TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

Um die beklagte Seitenaufbaugeschwindigkeit zu verbessern, bin ich auf einen zweiten Blog umgezogen. Und zwar hierhin. Ich bin dankbar für ein Feedback!

Mittwoch, 3. November 2010

Konsensuelle Beurteilung.

Wenn erzkonservative Politiker beschlossen haben ihrem Land schweren Schaden zuzufügen, geschieht das in der Regel, um sich beliebt zu machen.
Sie poltern, grölen und veranstalten Theater wie Klaus Kinski auf Speed.
Damit soll überspielt werden, daß in Wahrheit Sachlichkeit und Nachdenklichkeit angemessen wären.
Im März 2002 gab es so ein Schauspiel im Bundesrat, als endlich das von jedem Sachverständigen als vernünftig und überfällig bezeichnete Staatsbürgerschaftsrecht verabschiedet werden sollte.
Roland Koch führte sich auf wie einst Chruschtschov vor der Uno.
Aus olfaktorischer Rücksichtnahme behielt er zwar seine Schuhe an - aber er schimpfte und zeterte wie ein Rohrspatz.
Ein kleiner Fauxpas passierte einen Tag später, als Saarlands MP Müller durchsickern ließ, daß die über alle Maßen empörte Aktion der CDU selbstverständlich nur inszeniert war; es war „Theater“.
Glücklicherweise ist Roland Koch immun gegen die Wahrheit; er kommt immer mit seinen Lügen durch und erreichte auch mit dem peinlichen Schauspiel auf dem Rücken von Immigranten, was er wollte - er wurde Liebkind der Ultrarechten und blieb weitere acht Jahre im Amt.

Der Republikaner John Boehner; der neue Hauptgegenspieler von Barack Obama ist auch so ein Typ. Er mauschelt gerne mit Lobbyisten, verteilt ganz offen deren Schecks an Parlamentskollegen und inszeniert sich als Rechtsaußen.
Mit sich überschlagender Stimme grölte er eruptiv im Kongress „hell, no!!!“, „hell, no!“, als die Gesundheitsreform verabschiedet werden sollte.
Krankenversicherung für alle, statt wie bisher die Armen einfach an ihren Leiden verrecken zu lassen, wenn sie sich die Medikamente nicht leisten können?
Nein, der zutiefst menschenfeindliche Hetzer Boehner versuchte alles, um health-care nicht wahr werden zu lassen
So kam es zum denkwürdigen 21. März 2010 im US-Kongress.

Da trat der Fraktionsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung über Barack Obamas Gesundheitsreform ans Rednerpult und flehte mit historischem Atem alle guten Geister - vom biblischen Moses bis zum US-Gründervater Thomas Jefferson - um Beistand an gegen das legislative Machwerk der Demokraten: "Mit unseren heutigen Taten schänden wir deren Werte!"
Dann jedoch wechselte Boehner jäh die Tonart. Mit hochroten Wangen und Wut in der Stimme stieß er wieder und wieder jenen Kampfschrei aus, der ihn zu einem Helden von Amerikas Rechten machen sollte: "Zur Hölle - Nein!"
Es war John Boehners spektakulärster Augenblick in Washington. Und er hat ihn genossen. Einig wie nie stand damals seine ansonsten so zerstrittene Fraktion hinter ihm, geschlossen skandierten alle Konservativen im Saal Boehners Refrain des Widerstands.
(Christian Wernicke 03.11.10)

Nachdem die Teaparty über den Kongress gekommen ist, wird GOP-intern schon gemunkelt, daß Boehner eigentlich noch zu gemäßigt ist.
Die ultrakonservativen und realitätsblinden Fundamentalisten sind von blankem Hass durchtränkt nun bereit Amerika stillzulegen.

Wie es angehen kann, daß eine konservative Bewegung ein ganzes Land kapert, ohne die geringste Programmatik aufzuweisen, wird heute in hunderten Leitartikeln rund um die Welt erklärt.
Wie es sein kann, daß die Teebeutler, die geradezu besessen gegen Steuern, Staatsverschuldung und Staatsausgaben polemisieren, ausgerechnet die Partei dopen, deren Vormänner Reagan, Bush Sr und Bush Jr dieses Desaster erst angerichtet haben, kann niemand außerhalb Amerikas verstehen. Solange er der irrigen Idee anhängt „Ratio“ spiele eine Rolle.

Wut, Angst, Verunsicherung, Pessimismus, Dummheit, Ignoranz und Obstruktion bestimmte die Wahlentscheidung.

Früher hielten Mehrheiten über Jahrzehnte, die New-Deal-Koalition von Franklin D. Roosevelt zum Beispiel, auch die rechte Koalition von Ronald Reagan. Doch bei den vergangenen drei Wahlen - 2006, 2008 und 2010 - haben die US-Bürger jeweils den Wechsel gewählt. Erst traf es die Republikaner im Kongress, dann im Weißen Haus und nun die Demokraten im Kongress. Das heißt aber auch: Die Republikaner haben diese Wahl nicht gewonnen. Der Präsident hat sie verloren. Vor zwei Jahren hatten die Wähler George W. Bush satt, nun ist es Barack Obama, der abgestraft wird. Frust scheint das wichtigste Wahlmotiv des Landes geworden zu sein und immer schneller wechselt das Urteil, welches Lager die Schuld an einer verfehlten Politik trägt.
Die Tea-Party-Bewegung lebt vom Frust und schürt den Dissens.
Wobei leider nicht klar geworden ist, welche Politik die US-Bürger denn eigentlich wollen. Einerseits wünschen sie sich ein geringeres Haushaltsdefizit, aber gleichzeitig verlangen sie Steuersenkungen und mehr Staatsausgaben, um Arbeitsplätze zu sichern. Sie verlangen immer mehr, als sie bekommen können. Und wenn ihre Wünsche nicht erfüllt bekommen, wenden sie sich dem Nächsten zu.

(Marc Hujer, 03.11.10)

Nun ist es erreicht. Rien ne va plus.
Sämtliche über alle Maße dringlichen Reformvorhaben sind nun tot.
Nicht nur innerhalb der USA; nein auch weltweit, wird Obama nun zur Bremse.

Fraglich ist, was in der Rüstungskontrolle geschieht, denn noch ist der START-Vertrag nicht ratifiziert. Der US-Senat muss internationalen Verträgen mit einer Zweidrittelmehrheit zustimmen. Diese Mehrheit haben die Demokraten nicht.
[…] Nun, mit einem republikanischen Repräsentantenhaus, ist ein umfassendes Klimaschutzgesetz gestorben.
(Peter Rudolf im SZ-Interview 03.11.10)

Es wird in den guten Artikeln zu Recht viel psychologisiert bei der Analyse des fanatischen Hasses auf Obama.
Immer wieder liest man, daß man sich in Deutschland sehr verschätzt habe, als man 2008 dachte, die USA sei nun weit nach links gerutscht und europäisiert. Ein schwerer Irrtum.

Die Amerikaner sind erstens ganz anders als Europäer und zweitens grundsätzlich deutlich konservativer. Die Meinungseckpfeiler stehen an ganz anderen Stellen des Koordinatensystems.
Staat ist schlecht, Waffen sind gut, Schwule sind pervers, Abtreibung ist Todsünde, Muslims sind scheiße und Atheisten sind ohnehin amoralischer Dreck.

Einige Ergebnisse der gestrigen Volksabstimmungen zu bestimmten politischen Fragen, zeigen diesen uramerikanischen Konservatismus.

Tennessee Amendment 1: Right To Hunt: 90% ja, 10% nein.

Kansas Amendment 1:Right to Bear Arms: 89% ja, 11% nein.

South Dakota Initiative 13: Medical Marijuana: 63% nein, 37% ja.

South Carolina Amendment 1: Right To Hunt: 89% ja, 11% nein.

Der Amerikanischer Konservatismus geht weit in den Rassismus hinein.
Wer denkt, daß in den USA Schwarze voll akzeptiert würden, nur weil mit Barack Obama ein Halbweißer und Halbschwarzer Präsident geworden ist, täuscht sich.
Das waren besondere Ausnahme-Umstände.

SPIEGEL: Selbst gemäßigte Republikaner sind verblüfft über die Wut der Tea Party auf den Präsidenten. Ist Rassismus der Kern dieser Graswurzelbewegung?

John Grisham: Ich verstehe die Frustration über die Regierung, aber das ist nichts Neues. Die Regierung ist schon seit Jahren zu groß und zu teuer. Rassismus ist sicher ein wichtiger Faktor, denn diese Leute möchten nicht, dass Obama Erfolg hat.

In einem Punkt hat die Teaparty besonders viel erreicht.
Der US-Senat, die Edelkammer des Parlaments mit 100 extrem mächtigen Senatoren herrscht nun wieder Homogenität.
Obwohl nur noch zwei Drittel der US-Amerikaner „weiß“ sind, ist der Senat „Schwarzen-frei“.

With the departure of Roland Burris, who was appointed to President Obama's old Senate seat, and with the long-shot and underfunded Senate bids by African Americans in South Carolina, Georgia and Florida having failed, the United States Senate has no African Americans in the new Congress that convenes in January 2011. There is an ironic coincidence of timing in the rise of the tea party and the absence of any blacks in the U.S. Senate. One of the tea party movement's major proposals calls for the repeal of the 17th Amendment, a constitutional provision whose enactment was very much entangled with the question of whether blacks would continue to have the right to vote granted them by the 15th Amendment.
(Terry Smith, Professor of Law at DePaul College of Law, 02.11.10)

8 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ich schliesse mich (wieder einmal) Deiner treffenden Analyse an!

Für mich als Kind der 80er Jahre ist die Realität bzgl. der USA immer besonders hart.

Ich bin mit den "Amis" aufgewachsen. Die Amis waren immer die "Guten", unsere "Freunde". Man hat ihre Serien und Filme geschaut (Space 1999 -> UK), ihre Bücher und Comics gelesen (Donald Duck bzw. Topolino -> Italien) und ihre Schokoriegel gegessen (Mars -> Niederlande).

Und dann kam die Pubertät und die Grünen und die Friedensproteste, Abrüstungsverhandlungen und schliesslich Gorbatschow. Und Heiner Geisler hat dem Kohl eine Rede geschrieben, in der dieser Mann mit Goebbels verglichen wurde. Obwohl er in dieser Art gar nichts gesagt hatte.

Aber immer noch war alles gut.

Stallone war Rambo und killte Russen und Vietnamesen und Schwarzenegger killte sowieso alles Böse. Und man hatte zuhause ein Video- bzw. Telespiel ("Konsole" kam erst in den 90er Jahren mit dem SNES auf) oder Computer und konnte das auch selber nachspielen. Meine Schulkameraden hörten AFN und gingen in die "Ami-Disco" und hielten sich für cool weil sie Rap und Hip Hop hörten und nicht Pop und Wave. Und James Cameron verarbeitete seine Vietnam-Erfahrungen in einem Action-Kriegsfilm namens Aliens und liess eine Frau als Muttersymbol gegen eine ganze Horde symbolischer, unmenschlicher Übermonster im Alleingang gewinnen.

Und dann kam die "Wende" und der Mauerfall und das Ende des Kalten Krieges... und das Ende der 80er.

Und das Image der USA war mit dem Ende der Pubertät auch am Ende. Zwar hatte man in der Schule immer nur etwas von der Nachkriegszeit GEHÖRT (ich bin trotz Gymnasium in keinem Schulfach jemals über die Zeit nach 1945 informiert wurden, nur über unser Grundgesetz, Parlament usw.), aber immerhin konnte man sich als junger "Erwachsener" jetzt interessenhalber auch so darüber informieren. Ja, sogar ausgewogen, wenn man wollte und nicht nur mittels Tagesschau und Springerpresse.

Es war bei mir übrigens nicht Vietnam, das den Ausschlag gab, das war erst später. Es war Nicaragua in den 50er Jahren - 1855 um genau zu sein (William Walker). Und dann der Krieg in Kuba 1898. Und dann der seltsam-späte Kriegseintritt 1917 (an beiden Seiten gut verdient bis dahin und der ausdrückliche Wille, Grossbritannien als Grossmacht zu "beerben"). Ebenso wie der Umstand, dass 1941 der Überfall auf Pearl Harbor der US-Regierung bekannt war, aber eben nicht verhindert wurde (bis auf die zwei wichtigsten und modernsten Schiffe, Flugzeugträger, die unmittelbar vorher abgerufen wurden).

Und dann kam Vietnam. Rückgabe an Frankreich, Golf von Tonkin-Vorfall, Agent Orange usw.

Teil 1 Ende.

Anonym hat gesagt…

Teil 2:

Und die USA hatten bei mir ausgeschissen. Als Ellen Ripley in Alien 3 den Freitod dem Kapitalismus und seinen falschen Versprechungen vorzog, war das mehr als nur symbolisch. Und als der erste Golfkrieg damit endete, dass man Saddam Hussein an der Macht und die dortige Opposition im Stich liess, da wunderte das einen auch nicht mehr.

Clinton war dann noch einmal eine (naive) Überraschung - "alles wird gut". Aber man war jung und unerfahren und sah nicht, welche Politik da sonst noch nebenher betrieben wurde. Und wie die USA systematisch immer mehr religiöse und extremistische Spinner heranzüchtete.

Der "Sieg" Bush jr.s fing schon mit allerlei bösen Omen an. Dass es ein klarer Wahlbetrug war, wurde einem erst bei der nächsten Wahl bewusst.

Und dann kam der 11. September 2001. Das war sowieso schon ein schreckliches Jahr für mich gewesen, in jeder Hinsicht. Und man sah mit Unglauben die Ereignisse und hört die Berichte. Und wunderte sich. Und wunderte sich und wunderte sich.

Und als Saddam Hussein als "Feind" designiert wurde, wunderte man sich nicht mehr, sondern war sich sicher, dass da jemand eine weitere Gelegenheit zum Kriegführen "inszeniert" hatte.

Und man sah, wie die dortige Bevölkerung willig der Propaganda auf den Leim kroch und gegen den Islam aufgehetzt wurde. Und das geschah dann auch bei uns.

Und dann wurde Bush jr. wiedergewählt und diesmal war es kein so offensichtlicher Wahlbetrug. Und man verzweifelte über eine Bevölkerung, die so dumm sein musste, auf diese Betrüger und Mörder wieder hereinzufallen.

Schliesslich dann Obama, die "Lichtgestalt". Noch nie hat ein Kandidat mehr Vorschusslorbeeren gehabt. Sogar ich habe mich einen Dreck um seine bisherigen "Tätigkeiten" für das Grosskapital geschert und einfach mal das Märchen geglaubt. Und dann Joe Biden als Vizepräsident. WTF!?! Und Wall Street en masse? "Change we can believe in?" Ne, das war wirklich nur ein Märchen.

Aussenpolitisch änderte sich gar nichts - alle Sünden des Vorgängers fortgesetzt oder sogar verschlimmert.

Nicht dass ihm das innenpolitisch genutzt hätte, die Ultrarechte (es scheint dort wohl nur noch immer weiter nach Rechts zu gehen) hetzte bei jeder Gelegenheit und verwässerte seine halbherzigen "Reformen". Nicht dass man Mitleid haben musste, denn der Mann war (und bleibt) eine Fälschung - "a fraud".

Und jetzt? Jetzt ist man schon so desillusioniert, dass es fast keine Rolle mehr spielt, welcher Korporatist als nächstes dort ans Ruder kommt.Gut, eine Palin wäre vielleicht noch besonders gruselig, aber irgendwie auch wieder nicht. Die haben das verdient.

Nicht Idiocracy ist das Drehbuch, sondern Stephen Kings Dead Zone.

Wie meinte George Carlin mal so treffend über unsere Zivilisation? "We're circling the drain."

Indeed!

Der Nordstern.

Anonym hat gesagt…

Auf einer etwas positiveren Note:

http://www.markfiore.com/node/1806

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

1)
Lieber Nordstern!
Danke für den ausführlichen Kommentar.

Im Grunde genommen ging es mir trotz meines US-Passes ganz ähnlich. Ich bin nur einen Tick früher sozialisiert.
Vermutlich habe ich auch früh einen Tick infantilen Antiamerikanismus durch pubertäre Bockigkeit entwickelt, weil meine Mutter immer so schreckliches Heimweh nach New York hatte und uns Kinder damit genervt hat.
Daß ich mich selbst politisch engagierte, begann mit der Reagan-Ära.
Die Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft 1980 war das erste große Ding für mich. Schon damals war ja klar, daß der scheidende Präsident Carter mehr oder weniger die Freilassung ausgehandelt hat und daß die kommende Reagan-Administration die Geiseln noch bis nach seiner Amtsübernahme da schmoren ließ, damit er die Lorbeeren dafür einstreichen kann.
Pershing-II-Nachrüstung, SDI-Starwars und Reagans „Empire-of-evil“-Geblubber waren meine Aufreger. So ging das dann munter weiter mit den ganzen privaten Strafaktionen und Militärschlägen gegen den Iran, auf Gaddafis Familie in Tripolis, Grenada, …
Damals habe ich das wirklich einseitig gesehen und war gegen die USA eingestellt - wenn auch meine Eltern meinten ich sei extremistisch.
Bei Bush-senior wurde das noch schlimmer. Den habe ich richtig gehasst und mich über alle Maßen aufgeregt, als der erste Bush-Krieg im Irak losging.

Bei Clinton war ich auch irgendwie unerklärlich positiv eingestellt. Vermutlich wegen der 12 vorherigen Frust-Jahre. Ich mochte Clinton persönlich richtig gerne. Obwohl, wie Du ja sagtest, die Außenpolitik auch nicht besser geworden ist. Clinton hat ja auch ab und an mal was bombardieren lassen.
Allerdings erkenne ich an, daß er zum Beispiel beim Thema Palästina immerhin was versucht hat und sich Mühe gab. Ich bin auch nach wie vor davon überzeugt, daß Clinton ein extrem intelligenter Mann ist, der durchaus relativ gute Ansichten hat. Außerdem habe ich mich schon allein deswegen mit ihm solidarisiert, weil diese verdammten Heuchler von der religiösen Fundi-Front fertig machen wollten, weil er sich vielleicht mal im Oval Office einen blasen lassen hat.
Das empfinde ich auch heute noch als Gipfel der Idiotie.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Lieber Nordstern!
Danke für den ausführlichen Kommentar.

Im Grunde genommen ging es mir trotz meines US-Passes ganz ähnlich. Ich bin nur einen Tick früher sozialisiert.
Vermutlich habe ich auch früh einen Tick infantilen Antiamerikanismus durch pubertäre Bockigkeit entwickelt, weil meine Mutter immer so schreckliches Heimweh nach New York hatte und uns Kinder damit genervt hat.
Daß ich mich selbst politisch engagierte, begann mit der Reagan-Ära.
Die Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft 1980 war das erste große Ding für mich. Schon damals war ja klar, daß der scheidende Präsident Carter mehr oder weniger die Freilassung ausgehandelt hat und daß die kommende Reagan-Administration die Geiseln noch bis nach seiner Amtsübernahme da schmoren ließ, damit er die Lorbeeren dafür einstreichen kann.
Pershing-II-Nachrüstung, SDI-Starwars und Reagans „Empire-of-evil“-Geblubber waren meine Aufreger. So ging das dann munter weiter mit den ganzen privaten Strafaktionen und Militärschlägen gegen den Iran, auf Gaddafis Familie in Tripolis, Grenada, …
Damals habe ich das wirklich einseitig gesehen und war gegen die USA eingestellt - wenn auch meine Eltern meinten ich sei extremistisch.
Bei Bush-senior wurde das noch schlimmer. Den habe ich richtig gehasst und mich über alle Maßen aufgeregt, als der erste Bush-Krieg im Irak losging.

Bei Clinton war ich auch irgendwie unerklärlich positiv eingestellt. Vermutlich wegen der 12 vorherigen Frust-Jahre. Ich mochte Clinton persönlich richtig gerne. Obwohl, wie Du ja sagtest, die Außenpolitik auch nicht besser geworden ist. Clinton hat ja auch ab und an mal was bombardieren lassen.
Allerdings erkenne ich an, daß er zum Beispiel beim Thema Palästina immerhin was versucht hat und sich Mühe gab. Ich bin auch nach wie vor davon überzeugt, daß Clinton ein extrem intelligenter Mann ist, der durchaus relativ gute Ansichten hat. Außerdem habe ich mich schon allein deswegen mit ihm solidarisiert, weil diese verdammten Heuchler von der religiösen Fundi-Front fertig machen wollten, weil er sich vielleicht mal im Oval Office einen blasen lassen hat.
Das empfinde ich auch heute noch als Gipfel der Idiotie.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

2)
Naja und dann kam GWB. Dazu fehlen mir alle Worte.
Geändert hat sich damit insbesondere, daß auch meine Eltern und die Hälfte meiner Verwandten IN AMERIKA Kotzkrämpfe kriegen, wenn sie an die US-Politik denken.

Mein Vater, der noch einen schweren Akzent hat, gibt sich jetzt als Kanadier aus.
Und wir alle denken jetzt nicht mehr, daß es nur eine besonders schlechte Regierung war, sondern daß das US-Volk heutzutage eben dermaßen radikalisiert und verblödet ist, daß es eine echte Gefahr für die Welt darstellt.

Insofern bin ich auch nicht mehr über die Anti-Obama-Fraktion verwundert.
Ich traue dem US-Volksempfinden ohnehin jede Schlechtigkeit zu.
Wieso Obama Präsident von dem Land werden wollte, ist mir ein Rätsel.
Na gut, er hat Palin bisher jetzt verhindert. Aber der Hammer kann uns alle noch treffen.

Irgendwie eigenartig - Als Teenager hatte ich mal Angst vor Atomkrieg und habe DESWEGEN meinen US-Pass behalten. Weil ich mir eine Situation ausmalen konnte, daß es in Europa so derartig ungemütlich wird, daß es gut wäre die Möglichkeit zu haben in die USA fliehen zu können.

Inzwischen ist es aber so, daß die Situation in den USA so ungemütlich geworden ist, daß Amerikaner nach Deutschland fliehen.
Angefangen haben all die Künstler und Liberalen, die während der GWB-Zeit nach Berlin gegangen sind, weil sie da nicht zensiert werden, nicht überwacht und weggebeept werden. Weil sie ein Bild malen können, auf dem ein Nippel zu sehen ist und weil sie auch öffentlich mal „fuck“ sagen dürfen.

Aber inzwischen gibt es Leute, die durchaus auch aus wirtschaftlicher Not lieber nach Deutschland kommen, weil es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten leider keine Möglichkeiten mehr gibt.
Und ich sage denen TROTZ GUIDO und ANGIE, daß es hier wohl tatsächlich noch freier ist.
Noch zumindest.

Fragt sich wohin man noch fliehen soll, wenn Sarah Palin 2012 die NUCLEAR CODES in die Hand bekommt und China so zur Weißglut treibt, daß Peking den Geldhahn und die Exporte abdreht…
Dann könnte es auch mal richtig krachen und zwar so, daß es aus ist mit dem Homo sapiens…

LGT

Anonym hat gesagt…

Wow, wir hauen uns die langen Kommentare um die Ohren! Noch einen etwas Kürzeren von mir, dann ist Schluss! ;)

Reagan habe ich zuerst überhaupt nicht ernstgenommen. Doc Brown in BACK TO THE FUTURE bringt es auf den Punkt: "The actor?!?" Denn etwas anderes als ein debiler Schmierenkomödiant war "Ronny Raygun" sicherlich nicht.

Dass er - und seine Kamarilla aus irren Militärs - schier noch den dritten Weltkrieg vom Zaun gebrochen hätten, wurde einem erst bewusst, als man (nach Jahrzehnten) mehr von der russischen Seite des Kalten Krieges zu hören bekam.

Bush sr. auf Reagan wiederum war für mich die gleiche "Konsequenz" wie John Major auf Margaret Thatcher - ein Klon für die Fortsetzung der gleichen irrsinnigen Politik der Kriegstreiberei, Gesellschafts- und Umweltzerstörung. Meine (etwas verwirrte) Oma weckte mich zum Beginn des Golfkrieges mit den Worten "Wach auf, wir sind wieder im Krieg!" In der Tat!

Clinton sehe ich heute nur noch bedingt als positiv, er hat in vielen Hinsichten den schönen Schein eines Quasi-Kennedy vorgelebt und damit die Gesellschaft positiv inspiriert, aber seine ganze Politik hat erst die Grundlagen für die Kriegstreibereien der Bushmänner gelegt. Und die innenpolitischen Probleme hat er allesamt nicht gelöst.

Obama wiederum ist ein echter Rosstäuscher. Herangezüchtet von der "anderen Seite" der Kriegstreiber und Korporatisten und genauso korrupt und willenlos wie Bush jr. vor ihm. Die (eigene) Lobby hat immer recht, Punkt.

Dass die Saat des Hasses und der Spaltung in der US-Bevölkerung aufgegangen ist, wundert mich kein bisschen. Wenn Regierungen auf Extremisten und religiöse Fanatiker als Wähler setzen, kommt genauso das dabei heraus.

Und die meisten (denkenden) US-Amerikaner, die ich in den 90er Jahren kennengelernt habe, wollten aus diesen Gründen schon damals nicht mehr nach Hause zurück.

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Ja, das mit Clinton sehe ich auch so.
Es verwirrt mich selbst, daß ich den Typ dennoch mag.
Ist nicht so ganz rational.

Aber ich finde, er sticht schon dadurch sehr aus der Masse der üblichen US-Politiker hervor, daß er eine enorm breite Bildung hat und sich zudem auch noch für alles Mögliche in anderen Winkeln der Welt interessiert.
Das ist im Lande der Bornierten schon eine sehr löbliche und sehr seltene Eigenschaft!

Als Deine Oma Dich damals geweckt hat, hockte ich gerade zechenderweise in einer Kneipe auf der Reeperbahn und hörte „Es ist Krieg“ im Radio.
Daraufhin bin ich sofort zum US-Konsulat gefahren, wo sich schon eine kleinere Menge Demonstranten versammelt hatte - die aber alle von der Polizei weggedrängt wurden.
Also habe ich meinen Pass gezückt und ultimativ verlangt, daß ich „meinen Generalkonsul“ auf der Stelle sprechen müsse.
Die anderen Demonstranten fanden das irgendwie cool und haben ganz interessiert gewartet was jetzt wohl passiert. Nach x Funksprüchen (war ja noch vorm Handy-Zeitalter) wurde ich dann von sechs Polizisten (!) durch die Absperrungen auf das Botschaftsgelände gebracht. Tatsächlich kam auch so ein Ami da raus (nicht der Konsul), dem ich dann wortreich erklärt habe, daß ich hiermit gegen die Politik „meiner Regierung“ protestieren möchte.
Dann haben sie mich wieder raus gebracht.

Eigenartigerweise haben sich Bush Sr und Kriegsminister Cheney NICHT davon abhalten lassen und der Irakkrieg ging weiter.

Kann man das glauben?

Das ist nun 20 Jahre her und offensichtlich war ich etwas naiver und emotionaler. Inzwischen würde ich solche Aktionen nicht mehr bringen. Viel zu sinnlos.
Da versuche ich lieber durch schreiben und bloggen ein paar US-Wähler zu überzeugen, daß sie solche Typen nicht wählen sollten.

Das hatte bisher allerdings den gleichen Effekt wie meine Konsulatsaktion vor 20 Jahren:
Gar keinen!

LGT