(taz.de 12.03.2011)
Fragen wähend des "ARD-Brennpunktes" an den Umweltminister kurz nach der Laufzeitverlängerung für deutsche Uralt-Rumpelreaktoren im Angesicht der Katastrophe von Japan:
Andreas Cichowicz: Könnte eine Kernschmelze in einem Atomkraftwerk auch in Deutschland passieren?
Röttgen: Kann eigentlich nicht passieren, ist aber in Japan eigenartigerweise TROTZDEM passiert.
Andreas Cichowicz: Muß Laufzeitverlängerung überdacht werden?
Röttgen: Dies ist nicht der Tag für parteipolitische Geplänkel…
(sinngemäß wiedergegeben)
Dabei ist das Muster so deutlich zu erkennen: Stets behaupten die Atomlobbyisten es könne gar nichts passieren, die AKWs wären extrem sicher. Da aber doch laufend Störfälle vorkommen, die manchmal auch zu ganz großen Problemen werden - Harrisburg, Tschernobyl, Forsmark, Krümmel, … - muß dann eben die Realität so lange zurecht gebogen werden, bis es wieder in das Zerrbild der angeblich schönen sauberen und sicheren Atomkraft passt.
Fünf Reaktoren in Japan sind derzeit ohne ausreichende Kühlung. In einem gab es schon eine gigantische Explosion; es deutet alles auf eine bereits stattgefundene Kernschmelze hin. Dieses Vertuschen und Verzögern ist ein unfassbarer Skandal. Und er ist keine Folge des Chaos nach dem Beben, nein - das hat Methode. Noch bei jedem Atomunfall war es so. Erst mal versuchen, die schöne Fassade intakt zu lassen. Lieber die Gesundheit von Zehntausenden und Hunderttausenden gefährden, als schlechte Presse zu riskieren. Es könnte ja sein, dass Experten die Lage in den Griff bekommen oder die Bevölkerung nichts merkt. Radioaktive Strahlung ist ja zum Glück unnsichtbar und geruchlos. Und die Milliarden aus diesem Geschäft stinken nicht.
[….] Das stärkste Beben in der Geschichte Japans plus eine zehn Meter hohe Tsunami-Welle waren eben nicht drin in den Wahrscheinlichkeitsannahmen. Genauso wenig wie in Deutschland ein weit schwächeres Beben in den Genehmigungsunterlagen mitgedacht ist, oder gar ein Terrorangriff oder ein Flugzeugabsturz eines riesigen Airbus A380. Konnte ja beim Bau der AKW in den 60er oder 70er Jahren keiner vorhersehen, was es 2011 alles gibt auf der Welt. Die Risiken der Technik kann man nicht abschaffen. Wohl aber den Umgang damit ändern. Anlagen wie Atomkraftwerke, die zu unfassbaren Schäden führen, sollte kein Staat betreiben. Und Menschen, die mit solchen Anlagen ihr Geld verdienen, wie unsere werte Atombranche, sind klar als verantwortungslose Lobbyisten zu brandmarken. Sie haben die Lage in ihren Reden noch im Griff, während hinter ihnen bereits die Reaktorhalle auseinanderfliegt.
(Reiner Metzger, taz, 12.03.2011)
Nun trifft es sich so, daß nächste und übernächste Woche Landtagswahlen anstehen.
Es stehen ein Atomkraftgegner (Kurt Beck), ein glühender Atomkraft-Fan (Mappus) und in Sachsen-Anhalt ebenfalls Parteien mit klaren atompolitischen Profilen zur Wahl.
Nicht immer, aber doch öfter als man denkt, bekommt der Wähler nach der Wahl, was vorher versprochen war: Im Falle einer schwarzgelben Bundesregierung vollzogen Merkel und Westerwelle den zu erwartenden Kotau vor Atom-, Pharma- und Hotellobby.
In Baden Württemberg sind die Frontlinien besonders klar.
MP Mappus kaufte das Land - vermutlich widerrechtlich - in den Atomkonzern EnBW zurück und seine Umweltministerin Gönner verhinderte sogar aktiv Nachrüstungen zur Verbesserung der Sicherheit in den Uralt-Meilern des Landes.
Herr Röttgen tut jetzt das was ein braver Knecht der Atomlobby tun sollte; er versucht die Bedeutung des Falles Fukushima für die deutsche Atompolitik runter zuspielen; behauptet gar, es sei jetzt nicht an der Zeit die Laufzeitverlängerung der Atom-Methusalems in Deutschlands zu diskutieren.
Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein!
Atompolitik ist nichts für Schönwettertage.
Atompolitik ist kein Thema, das man ausblenden darf, wenn es zu Katastrophen kommt - auch wenn Boetzi das gar nicht hören will.
Tatsächlich ist es jetzt hohe Zeit die Weichen neu zu stellen.
Wie immer wenn Unmoral und Lügen verbreitet werden müssen, ist unsere Atomkanzlerin ganz vorn dabei. Die deutschen AKWs, die angeblich ohnehin so sicher wie irgend möglich sein sollen, will die Kanzlerin nun doch lieber noch mal überprüfen lassen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigt angesichts des Atomunfalls in Japan die Überprüfung der Sicherheitsstandards bei den deutschen Atomkraftwerken an. Dies werde gemeinsam mit den zuständigen Länderministern geschehen. "Die Geschehnisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt", sagt Merkel in Berlin. Wenn in einem solch hoch entwickelten Land wie Japan mit höchsten Sicherheitsstandards ein solcher Unfall passiere, könne "auch Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen". Merkel betont aber: "Wir wissen, wie sicher unsere Kraftwerke sind." Dennoch werde genau verfolgt, was die Analyse der Katastrophe in Japan ergebe.
(TS 12.02.2011)
Was für ein Treppenwitz, daß die beschwichtigende Regierungschefin von Haus aus ausgerechnet Physikerin ist.
Man versteht immer besser, daß sie vor zwei Wochen bei der Causa Guttenberg die gesamte wissenschaftliche Welt für den politischen Vorteil verraten hat:
“[...] Ich habe keinen wissenschaftlichen Assistenten oder einen Promovierenden oder einen Inhaber einer Doktorarbeit berufen, sondern mir geht es um die Aufgabe als Bundesverteidigungsminister. Diese erfüllt er hervorragend und das ist das, was für mich zählt.”
Menschen, die heute Atomphysiker sind und nicht in die politische Sphäre der CDU abgedriftet sind, diskutieren inzwischen nur noch, ob es sich um einen GAU oder einen Super-GAU handelt.
Atomphysiker und Greenpeace-Experte Heinz Smital kommentiert die katastrophale Situation: Jetzt ist das eingetreten, wovor Greenpeace seit Jahren gewarnt hat. Dies ist kein GAU, sondern ein Super-GAU. Der Unfall ist vergleichbar mit dem schweren Unfall in Tschernobyl 1986. Es handelt sich beim AKW Fukushima 1 um einen Reaktor westlicher Bauart, der mit deutschen Atomkraftwerken absolut vergleichbar ist.
Smital sagt weiter: Die Folgen der Fukushima-Katastrophe sind im Moment nicht einschätzbar. Die Auswirkungen hängen von folgenden Faktoren ab: 1. von der Menge der radioaktiven Freisetzung und 2. den Wetterbedingungen, sprich der Windstärke, Windrichtung und den Niederschlägen. Wir bei Greenpeace hoffen alle, dass es so wenig Menschen wie möglich trifft.
Auch der Reaktor Neckarwestheim 1 steht auf einem Erdbebengebiet und hätte einem Beben dieser Stärke nicht standgehalten. Greenpeace fordert von der Physikerin Angela Merkel jetzt endlich umzudenken und die Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke zurückzunehmen.
Der größte anzunehmende Unfall (GAU) ist ein eingeplanter Unfall in einem AKW. Das heißt, die Anlage muss so ausgelegt sein, dass sie einen Unfall übersteht, ohne dass radioaktives Material oder Strahlung über die zulässigen Grenzwerte hinaus aus dem AKW austritt. Der GAU stellt den größte Unfall dar, der bei der Planung einer kerntechnischen Anlage anzunehmen ist. Von einem Super-GAU wird gesprochen, wenn noch stärkere Belastungen des Reaktors auftreten, als bei dem eingeplanten GAU. Bei einem Super-GAU wird die Hülle des Reaktors zerstört und Radioaktivität tritt in die Umwelt aus.
(greenpeace.de)
Wichtiger als die wissenschaftlich-technische Diskussion ist aber die Frage nach dem Urnenpöbel.
Wird er endlich mal so intelligent sein den Atomfreunden von FDP und CDU in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden Württemberg die rote Karte zu zeigen?
4 Kommentare:
Voll Scheiße, was da in Japan passiert ist. Also der Tsunami war ja schon der Oberhammer.Erdbeben 8,9 ist ein Ereignis, das ja nicht oft vorkommt. Aber in Japan, waren die AKW auf 8,2 ausgelegt. Problem ist, dass ein Erdbeben mit Stärke 8,9 etwa 5mal so stark ist. Trotzdem, war das Beben ja ein paarhundert KM weit weg.
Das zeigt nur, dass man einfach nicht planen kann. Und die Betreiber solcher Anlagen gehen immer vom Idealfall aus. So, wie überall. Sicherheit kostet Geld. Absolute Sicherheit ist aber unbezahlbar. Und wenn was passiert, war es immer "die" eine unkalkulierbare Ausnahme oder Kette von Ereignissen. Darum sollte man weg vom Atomstrom.
Nur dann haben Investoren ein Investmentfeld weniger im Programm. Und gerade die einfache Kalkulation macht den Bau solcher Strahlenschleudern so beliebt. Das sind wahre Goldgruben. Überdies geht die Energieversorgung in Richtung Strom. In 30 Jahren werden auch Autos vermutlich auf diese Art angetrieben. Dann wird dort noch mehr Umsatz gemacht. Darum glaube ich nur bedingt an Versprechungen der Politik.
Selbst wenn wir jetzt aussteigen; In 40 Jahren, ist der Widerstand vergreist. Der Urnenpöbel vergisst ja schon nach einem Jahr, was Schwarz-Gelb an Mist gebaut hat. Klientelpolitik in Reinkultur. Völlig egal. Hauptsache "unsere Renten sind sischä". Vom Schwarzgeld, will ich garnicht wieder anfangen.
Da faellt mir dann wieder mal auf, wie bloed ich bin.
Da Blick ich naehmlich wieder mal nicht durch.
"«Die Geschehnisse in Japan sind ein Einschnitt für die Welt», ..."
Achja? ... Warum?
"Wenn in einem solch hoch entwickelten Land wie Japan mit höchsten Sicherheitsstandards ein solcher Unfall passiere, könne «auch Deutschland nicht einfach zur Tagesordnung übergehen»."
Warum nicht?
" «Wir wissen, wie sicher unsere Kraftwerke sind.»"
Nooee?
"Dennoch werde genau verfolgt, was die Analyse der Katastrophe in Japan ergebe."
Fuer was?
"Sicherheit sei für sie stets das oberste Gebot."
Genau!!
"Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betonte, man könnte angesichts der Berichte über ausgefallene Kühlsysteme auch der Frage nachgehen, «ob auch unsere Kühlsysteme solche Anfälligkeiten haben»."
Bei schweren Beben und Tsunamis??
"Merkel sprach von einer «außergewöhnlich ernsten Situation.»"
Genau, .. brilliante Feststellung!
"Die Schäden seien schwer fassbar."
Hat man vor denen nicht schon seit Jahrzehnten Muffe?
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Wie gesagt ... zu Hoch.
Ich wage mal wieder eine Vorhersage. Die werden jetzt demnächst ein paar Meiler abschalten.
ABER: Entweder hat man da wieder solche "Toll Collect Verträge" gemacht und der Steuerzahler muss dafür kräftig drauf zahlen. Oder man spricht heimlich ab, dass dafür die neueren AKWs noch viele viele Jahre länger laufen dürfen.
Möglich, weil der Vertrag ja schon vorsieht, dass Laufzeiten auch "verlegt" werden können. Wer weiß, vielleicht war das sogar geplant. Denn die alten, kosten im Betrieb weit mehr als neue. So könnte sich ein früheres Abschalten auch noch wirtschaftlich rechnen. Und allein darum geht es den Betreibern ja.
@Jake - ja, DIE Fragen hatte ich auch.
@ Homer:
Zwei Dinge - neben all den ethischen, moralischen und sicherheitstechnischen Fragen werden immer bei der Atomkraft unter den Tisch gekehrt; die aber auch dafür sorgen werden, daß in absehbarer Zeit Schluß mit dem Irrsinn ist:
1) Bisher wird müssen die KKW-Betreiber nur bis zu einer lächerlich geringen Summe Haftpflichtversicherungen abschließen. Würden sie sich gegen Risiken wie jede andere Technik der Erde versichern müssen, wäre Atomstrom einige Euro die Kilowattstunde teurer und damit nicht konkurrenzfähig. Nach Fukushima und den GIGANTISCHEN Kosten, die auf Japan zukommen, wird irgendwann aber mal nach der finanziellen Beteiligung der Betreiber an den Risiken gefragt werden.
2) Uran ist, genau wie Öl und Kohle nur endlich auf diesem Planeten vorhanden. In 50 Jahren ist das sowieso alle - dann MÜSSEN die AKWs stillgelegt werden. Wer dann - wie Frankreich z.B. - noch keine Alternativen überlegt hat und voll auf Kernkraft setzt, ist dann aber sowas von am Arsch!
LGT
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