Sonntag, 17. April 2011
Morgen-Bruxismus
Das Morgen-GRAUEN macht sich bei mir akustisch bemerkbar, weil meine Schlafzimmerfenster noch lichtdicht verpackt sind. Ein enormes Gepiepse setzt an, als wollten sich die kleinen gefiederten Freunde gegenseitig klar machen „ich bin als erster wach!“.
Gegen sechs Uhr höre ich aus der Ferne ein richtig fieses Geräusch. Knirschen von Metall auf Stein. Dieses Krrrrk Krrrrrk nähert sich langsam und das bedeutet für mich den Beginn des politischen Tages.
Krrrrk Krrrrrk macht nämlich der übervoll bepackte Uralt-Hackenporsche jenes wettergegerbten gebeugten und doch fröhlich pfeifenden Mannes, der mir morgens die Zeitungen vor die Tür wirft.
Penibel hält er Uhrzeit und Murphys Law ein, indem er die eine peinliche Zeitung, die ich abonniert habe (das Hamburger Abendblatt) in 90% der Fälle oben auf dem Stapel platziert.
Schon das ist ein Grund sich des Packens aus Papier und Druckerschwärze schnell zu bemächtigen.
Soll ja keiner sehen, was ich so lese.
Konservativ wie ich bin, habe ich gerne die Tagesmeldungen und Kommentare in gedruckter Form vor mir.
Gestern allerdings unterlief dem morgendlichen Pfeifer ein Irrtum, indem er in meinen Pressepacken ein Exemplar der „WELT“ statt der „SZ“ steckte. Aua.
Aber man soll das beste aus seiner Situation machen und so versuchte ich mich in einen Konservativen zu versetzen, stellte mir vor ich sei ein Schwarzgelb-Anhänger, der so deutlich rechts der Mitte stünde, daß er Springers rechtestes Organ, „die Welt“ abonniert hätte.
Ich würde also nicht auf die „Nachdenkseiten“, in die „taz“ oder Boulevard-Blätter wie die Hamburger „MoPo“ gucken, die gestern über Freund Gaga-Guido schlagzeilte: „Zickzack-Guido nervt die ganze NATO“.
Vielleicht erinnert sich ein WELT-Leser ja noch gerne daran, wie sein Idol Westerwelle triumphiert hatte, als im Oktober 2009 der K.O.alitionsvertrag unterzeichnet wurde:
In seiner Rede vor den Delegierten verteidigte Westerwelle den in der Nacht zu Samstag ausgehandelten Koalitionsvertrag gegen den Vorwurf der sozialen Kälte. Der designierte Vizekanzler verwies auf die geplanten Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen und insbesondere für Familien. "Wer das als kalte Politik bezeichnet, dem ist in seiner Hirnverbranntheit nicht mehr zu helfen", sagte er. Westerwelle betonte, der Koalitionsvertrag trage in allen Politikfeldern eine klare liberale Handschrift. Die FDP habe alle 20 Kernforderungen durchsetzen können. "Versprochen, gehalten: Das ist die Devise der Freien Demokratischen Partei." Am Samstag hatten bereits die Fraktionen von Union und FDP das gemeinsame Vertragswerk abgesegnet. Dieses enthält Steuerentlastungen von 24 Milliarden Euro.
(Reuters 25.10.10)
Von den „20 Kernforderungen“ ist heute nicht mehr die Rede.
Man entdeckt sie gar nicht mehr.
Nur mit viel Mühe findet man bei der NRW-FDP noch eine online-Version ihrer großspurigen Forderungen, die sie bereits als „durchgesetzt“ feierte:
Beispiele:
„Teil eines innovativen Konzeptes ist dabei auch die Verlängerung der Laufzeiten von sicheren und leistungsfähigen Kernenergieanlagen, bei gleichzeitigem früherem Abschalten störungsanfälliger Meiler, auch und gerade weil sich die anspruchsvollen CO2-Minderungsziele nur mit einer sicheren Kernenergie erreichen lassen. Vorher aber muss mit der deutschen Energiewirtschaft verbindlich vereinbart werden, die aus einer Laufzeitverlängerung entstehenden Gewinne zu einem erheblichen Teil in eine umfassende Modernisierung der deutschen Kraftwerke sowie in eine deutliche Ausweitung der Energieforschung zu reinvestieren.“
„Die maßgeblich aus der FDP-NRW entwickelte Liberale Steuerreform für einfache, niedrige und gerechte Steuern ist und bleibt daher vorrangiges Ziel.“
„Wir wollen Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzen, das möglichst alle Transferzahlungen des Staates bündelt und für die Menschen transparent und erreichbar macht.“
„Die FDP-NRW setzt sich dafür ein, dass besonders Familien mit Kindern entlastet werden, denn: Familienbedingte finanzielle Lasten werden im geltenden Steuerrecht nicht angemessen berücksichtigt.“
„Die Hemmnisse der jetzigen Unternehmensteuerreform müssen fallen.“
Immerhin, eine von 20 Forderungen wurde tatsächlich umgesetzt:
„Die FDP-NRW fordert daher einen von 19 auf 7 % ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Gastronomie und Hotellerie.“ - Die Wähler waren begeistert.
Erstaunlich prophetisch wurde direkt nach dem Koalitionsvertrag von der Majorität der seriösen Journalisten erkannt, daß Merkel und Westerwelle nur heiße Luft produziert hatten und diese Versprechen nicht umsetzen würden.
Selten hat eine deutsche Regierung einen konfuseren Start hingelegt. Eigentlich sollte der Koalitionsvertrag die Arbeitsgrundlage der neuen Regierung bilden, doch das 133-seitige Dokument mit dem Titel "Wachstum.Bildung.Zusammenhalt.", auf das sich die Koalitionäre geeinigt haben, ist ein Dokument der Uneinigkeit. Es löst die Probleme des Landes nicht, es vertagt sie bestenfalls. Sieben Kommissionen hat die neue Koalition eingesetzt, 84 Prüfaufträge hat sie erteilt. Konsens erreichten Union und FDP immer dann, wenn es galt, Konflikte zu verschieben. So bleibt Schwarz-Gelb etwa die Antwort schuldig, wie das marode deutsche Gesundheitswesen umgebaut werden soll. Was Merkel und Westerwelle versprechen, sind Steuersenkungen; was sie sich vorerst sparen, ist die Antwort auf die Frage, wie all das finanziert werden soll. Wie die neue Koalition ans Werk geht, erinnert an einen Club der Hütchenspieler. Nirgendwo offenbart sich dieser Anschein des Unseriösen deutlicher als in der Steuerpolitik. Die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden ächzen unter einer Rekordverschuldung, dennoch verspricht die neue Regierung Steuergeschenke in Höhe von 24 Milliarden Euro.
(SPIEGEL 02.11.2009)
Vielleicht ist aber „DER SPIEGEL“ unserem imaginären WELT-Leser viel zu links.
Er hat die Warnungen möglicherweise nicht gelesen und inzwischen verdrängt was Guido, der Große von 2009 Mantra-artig in jede Kamera kreischte: „ohne ein einfacheres und gerechteres Steuersystem wird die FDP keinem Vertrag zustimmen.“
Steuer- , Finanz-, Wirtschafts-, Sozial- und Energiepolitik mag unser WELT-Leser vergessen haben; immerhin ist Westerwelle de facto schon als Parteichef abgesetzt.
Nun ist Guido nur noch Außenminister und da der Punkt im Koalitionsvertrag ausgeklammert wurde, kann er wenigstens hier keine Versprechen brechen.
Wie liest sich also die Einschätzung der gelben Außenpolitik aus konservativer WELT-Sicht?
Nun, die Zeiten, als bedeutenden Außenpolitiker aus Deutschland - Bahr, Brandt, Scheel, Schmidt oder zuletzt Schröder beim Irakkriegskurs international richtungsweisend agierten, sind vorbei.
Westerwelle darf beim rein zufällig in Berlin stattfindenden NATO-Gipfel bestenfalls den Grüßaugust spielen.
Wie es um das Ansehen Deutschlands bei diesen drei Bündnispartnern tatsächlich steht, konnte Westerwelle am Freitagmorgen nachlesen. Die Berliner Konferenz ignorierend, hatten der amerikanische Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron einen gemeinsamen Artikel in vier internationalen Zeitungen veröffentlicht. Das Thema: Libyen. Der Tenor: Der Westen werde mit seinen Luftangriffen nicht nachlassen, bis Gaddafi seinen Posten räume. […] Aus deutscher Sicht besonders peinlich ist die Passage des Artikels, in dem Obama, Sarkozy und Cameron die Gründe für die Militärintervention in Erinnerung rufen. […] Westerwelle quittierte diese diplomatische Ohrfeige mit der Floskel, er unterstütze das Ziel der USA, Großbritanniens und Frankreichs, "dass Libyen eine friedliche und freiheitliche Zukunft braucht. […] Am Freitagnachmittag gab dann auch US-Außenministerin Clinton ihre Zurückhaltung auf […] - um dann auf Libyen zu sprechen zu kommen. Sie verglich das von Gaddafi angekündigte Massaker in Bengasi mit dem von serbischen Soldaten im bosnischen Srebrenica während des Balkankriegs tatsächlich verübten. Die meisten Zuhörer verstanden das als kaum noch verbrämte Kritik an Deutschlands Enthaltung im UN-Sicherheitsrat.
(Welt 16.04.2011)
Westerwelles Meinung hat international nicht das geringste Gewicht. Auch der WELT-Kommentator Richard Herzinger kann sein Entsetzen über den außenpolitischen Kurs dieser Bundesregierung nicht verbergen und versucht es auch nicht.
Es gebe "keine militärische Lösung" der libyschen Krise, wird Außenminister Guido Westerwelle seit der deutschen Enthaltung bei der Abstimmung der Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat nicht müde zu betonen. Damit hofft er, dieser fatalen Fehlentscheidung nachträglich eine pseudorationale Begründung verschaffen zu können, die dazu nach abgeklärter Prinzipientreue klingt. Bei der Erfüllung ihrer eigenen Prophezeiung, die Militärintervention in Libyen führe in die Sackgasse, hilft die deutsche Außenpolitik derzeit freilich kräftig nach, indem sie sich in der Nato als Bremser der von Franzosen und Briten geforderten, dringend notwendigen Intensivierung der Lufteinsätze gegen die Truppen des Gaddafi-Regimes betätigt. […] Dabei ist die Feststellung, dass es für politische Konflikte wie den in Libyen keine militärische Lösung gebe, sondern militärische Aktionen allenfalls die Voraussetzung für eine politische Lösung sein können, letztlich nichts als eine Binsenwahrheit. Tatsächlich hat niemand je das Gegenteil behauptet, schon nicht unsere engsten westlichen Verbündeten, denen Westerwelle von der sicheren Seitenlinie des Geschehens aus hochnäsige Belehrungen erteilen will. Die konkrete Wahrheit jenseits solcher wohlfeilen Abstraktionen lautet jedoch, dass es ohne westliches militärisches Eingreifen in Libyen längst eine "Lösung" des Konflikts gegeben hätte: nämlich den blutigen Triumph Gaddafis über die Reste der libyschen Freiheitsbewegung. […] Es ist eine seltsame Konstellation, dass sich Deutschland mit bockiger Konsequenz jede Beteiligung an den militärischen Anstrengungen der Nato verweigert, als wichtiges Mitglied der Atlantischen Allianz jedoch die strategische Richtung der Kriegsführung wesentlich mit beeinflussen kann.
(WELT, Richard Herzinger| 16.04.2011)
Zustimmung ist anders
Gegen sechs Uhr höre ich aus der Ferne ein richtig fieses Geräusch. Knirschen von Metall auf Stein. Dieses Krrrrk Krrrrrk nähert sich langsam und das bedeutet für mich den Beginn des politischen Tages.
Krrrrk Krrrrrk macht nämlich der übervoll bepackte Uralt-Hackenporsche jenes wettergegerbten gebeugten und doch fröhlich pfeifenden Mannes, der mir morgens die Zeitungen vor die Tür wirft.
Penibel hält er Uhrzeit und Murphys Law ein, indem er die eine peinliche Zeitung, die ich abonniert habe (das Hamburger Abendblatt) in 90% der Fälle oben auf dem Stapel platziert.
Schon das ist ein Grund sich des Packens aus Papier und Druckerschwärze schnell zu bemächtigen.
Soll ja keiner sehen, was ich so lese.
Konservativ wie ich bin, habe ich gerne die Tagesmeldungen und Kommentare in gedruckter Form vor mir.
Gestern allerdings unterlief dem morgendlichen Pfeifer ein Irrtum, indem er in meinen Pressepacken ein Exemplar der „WELT“ statt der „SZ“ steckte. Aua.
Aber man soll das beste aus seiner Situation machen und so versuchte ich mich in einen Konservativen zu versetzen, stellte mir vor ich sei ein Schwarzgelb-Anhänger, der so deutlich rechts der Mitte stünde, daß er Springers rechtestes Organ, „die Welt“ abonniert hätte.
Ich würde also nicht auf die „Nachdenkseiten“, in die „taz“ oder Boulevard-Blätter wie die Hamburger „MoPo“ gucken, die gestern über Freund Gaga-Guido schlagzeilte: „Zickzack-Guido nervt die ganze NATO“.
Vielleicht erinnert sich ein WELT-Leser ja noch gerne daran, wie sein Idol Westerwelle triumphiert hatte, als im Oktober 2009 der K.O.alitionsvertrag unterzeichnet wurde:
In seiner Rede vor den Delegierten verteidigte Westerwelle den in der Nacht zu Samstag ausgehandelten Koalitionsvertrag gegen den Vorwurf der sozialen Kälte. Der designierte Vizekanzler verwies auf die geplanten Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen und insbesondere für Familien. "Wer das als kalte Politik bezeichnet, dem ist in seiner Hirnverbranntheit nicht mehr zu helfen", sagte er. Westerwelle betonte, der Koalitionsvertrag trage in allen Politikfeldern eine klare liberale Handschrift. Die FDP habe alle 20 Kernforderungen durchsetzen können. "Versprochen, gehalten: Das ist die Devise der Freien Demokratischen Partei." Am Samstag hatten bereits die Fraktionen von Union und FDP das gemeinsame Vertragswerk abgesegnet. Dieses enthält Steuerentlastungen von 24 Milliarden Euro.
(Reuters 25.10.10)
Von den „20 Kernforderungen“ ist heute nicht mehr die Rede.
Man entdeckt sie gar nicht mehr.
Nur mit viel Mühe findet man bei der NRW-FDP noch eine online-Version ihrer großspurigen Forderungen, die sie bereits als „durchgesetzt“ feierte:
Beispiele:
„Teil eines innovativen Konzeptes ist dabei auch die Verlängerung der Laufzeiten von sicheren und leistungsfähigen Kernenergieanlagen, bei gleichzeitigem früherem Abschalten störungsanfälliger Meiler, auch und gerade weil sich die anspruchsvollen CO2-Minderungsziele nur mit einer sicheren Kernenergie erreichen lassen. Vorher aber muss mit der deutschen Energiewirtschaft verbindlich vereinbart werden, die aus einer Laufzeitverlängerung entstehenden Gewinne zu einem erheblichen Teil in eine umfassende Modernisierung der deutschen Kraftwerke sowie in eine deutliche Ausweitung der Energieforschung zu reinvestieren.“
„Die maßgeblich aus der FDP-NRW entwickelte Liberale Steuerreform für einfache, niedrige und gerechte Steuern ist und bleibt daher vorrangiges Ziel.“
„Wir wollen Hartz IV durch ein Bürgergeld ersetzen, das möglichst alle Transferzahlungen des Staates bündelt und für die Menschen transparent und erreichbar macht.“
„Die FDP-NRW setzt sich dafür ein, dass besonders Familien mit Kindern entlastet werden, denn: Familienbedingte finanzielle Lasten werden im geltenden Steuerrecht nicht angemessen berücksichtigt.“
„Die Hemmnisse der jetzigen Unternehmensteuerreform müssen fallen.“
Immerhin, eine von 20 Forderungen wurde tatsächlich umgesetzt:
„Die FDP-NRW fordert daher einen von 19 auf 7 % ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Gastronomie und Hotellerie.“ - Die Wähler waren begeistert.
Erstaunlich prophetisch wurde direkt nach dem Koalitionsvertrag von der Majorität der seriösen Journalisten erkannt, daß Merkel und Westerwelle nur heiße Luft produziert hatten und diese Versprechen nicht umsetzen würden.
Selten hat eine deutsche Regierung einen konfuseren Start hingelegt. Eigentlich sollte der Koalitionsvertrag die Arbeitsgrundlage der neuen Regierung bilden, doch das 133-seitige Dokument mit dem Titel "Wachstum.Bildung.Zusammenhalt.", auf das sich die Koalitionäre geeinigt haben, ist ein Dokument der Uneinigkeit. Es löst die Probleme des Landes nicht, es vertagt sie bestenfalls. Sieben Kommissionen hat die neue Koalition eingesetzt, 84 Prüfaufträge hat sie erteilt. Konsens erreichten Union und FDP immer dann, wenn es galt, Konflikte zu verschieben. So bleibt Schwarz-Gelb etwa die Antwort schuldig, wie das marode deutsche Gesundheitswesen umgebaut werden soll. Was Merkel und Westerwelle versprechen, sind Steuersenkungen; was sie sich vorerst sparen, ist die Antwort auf die Frage, wie all das finanziert werden soll. Wie die neue Koalition ans Werk geht, erinnert an einen Club der Hütchenspieler. Nirgendwo offenbart sich dieser Anschein des Unseriösen deutlicher als in der Steuerpolitik. Die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden ächzen unter einer Rekordverschuldung, dennoch verspricht die neue Regierung Steuergeschenke in Höhe von 24 Milliarden Euro.
(SPIEGEL 02.11.2009)
Vielleicht ist aber „DER SPIEGEL“ unserem imaginären WELT-Leser viel zu links.
Er hat die Warnungen möglicherweise nicht gelesen und inzwischen verdrängt was Guido, der Große von 2009 Mantra-artig in jede Kamera kreischte: „ohne ein einfacheres und gerechteres Steuersystem wird die FDP keinem Vertrag zustimmen.“
Steuer- , Finanz-, Wirtschafts-, Sozial- und Energiepolitik mag unser WELT-Leser vergessen haben; immerhin ist Westerwelle de facto schon als Parteichef abgesetzt.
Nun ist Guido nur noch Außenminister und da der Punkt im Koalitionsvertrag ausgeklammert wurde, kann er wenigstens hier keine Versprechen brechen.
Wie liest sich also die Einschätzung der gelben Außenpolitik aus konservativer WELT-Sicht?
Nun, die Zeiten, als bedeutenden Außenpolitiker aus Deutschland - Bahr, Brandt, Scheel, Schmidt oder zuletzt Schröder beim Irakkriegskurs international richtungsweisend agierten, sind vorbei.
Westerwelle darf beim rein zufällig in Berlin stattfindenden NATO-Gipfel bestenfalls den Grüßaugust spielen.
Wie es um das Ansehen Deutschlands bei diesen drei Bündnispartnern tatsächlich steht, konnte Westerwelle am Freitagmorgen nachlesen. Die Berliner Konferenz ignorierend, hatten der amerikanische Präsident Barack Obama, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron einen gemeinsamen Artikel in vier internationalen Zeitungen veröffentlicht. Das Thema: Libyen. Der Tenor: Der Westen werde mit seinen Luftangriffen nicht nachlassen, bis Gaddafi seinen Posten räume. […] Aus deutscher Sicht besonders peinlich ist die Passage des Artikels, in dem Obama, Sarkozy und Cameron die Gründe für die Militärintervention in Erinnerung rufen. […] Westerwelle quittierte diese diplomatische Ohrfeige mit der Floskel, er unterstütze das Ziel der USA, Großbritanniens und Frankreichs, "dass Libyen eine friedliche und freiheitliche Zukunft braucht. […] Am Freitagnachmittag gab dann auch US-Außenministerin Clinton ihre Zurückhaltung auf […] - um dann auf Libyen zu sprechen zu kommen. Sie verglich das von Gaddafi angekündigte Massaker in Bengasi mit dem von serbischen Soldaten im bosnischen Srebrenica während des Balkankriegs tatsächlich verübten. Die meisten Zuhörer verstanden das als kaum noch verbrämte Kritik an Deutschlands Enthaltung im UN-Sicherheitsrat.
(Welt 16.04.2011)
Westerwelles Meinung hat international nicht das geringste Gewicht. Auch der WELT-Kommentator Richard Herzinger kann sein Entsetzen über den außenpolitischen Kurs dieser Bundesregierung nicht verbergen und versucht es auch nicht.
Es gebe "keine militärische Lösung" der libyschen Krise, wird Außenminister Guido Westerwelle seit der deutschen Enthaltung bei der Abstimmung der Libyen-Resolution im UN-Sicherheitsrat nicht müde zu betonen. Damit hofft er, dieser fatalen Fehlentscheidung nachträglich eine pseudorationale Begründung verschaffen zu können, die dazu nach abgeklärter Prinzipientreue klingt. Bei der Erfüllung ihrer eigenen Prophezeiung, die Militärintervention in Libyen führe in die Sackgasse, hilft die deutsche Außenpolitik derzeit freilich kräftig nach, indem sie sich in der Nato als Bremser der von Franzosen und Briten geforderten, dringend notwendigen Intensivierung der Lufteinsätze gegen die Truppen des Gaddafi-Regimes betätigt. […] Dabei ist die Feststellung, dass es für politische Konflikte wie den in Libyen keine militärische Lösung gebe, sondern militärische Aktionen allenfalls die Voraussetzung für eine politische Lösung sein können, letztlich nichts als eine Binsenwahrheit. Tatsächlich hat niemand je das Gegenteil behauptet, schon nicht unsere engsten westlichen Verbündeten, denen Westerwelle von der sicheren Seitenlinie des Geschehens aus hochnäsige Belehrungen erteilen will. Die konkrete Wahrheit jenseits solcher wohlfeilen Abstraktionen lautet jedoch, dass es ohne westliches militärisches Eingreifen in Libyen längst eine "Lösung" des Konflikts gegeben hätte: nämlich den blutigen Triumph Gaddafis über die Reste der libyschen Freiheitsbewegung. […] Es ist eine seltsame Konstellation, dass sich Deutschland mit bockiger Konsequenz jede Beteiligung an den militärischen Anstrengungen der Nato verweigert, als wichtiges Mitglied der Atlantischen Allianz jedoch die strategische Richtung der Kriegsführung wesentlich mit beeinflussen kann.
(WELT, Richard Herzinger| 16.04.2011)
Zustimmung ist anders
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
4 Kommentare:
"Es gebe "keine militärische Lösung" der libyschen Krise, ..."
Wohl unnoetig zu erwaehnen, dass eine diplomatische Loesung ehh nicht zur Debatte stand und man schon, leider wie gewoehnlich gehabt Bomben schmeisst.
Den Guido mit einem Zitat der, unter Anderem Kriegsgeilen, WELT zu sacken ist ganz schoen dreist von dir.
Gluecklicherweise hast du kein Abo. :-(( .. ))
Hi Jake - hatte mir schon gedacht, daß Dich das erfreuen würde.
Nun ging es hierbei weniger darum, ob No-Fly-Zone gut oder schlecht ist, sondern daß sich Guido inzwischen bei Gegnern UND Befürwortern unmöglich gemacht hat, weil er so dümmlich und überheblich daherredet.
Ich finde es schon irgendwie erstaunlich WIE MASSIV hier die Welt gegen Guido anschreibt. Die Welt ist nun wirklich üblicherweise strikt FÜR Schwarzgelb.
Ich denke, daß ich den Kommentar von dem Herzinger etwas zu sehr gekürzt habe.
Im Grunde ist seine Argumentation gar nicht so abwegig. Es geht ja nur um das „jetzt“. Was in den letzten Jahren und Jahrzehnten in der Libyen-Politik alles falsch gemacht wurde, ist eine andere Sache.
Wenn Du Lust hast, lies mal das ganze Ding:
http://www.welt.de/print/die_welt/debatte/article13188985/Fassade-der-Einigkeit.html
jedenfalls: WENN Guido seine Linie „kein Militäreinsatz“ durchgehalten hätte und dies auch gegenüber seinen Kollegen begrünet hätte UND zudem auch noch Alternativen aufgezeigt hätte, wäre das ja auch in Ordnung gewesen.
Nur hat der Depp mal wieder gar nicht nachgedacht, sich mit Blick auf Wahlen in BW und RP bei den Wählern beliebt machen wollen und als er anschließend bemerkte, daß das alles bei seinen NATO-Kollegen nicht gut ankam, ist er wieder zurück gerudert. Nun ist Deutschland ja doch für den NATO-Einsatz, „wünscht viel Glück“, will sich aber den Pelz nicht nassmachen.
SO GEHT es natürlich nicht.
Deppen.
LGT
Ueber die generelle Unfaehigkeit Guidos(Konsorte) bestehen ja keine Zweifel. ... still counting.
"Der Westen hat im Libyen-Konflikt nach jahrelanger, durch die Bedrängnis im Irak und in Afghanistan bedingter Defensive bewiesen, dass er noch immer zu schneller Aktion und zum Schmieden breiter Allianzen - bis in die arabische Welt hinein - sowie zum Einstehen für seine Freiheitsideale fähig ist." etc.
Diese Art Kacke kann ich so gar nicht ab.
Etwas alternatives dazu: http://www.larsschall.com/2011/04/15/das-wandernde-auge-%E2%80%93-verwickelt-in-einen-monstrosen-zickenkrieg/
Gruss
Jake
Also jedenfalls ist das Libysche Kind so richtig tief im Brunnen.
Guido hat es an der Seitenlinie aber immerhin noch geschafft, daß Deutschland nun international als Volldepp dasteht.
Und das Libysche Kind ist noch genauso tief im Brunnen!
Tolle Politik.
LGT
Kommentar veröffentlichen