TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Samstag, 13. November 2010

Scheißausländer

Es ist mal wieder CDU-Parteitag.
Eine umständliche Angelegenheit für die Kanzlerin. Parteiarbeit und innerparteiliche Demokratie nerven sie. Sie glaubt fest an das System der Timokratie (Herrschaft der Privilegierten).
So ein Parteitag, auf dem man sich vor hunderte Delegierte stellen muß und sie zu umwerben hat, ist für die Kanzlerin genau das Gegenteil, nämlich Ochlokratie (Herrschaft des Pöbels).
Daß jeder Dahergelaufene meint ihr reinreden zu können und aus seiner naturgemäß eingeschränkten Faktenbasis seine Meinungen präsentiert, ist ihr lästig.
Was ist schon die Ansicht eines CDU-Delegierten aus Hintertupfingen wert, der nur einen Abend die Woche mal zum Ortsvereinsstammtisch geht - im Gegensatz zur Profipolitikerin Merkel, die rund um die Uhr mit den Mächtigen und Wissenden der Welt verkehrt?

Die Demokratie ist schon eine extrem fehlerhafte und umständliche Regierungsform.
Zum Glück ist die Kanzlerin Chefin der CDU.
Bei den linkeren Parteien ist es für die Führungsfiguren noch wesentlich ungemütlicher. Da werden schon mal Vorsitzende weggeputscht, Anträge des Vorstands abgelehnt und das gewünschte Personaltableau durcheinander gewirbelt.

Die Union ist die timokratischste Partei, die sich auch gerne Kanzlerwahlverein nennt.

Solange man an der Macht ist und die Toppositionen im Staate besetzt - Kanzler, Präsident, Bundestagspräsident,… - sind die Mitglieder zufrieden.

Eigentlich.

Uneigentlich können sich zuweilen auch mal CDU-Parteitage als undankbar erweisen, wenn sie die Dauerherrschaft der CDU gefährdet sehen.
Und genau das passiert gerade.
Die Umfragen sind mau. NRW ging nach einer CDU-Legislatur gleich wieder an die bösen Sozen verloren. Und nun droht auch noch das Unions-Stammland BW vom Feind übernommen zu werden.

Zu allem Übel muß die Vorsitzende in dieser lästigen Situation auch noch drei von vier Vizes neu wählen lassen.
Koch, Wulff und Rüttgers stehen alle nicht mehr zu Verfügung. Es kommt sogar noch schlimmer - ausgerechnet die mit Abstand Schwächste in diesem Quartett - Schlaf-Schavan, „the Phlegma“ - verharrt auf ihrem Posten.

Da möchte man eigentlich nicht Parteivorturnerin spielen. Könnte man nicht einfach beschließen, daß Merkel per Akklamation für immer und ewig die Parteigöttin ist und allein bestimmt was zu geschehen hat?
So hat sich das die Kanzlerin schon letztes Jahr erhofft und den Parteitag einfach ausfallen lassen.
Dieses Jahr aber zwingen sie die vielen Abgänge; auch Schäuble schwankt bedenklich; mal wieder so ein Schwatzwochenende abzuhalten.
Und dann ist da auch noch diese viel zu basisdemokratische CDU-Satzung, die vorschreibt spätestens alle zwei Jahre die Spitze neu zu wählen. Mist.
Also versammelt sich die CDU sich ab Sonntag in Karlsruhe.

Die vier Vizes werden zukünftig drei Kabinettsmitglieder und ein MP sein - bisher war es genau umgekehrt; drei MPs und eine Bundesministerin.

Aufrücken sollen die professionellen Lügner von der Leyen und Röttgen, sowie Kochplatzhalter Volker Bouffier, der das föderale Feigenblatt geben soll.
Der Hessen-MP ist zwar älter als Roland Koch und alles andere als ein politisches Schwergewicht, aber wen sollte man sonst nehmen? David McAllister geht nicht, weil zwei Niedersachsen zu viel sind und Mappus‘ Landsmannschaft ist ebenfalls schon besetzt.
Außerdem könnte er sehr schnell ein Ex-MP sein.

Der Umwelt- und die Arbeitsministerin sind so etwas wie „rote Tücher“ für die Parteimitglieder mit echten schwarzen Seelen. Zusammen mit der Bildungsministerin verspottet sie der SPIEGEL schon als „dreimal Merkel“.

Wenn sich ein konservatives CDU-Mitglied ein innerparteiliches Feindbild zusammensetzen sollte, sähe dieses Geschöpf ungefähr so aus: Es würde sich um eine ökologische Erneuerung des Wirtschaftens kümmern sowie um eine Rolle der Frau, in der sich Beruf und Familie vereinbaren lassen. Es wäre weder strotzend männlich noch strotzend weiblich, es wäre liberal, tolerant und ein Zögling der Parteivorsitzenden Angela Merkel. Es könnte sich eine Koalition mit den Grünen gut vorstellen. Dieses Geschöpf könnte ein Hybrid sein aus Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Umweltminister Norbert Röttgen. Beide werden auf dem Parteitag in der kommenden Woche zu Stellvertretern der Vorsitzenden Merkel gewählt und die CDU weiter verändern in eine Richtung, die den Konservativen verhasst ist.
(Der SPIEGEL 45/2010)

Zukünftig haben die CDU’ler also drei Frauen und bloß zwei Männer in der Parteispitze.

Davon sind zwei auch noch kinderlos; die eine geschieden und über die andere gibt es noch schlimmere Gerüchte, die CDU-Rechte als „ledig“ mit besonderer Betonung der Anführungszeichen ausdrücken.

Rund ein Viertel der CDU-Mitglieder zählen sich zu den "Traditionalisten", das ergab die letzte Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung. Fast ein Drittel ist immer noch der Meinung, Frauen sollten ihren Beruf aufgeben, sobald sie Kinder haben. Nur rund 15 Prozent sind der Auffassung, homosexuelle Lebenspartnerschaften sollten der Ehe gleichgestellt werden.
(Der SPIEGEL 45/2010)

Um den Sumpf-CDU’lern das Schlucken all der personellen Kröten zu erleichtern, mußte sich die Parteikönigin ungewohnt anstrengen und hat in den letzten Wochen und Monaten öffentlichkeitswirksam einige schwarz-braune Pflöcke eingeschlagen.

Nein zur PID.

Ja zur Atomlobby.

Strickte Bevorzugung der Privatversicherten im Gesundheitssystem.

Ja zu Stuttgart 21.

Nein zu den Adoptionsrechten von gleichgeschlechtlichen Paaren.

Betonung des „C“s in der CDU.

Und ein deutlichen Tritt ans Schienbein der Ausländer. Nein zu Multikulti.

Die größte Integrationskraft besitzt dabei Merkels faktenwidrige Verdammung der Migranten.
Die xenophobischen Wurzeln der CDU sind noch stark und jüngst von Polit-Entfant Terrible Sarrazin gedüngt worden.
Mit Ausländerbashing macht sich auch im Jahr 2010 eine CDU-Vorsitzende bei ihren Leuten beliebt.
Die CSU drängelt sowieso auf dem rechten Flügel. Bayerns Sozialministerin Haderthauer setzt nun sogar Ultimaten und droht den bösen Ausländern Konsequenzen an, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres Deutsch könnten.
„Integrationsverweigerer“, deren Anteil der Innenminister auf immerhin 15% aller Migranten schätzt, sind die neuen Fußabtreter der Union.
Sie eignen sich schon deswegen so gut für den Job des Schwarzen Peters, weil sie gar nicht definiert sind.
Was ist das eigentlich konkret? Wie errechnet De Maiziere 15 %?

Muß ich jetzt befürchten, daß der Graphiker oben im Penthouse des Nachbarhauses bald rausfliegt?
Das ist nämlich Amerikaner und seine deutsche Grammatik ist nach Dekaden noch miserabel.
Oder wird bei ihm eine Ausnahme gemacht, weil er beruflich erfolgreich ist und zwei deutsche Oberklassewagen besitzt?

Das Reden hat an diesem Tag Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) übernommen. Und was sie in einer Regierungserklärung gesagt hat, dürfte dem bayerischen Ministerpräsidenten gefallen haben. Haderthauer forderte darin ein klares Bekenntnis der Migranten zur "Leitkultur" in Deutschland. Sonst könne Integration nicht gelingen. "Multi-Kulti ist tot", sagte sie - und wiederholte damit wortgleich die Äußerung des CSU-Chefs bei einer Rede vor der Jungen Union im Oktober. Zu den Werten hierzulande gehöre auch, "dass Kreuze in unseren Klassenzimmern hängen". Haderthauer mahnte, das Beherrschen der deutschen Sprache sei "Bürgerpflicht". Es sei jedem Migranten zuzumuten, sie innerhalb eines Jahres zu lernen. Wer nicht bereit sei, sich zu integrieren, müsse mit Konsequenzen rechnen. Haderthauer fügte hinzu, bei "Integrationsverweigerung" müsse es Sanktionen wie Bußgelder und Leistungskürzungen geben. Die bayerische Staatsregierung prüfe derzeit, wie dieses Prinzip "noch konsequenter" umgesetzt werden könne. Anschließend werde es einen entsprechenden Vorstoß auf Bundesebene geben.
(SZ 11.11.10)

In einem Punkt hat die CSU-Ausgrenzerin sogar Recht.
Zu wenige „Ausländer“ besuchen die Deutschkurse. Der Grund ist aber, daß dafür die Mittel gekürzt wurden und es mittlerweile lange Wartelisten gibt, um einen Platz in so einem Kurs zu bekommen.

Die real existierende Politik schlägt also zunächst einmal die Tür zu und beklagt sich dann, daß Ausländer nicht reinkommen wollen.

Wer Deutsch lernen will, kommt jetzt erst mal auf die Warteliste – oder muss tricksen. Gerade hoch motivierte und lernwillige Migranten werden so abgeschreckt.
Kemal Güler spricht gebrochen Deutsch, doch verstehen tut er ganz gut.
[….] Noch vor vier Monaten hätte Güler sich ohne Probleme in einem Kurs freiwillig anmelden können. Jetzt müsste er sich auf Wartezeiten von mindestens drei Monaten einstellen. Denn das Geld für die Gratiskurse ist knapp in Deutschland und damit auch in Berlin. Fast unbemerkt hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Juli weitreichende Kürzungen beschlossen. Sprachkurse werden seitdem nur noch Zuwanderern bezahlt, die von den Behörden dazu verpflichtet wurden. Wer sich freiwillig bewirbt, kommt auf die Warteliste oder muss den Kurs in Höhe von 110 Euro selbst zahlen.
(Tagesspiegel 10.10.10)

Willkommen in der Heuchel-Welt der CDU.

Aber die Parteirechten sind zufrieden - Frau Merkel zeigt klare Kante.
Und Multikulti (was auch immer das sei) ist der Buhmann für alles.
Scheiß Ausländer.

Unnötig zu erwähnen, daß der immer wieder zwanghaft aufgesagte Spruch „Multikulti ist tot“ natürlich sachlich unwahr ist.
Wer würde auch Ehrlichkeit von der CDU in der Ausländerpolitik erwarten?

Zum Schluß ein paar Sätze des Kulturwissenschaftlers Claus Leggewie.

Auch wenn derzeit aus allen Rohren geschossen wird: Multikulti lebt und wird auch noch gewinnen. Der Importeur des Begriffs (ich habe den Namen der Band des Trompeters Don Cherry 1990 als Titel eines Buches verwendet) darf vielleicht klarstellen, was Cohn-Bendit, aber auch Heiner Geißler und andere seinerzeit unter Multikulturalismus verstanden haben. Nämlich nicht, wie Angela Merkel vor der jauchzenden JU zu formulieren beliebte: 'Jetzt machen wir hier mal Multikulti und leben so neben"ander her und freuen uns über"nander' (so der Original-Ton). Wer die frühen Plädoyers und viele nachfolgende Studien gelesen hat, weiß, dass niemand Beliebigkeit oder die Scharia gefördert, sondern die republikanische Integration der Verschiedenheit gefordert hat. Dazu zählten unter anderem die Abkehr von einem völlig antiquierten Staatsangehörigkeitsrecht, eine zukunftsfeste Arbeits- und Sozialpolitik, die Gewährung der im Grundgesetz garantierten Religionsfreiheit und natürlich Bildungsanstrengungen aller Art. Die Probleme, die heute unter den Stichwörtern Parallelgesellschaft und Schulversagen notiert werden, wurden von den Befürwortern von Multikulti ziemlich genau vorhergesagt. Sie waren die wirklichen Realisten.
[…] Die Bundesrepublik Deutschland, die es in den 1990er Jahren mit ungeregelter Einwanderung geschafft hat, selbst die Vereinigten Staaten zu übertreffen, ist netto längst zum Auswanderungsland geworden. Nicht zuletzt, weil Menschen, die hier ihre Bildung erworben haben, nun mit guten Qualifikationen quasi 'zurück' gehen. Das ist auch nur konsequent, wenn man die Stimmung eines Landes ermisst, das sich mit einem Panik-Titel wie 'Deutschland schafft sich ab' präsentiert, das seine schlechte Laune ausstellt und neue Einwanderer regelrecht abschreckt.
[…] Die Christen-Partei mag noch so viel Abendland in ihr Grundsatzprogramm hineinphantasieren, der multikulturelle Alltag wird sich - einschließlich seiner von niemandem bestrittenen unerfreulichen Kehrseiten - weiterentwickeln. Und mit seinen besseren Seiten wird er hoffentlich die Talente ins Land locken, die eine vergreisende Mehrheitsgesellschaft derzeit mit Fleiß vergrault.
Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.260, Mittwoch, den 10. November 2010 , Seite 2

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