren Wirtschaftsminister Guttenberg die staatliche Auffanglösung wider alle wirtschaftliche Vernunft durch.

Einseitig protegierte sie dabei zudem den Russisch-österreichischen Konzern Magna- nur um letztendlich von GM vorgeführt zu werden.

Im „Herbst der Entscheidungen“ zertrümmerte die Atomkanzlerin gegen alle Vernunft den alten Atomausstiegskonsens und sagte eine Laufzeitverlängerung um 15 Jahre zu.

Ebenfalls im „Herbst der Entscheidungen“ erkor sie die Grünen zum Hauptgegner, erhob das Bekenntnis zu Stuttgart 21 zur Schicksalsfrage und wertete die BW-Wahl zum Plebiszit über ihre Regierung auf. Eindrucksvoller ist wohl kaum jemals eine Strategie gescheitert.

In der Googleberg-Affäre gab sie dem Lügenminister Rückendeckung und wischte die fortlaufenden Unwahrheiten und Windungen des Verteidigungsministers als Petitessen vom Tisch. (SZ, 13.04.11: Hier wird gleich jemand richtig sauer: Angela Merkel hat Karl-Theodor zu Guttenberg nichts mehr zu sagen, tut es aber trotzdem. Denn der Kredit, den sie ihm gewährte, wird toxisch - Nico Fried)

Libyen-Zickzack 2011.

Geradezu legendär katastrophal sind Merkels Personalentscheidungen.

Sie kann es einfach nicht.
Merkel entscheidet selten etwas, in dem sie voran geht.
Wenn sie sich aber frühzeitig festlegt, ist es immer Murx.

Nur logisch, daß sie Entscheidungen möglichst unterlässt.

3 Kommentare:

Homer Simpson hat gesagt…

Merkel hat ein paar Geschicke. Sie scheint sich selbst unter einem System (DDR, Kohl) wohl zu fühlen. Ein Gewissen hindert sie also nicht, für eine Sache zu dienen.

Sie hat aber kein gutes Gefühl dafür, was die Stunde geschlagen hat. So reagiert sie intuitiv immer wieder falsch. Sie ist Physikerin. Sie braucht Formeln.

Und nach Formel, geht sie auch in ihrer Partei vor. Dort hat sie an der Spitze klare Verhältnisse geschaffen - ein Regelwerk, für den gegenseitigen Umgang bei Versagen, bei Personalfragen und in Fragen der politischen Richtung. Hier ist die CDU "geschlossen" unterwegs wie nie. Das war schon anders. Sie hat durch die geschaffene Ordnung, an der Spitze einen echten Zusammenhalt geschaffen.

Wer im Spitzenkreis die Formeln beachtet, bekommt bald auch einen Posten. Das könnte auch erklären, warum so viele CDU-Köpfe in letzter Zeit verzweifelt aufgaben: Man gehört irgendwie nicht mehr dazu.

Die CDU ist das Abbild einer italienischen "Familie" geworden.

Das Problem der Patin: Sie und ihre Familie, müssen gewählt werden, um regieren zu dürfen. Und sie muss die Geschäfte abgeben, wenn die Familie das Gesicht verliert. Dafür macht man sie verantwortlich. Und Führungsschwäche sowie Machtverlußt sind unverzeihlich!

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Also unter den Konservative
n hat Merkel längst das Gesicht verloren. Alle rechten Positionen hat sie schon mal vertreten und sie auch wieder fallengelassen.

Das macht aber so lage nichts, so lange sie die Macht hat.

Aber Wahlen verlieren kommt nicht gut an beim Fußvolk!

Das kann ihr noch Ärger machen, wenn ein paar weitere Landtagswahlen den Bach runtergehen.

Und 2013 hat dann der Urnenpöbel das Wort. Nicht auszuschließend, daß er noch mal Merkel den Job als Kanzlerin gibt. Und wenn sie wiedergewählt wird, sind auch alle ihre Kritiker wieder still und werden devot vor ihr Kotau machen!

LGT

Homer Simpson hat gesagt…

Also ich glaube, dass das Geheimnis von Angelas Wankelmütigkeit, einen einfachen Grund hat. Die Formel.

Nach der entscheidet sie das alles gar nicht. Auf jeden Fall nicht allein. Die stimmen sich genau ab. Darum kann auch niemand Merkel absägen. Allein die Nummer mit dem Islam. Da sagt der Präsident, der Islam gehöre zu Deutschland. Und ein paar Tage später, vertritt die CDU-Spitze einhellig die Meinung: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland und Multikulti ist gescheitert!".

Das ist ja kein Zufall. Und die Wankelmütigkeit, ist Spiegel der Meinungen im engsten Kreis der CDU. Wenn man sich im Konsens einigt, kann es auch mal passieren, dass manche ihre Meinung ändern. Was Merkel also denkt und meint, ist überhaupt nicht relevant. Sie vertritt nur konsequent die Entscheidungen der Spitze.

Allein, wie sie monoton diese politischen Entscheidungen in der Öffentlichkeit mitteilt, sagt alles. Konsens... blabla... Alternativlos... blabla...

Das sind genau zusammen gestellte Formulierungen, die möglichst alle Angriffe von Außen vermeiden sollen. Man überlegt ganz genau, wie man das so aalglatt verpacken kann, dass es von allen Seiten geschluckt wird. Notfalls schiebt man ein Moratorium ein oder erwähnt beiläufig mögliche Gründe für die neuerliche Richtungswechsel. Dabei ist nur eines wichtig: Wie sieht die CDU dadurch nicht noch dümmer aus.

Merkel ist also mehr sowas wie ein politischer Sprecher der CDU bzw. der Interessenverbände. Den Eindruck jedenfalls, habe ich von ihr. Da ist jedes Wort genau abgewogen, um sich nur ja keine Blöße zu geben.