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Montag, 22. November 2010

Enemy mine

Ein äußerer Feind hält eine gespaltene Nation zusammen.
Das gesellschaftlich völlig zerfallende Amerika hatte diesen Gemeinschaftsmoment im September 2001 - aus den bekannten Gründen.
Eben noch hatten die bigotten Moralapostel der Rechten Clinton und die Demokraten gehasst wie die Pest (mit guten Gründen - immerhin soll „slick Willy“ einmal außerehelichen Oralsex gehabt haben!!!). Eben noch bebten die Demokraten vor Empörung, weil sich GWB durch die von Papa ernannten Richter den Präsidentenjob geangelt hatte, obwohl er 550.000 Stimmen weniger als Al Gore bekommen hatte.
Und von einem Tag zum anderen war alles vergessen; die Nation lag sich in den Armen und führte einen patriotischen Tanz auf, der selbst im Heimatland des Nationalstolzes alles in den Schatten stellte.
Alles scharte sich hinter den jungen Präsidenten George W. Bush, der mit nahezu 90% Zustimmungsrate politisch so potent war, wie kaum einer seiner Vorgänger seit 50 Jahren.
Eine tolle Sache.
Die gesellschaftliche Heterogenität wurde ausgeblendet, man half sich und hielt zusammen.
GWB zehrte so sehr von der Stimmung, daß er drei Jahre später gleich noch mal gewählt wurde.
Die amerikanische Demokratie gebar eine geradezu diktatorische Machtfülle; die Führung wurde nicht mehr hinterfragt, niemand kritisierte kleinlich.

Wie die Neocons im Oval Office dieses nur einmal im Jahrhundert vorkommende Momentum nutzen - allein im Irak verbrannten drei Billionen Dollar und Hunderttausende Zivilisten starben - ist jedem bekannt.

Neun Jahre später sitzt Barack Obama im selben Amt mit diametral anderer Stimmung.
Er verliert sich tagtäglich in den Rückzugsgefechten der Innenpolitik.
Keine noch so kleine Entscheidung, die nicht von massiven Protesten behindert wird.
Große Teile der Bevölkerung und der Medien glauben ihm sowieso nichts und sind unumkehrbar auf Krawall und Widerstand gebürstet.
Das Land entgleitet dem Präsidenten, da er keinen Bösewicht mehr hat, der das Wahlvolk in Rage brächte.
Die Sowjetunion ist weg; Nachfolger Russland nervt damit rum Atomwaffen verschrotten zu wollen und große Terroranschläge sind rar.
Zudem nutzt sich der Effekt ab, nachdem das Land neun Jahre im roten Alarm befunden hat.
Obama fehlt ein greifbarer Feind, gegen den er sich profilieren kann.
Unglücklicherweise ist er tatsächliche Inhibitor seiner Schaffenskraft das eigene, nörgelnde Volk - und wer legt sich schon gerne mit der Mehrheit der Wähler an???


Kollegin Angela sitzt auf den ersten Blick gesehen vor ähnlichen Problemen.
Die bösen Kommunisten im Warschauer Pakt gibt es nicht mehr und ihr Wahlvolk fängt an zu nörgeln.

Statt wie Obama auf Konsens und Versöhnung zu setzen, drischt sie in Ermangelung eines mächtigen äußeren Feindes auf Minderheiten im eigenen Land ein.
Eine parteitaktisch womöglich bessere Strategie.
Obamas Rücksichtnahme auf die Rechten hat ihm schließlich keine einzige Stimme aus dem Lager derjenigen, die ihn auch 2008 nicht gewählt haben, gebracht.
Dafür sind aber seine liberaleren Anhänger in Massen davon gelaufen.

Merkel hat offenbar kühl analysiert, wer sich heutzutage noch zum Feindbild eignet.

Da ändern sich schließlich die Moden.
Vor hundert Jahren war es noch Konsens, daß Frankreich „unser Erzfeind“ war.
„Jeder Stoß ein Franzos‘!“
Würde im Jahr 2010 ein deutscher Regierungschef zum Sturm auf Paris blasen, landete er in der Gummizelle.
Selbst der deutschnationalste Bundeswehrsoldat würde seine Waffen wegwerfen.

Auch im Inneren geht nicht mehr alles.

Die fiesen ekeligen Homos, die noch vor zehn Jahren als Kinderschreck taugten und Merkel vors Verfassungsgericht rasen ließen, als Rot/Grün ihnen die „Ehe-light“ zugestehen wollte, sind heute Lieblinge des Boulevards.

Oder die Grünen!
Als Merkel 1990 in die Bundesregierung kam, waren die Umweltschützer in den Augen der CDU noch „Öko-Stalinisten“, die stets gewaltbereit die Politik chaotisierten.
So geht es nun nicht mehr, nachdem die CDU im Saarland und Hamburg mit dem Ex-Feind zusammen auf der Regierungsbank sitzt.
Superrealo Joschka Fischer war sieben Jahre deutscher Vizekanzler und das Land verfiel dennoch nicht in Anarchie.

Merkel hat bessere Opfer gefunden; Ausländer und Integrationsverweigerer.
Insbesondere Muslime, die nun mit martialischen Tönen gezwungen werden sollen sich der „christliche-jüdischen Leitkultur“ zu unterwerfen.

Neben den marodierenden Türkenbanden, die laut Ministerin Schröder „Deutschenfeindlichkeit“ praktizieren und sogar sie schon als „Schlampe“ verunglimpft hätten, knöpfen sich die CDU’ler auch mehr und mehr die sogenannten „linken Chaoten“ vor.

Das ist praktisch, da die CDU ihre eigenen Anti-Grünen-Schimpftiraden aus den 1980ern wörtlich verwenden kann.
Gemeint sind diesmal aber diese Querulanten, die es wagen gegen die weisen Beschlüsse der Regierung in Gorleben und Stuttgart auf die Straße zu gehen.

Wie schon zu den Studentenunruhen, als die BILD half die Situation in den RAF-Terrorismus eskalieren zu lassen, versuchen sich auch jetzt die CDU-affinen Massenmedien als Scharfmacher.

Im Wendland herrsche Krieg posaunten FAZ, RTL, Sat1 und BILD hinaus. So schlimm sei es noch nie gewesen. Ein Bild des Schreckens wurde gemalt:

Eine n-tv-Nachrichtensprecherin: "Schlagstöcke, Pfefferspray, Wasserwerfer, Sitzblockaden, ein Polizeiauto in Flammen und auch Verletzte. Das ist die bisherige Bilanz des Castor-Transportes." (7.11.2010)

Eine Sprecherin in der RTL-Sendung Punkt 12: "Der Kampf gegen Atomkraft, er wird zum Kampf zwischen Demonstranten und der Polizei. Hier zünden linke Chaoten einen Panzerwagen an." (8.11.2010)
Ein Sprecher eines Beitrags bei Markus Lanz: "Das sogenannte Schottern, also das Entfernen von Steinen aus dem Gleisbett. Die Medien sprechen von einem Bürgerkrieg im Wendland" (ZDF, 9.11.2010).
[…] "Bild" berichtete reißerisch über den "Castor-Irrsinn - So schlimm war es noch nie". Eine einzelne SMS, angeblich von einem Polizisten, muss herhalten für das Urteil "Im Wendland ist Bürgerkrieg" (8.11.2010).
[…] Ein Sprecher in der RTL-Sendung Punkt 12: "Im Wendland ist Bürgerkrieg. Wir werden mit Steinen, Gas und Molotowcocktails angegriffen." (8.11.2010).
Diesen angeblichen Krieg hatte Focus schon einen Monat zuvor beschworen. "Seit Wochen rüsten Aktivisten zur ultimativen Schlacht Gut gegen Böse (...) Die Polizei jedenfalls rechnet mit dem Schlimmsten", warnte Focus und druckte einfach ein Foto Steine werfender Globalisierungsgegner - aus dem Jahr 2007.
[…] Aber auch Sat.1 wusste es vorher ganz genau. Ein Sprecher in der Sendung 17:30 Sat.1 Regional: "Aktionstrainings wie das in Dannenberg gibt es derzeit auch in anderen Teilen der Republik. Fest steht, dem Wendland steht ein heißer November bevor." (18.10.2010).
[…] In Niedersachsen war Krieg am Wochenende. Jedenfalls ist das der Eindruck, den die Medien vermittelt haben. Prügelnde Polizisten, angezündete Räumpanzer, übel zugerichtete Demonstranten im Gleisbett. Die Castorproteste scheinen diesesmal ein nie dagewesenes Ausmaß an Gewalt angenommen zu haben.
(ZAPP, 10.11.10)

Schlimm diese linken Randalierer. Das perfekte Feindbild für die schwarzgelben Wähler.

Es stört fast gar nicht, daß all diese dramatisierenden Frontberichte gelogen waren, daß das Wendland einen besonders friedlichen Protest erlebte, so daß selbst die Polizei voll des Lobes über die Demonstranten war.

Diesen Tiefpunkt der Medienarbeit leuchtete das NDR-Magazin ZAPP aus - aber wer guckt das schon?




Die CDU-Strategie sich auf linke Chaoten einzuschießen wird schon lange deutlich.

Seit Anfang des Jahres gibt es auf dem Formular des Bundesamts für Justiz in Bonn mehrere Kästchen. Eines für Opfer eines rechtsextremistischen oder antisemitischen Übergriffs. Und je eines für Opfer eines islamistisch oder linksextremistisch motivierten Übergriffs. Mit dem Formular können Opfer extremistischer Gewalt Soforthilfe beantragen. 1 Million Euro sind hierfür im Haushalt in diesem Jahr vorgesehen. Das sind 700.000 Euro mehr als 2009. Dafür hat die schwarz-gelbe Bundesregierung den Kreis der Antragsberechtigten ausgeweitet: Früher konnten nur Opfer rechter Gewalt den Antrag auf Härteleistungen stellen, jetzt eben auch Opfer linksextremer oder islamistischer Gewalt. Das entspricht dem generellen Willen der schwarz-gelben Bundesregierung, alle Formen des Extremismus gleichermaßen zu bekämpfen.
(taz 31.10.10)

Natürlich ist ein Opfer linksextremistischer Gewalt genauso schlimm dran wie ein Opfer rechtsextremer Gewalt. Dieser Grundsatz läßt sich nicht bestreiten.

Dumm nur für die CDU und die FDP, daß sich einfach keine Opfer linker Gewalt finden lassen.

Laut eines Schreibens der Justizministerin
„gab es in den ersten acht Monaten bereits 71 Anträge von Opfern rechtsextremistischer Straftaten (2009: 125). Anträge von "Opfern sonstiger extremistischer Straftaten" gab es demnach dagegen bislang noch nicht.
"Die Gleichsetzung von Rechtsextremismus und Linksextremismus durch die Bundesregierung ist reine Symbolpolitik und geht an der Wirklichkeit vorbei", folgert der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy aus den Zahlen. Auch Politiker von Grünen und Linkspartei kritisieren seit Monaten den Ansatz der Regierung zur Extremismusbekämpfung. Oppositionspolitiker sind der Ansicht, dass durch die Regierungslinie die braune Gefahr verharmlost werden könnte.“

(taz 31.10.10)

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