Mittwoch, 23. März 2011
Die neue Spaßpartei.
Aus alter Gewohnheit ist die in meinem Internetbrowser eingestellte Startseite immer noch „spiegel.de“.
Ich neige dazu tägliche Abläufe ein bißchen zu ritualisieren und klicke mich, bevor ich meine Emails abrufe in einer bestimmten Reihenfolge durch ein paar Nachrichtensites.
Am Schluß folgen noch zwei, drei Comedy-Webseiten - sonst geriete ich zu sehr in Depressionen.
Im Moment sind das „Klabusterbeere“, „Kreuznet“ und „good hates protesters“.
Allerdings überlege ich eine weitere zum Brüllen komische Internetseite in mein tägliches Ritual aufzunehmen.
Sie heißt „angela-merkel.de“ und bietet Comedy der Extraklasse.
Die Topmeldung in der Rubrik „teAM 2009“ lautet beispielsweise:
„Wie gut kennen Sie die Schlinger-Partei-Deutschlands (SPD)?“
Seit der Bundestagswahl 2009 haben die Sozialdemokraten in nahezu allen wichtigen Politikfeldern ihre Richtung geändert, teils mehrfach. Vor und zurück, links und rechts - unter Sigmar Gabriel fährt die Partei einen Schlingerkurs, dass Bürgern und SPD-Mitgliedern schwindelig wird.
Haha, der Vorwurf kommt ja von den Richtigen!
Von einer Kanzlerin, deren Kurs Christoph Schwennicke heute noch vergleichsweise wohlwollend mit „Wanken, schwanken, umschwenken“ beschreibt.
Erst die Kehrtwende in der Atompolitik, dann das vehemente Libyen-Jein vor der Uno und jetzt als Trostpflaster deutsche Awacs-Flieger: Hektisch wirft Kanzlerin Merkel feste Glaubenssätze der Union über Bord. Es geht ihr nur noch um eines - Zeit zu gewinnen.
[…] Die Bundeskanzlerin wirkt derangiert in diesen Tagen. Sie, die sonst so unerschütterlich Wirkende, wankt und schwankt. Ihre Entscheidungen sind von Ereignissen und Stimmungen getrieben und nicht von dem kühlen Kalkül, das sie sonst oft an den Tag legt.
Erster Fall: Atom.
Als am vorletzten Wochenende der GAU in Fukushima unausweichlich schien, hat Merkel, die bisher unerschütterlich fest an Kernkraft glaubte, mit diesem Glauben gebrochen und in einem Handstreich sieben Meiler in Deutschland abschalten lassen. Zehn Tage später, die Japaner unternehmen allerhand, um die Reaktoren von Fukushima in den Griff zu bekommen, lädt die Kanzlerin zu einem zweiten Atomgipfel ins Amt und verkündet episch die Einsetzung eines prominent besetzten Atom-Denkerrates der Bundesregierung, der nun in aller Ruhe nachdenken soll. Besser wäre gewesen, Merkel hätte an jenem Wochenende besser nachgedacht, denn so wirkt ihr Verhalten sonderbar widersprüchlich: Erst der Abschalt-Aktionismus, der ihre bisherige Politik komplett konterkarierte, und nun die Gremifizierung des Problems, eine Aktion, die erkennbar vor allem auf Zeit- und weniger auf Erkenntnisgewinn angelegt ist.
Zweiter Fall: Libyen
[…] Aber die Position, die Merkel und die Bundesregierung zu Libyen eingenommen haben, entbehrt jeder Stringenz: Man verweigert einem Einsatz im Uno-Sicherheitsrat politisch die Zustimmung und militärisch die Unterstützung und sichert als Kompensation in Afghanistan zusätzliche 300 Soldaten zu - zentral die Beteiligung an Awacs-Aufklärungsflügen, gegen die man sich bisher mit Hände und Füßen gewehrt hat. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung schickt mehr Soldaten in einen Einsatz, dessen Sinn sich - jenseits der Gesichtswahrung - schon geraume Zeit keinem mehr erschließt, um einer (militärisch im übrigen leicht marginal zu haltenden) Beteiligung an einem Einsatz an Europas Gegenküste zu entgehen, dessen Sinnhaftigkeit sich allein durch die Bilder und Worte eines völlig exzentrischen Diktators Gaddafi vergleichsweise gut erschließt. Als wolle sich die Bundesregierung endgültig der Lächerlichkeit preisgeben, ruft sie hektisch alle deutschen Schiffe aus dem Mittelmeer zurück, um unter keinen Umständen mit der Überwachung eines (sehr sinnvollen) Waffen-Embargos gegen Libyen in Verbindung gebracht zu werden.
(Spon 23.03.2011)
Mit „die Kartenhaus-Koalition“ beschreibt es Stefan Braun in der SZ:
Da reiht sich ein gefährliches Weltereignis ans nächste, und das Bestimmende in der Koalition sind die Gräben, die das aufreißt. Ob es um die Atomkatastrophe in Japan geht oder um den Kampf gegen den libyschen Diktator: Immer wieder trifft die Regierungsspitze Entscheidungen und kurz danach versuchen die Ersten, sich abzusetzen. Da entscheidet sich die Koalition unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima, ihre Atompolitik zu ändern - und nicht mal eine Woche später suchen Vizekanzler und Wirtschaftsminister nach Wegen, um sich abzugrenzen. Da beschließt der Außenminister, sich im Konflikt um eine Flugverbotszone im UN-Sicherheitsrat zu enthalten - und nur Stunden später protestieren die Außen- und Verteidigungspolitiker der Union, weil sie für die Nato, für die EU und für das Verhältnis zur arabischen Welt Schlimmes befürchten. Bei dieser Regierung schweißt nichts zusammen. Bei ihr legt jede Krise von neuem offen, dass diese Union und diese FDP mit diesem Personal nicht wirklich zusammenfinden.
CDU und FDP wollen für den größten Kursschwenk ihrer Geschichte belohnt werden. Es geht am Sonntag also um die Frage, ob zwei Parteien, die - nicht zuletzt aus Angst vor dem Wähler - in der Atom- und in der Außenpolitik zentrale Überzeugungen über Bord werfen, an der Macht bleiben dürfen. So radikal ist die Frage nach der persönlichen Glaubwürdigkeit kurz vor einer Wahl noch nie gestellt worden.
(SZ)
Herzlich lachen muß ich aber nicht nur bei Angela Merkels Selbstdarstellung im Internet, sondern auch über den sogenannten „Inhalt“ ihrer Performance.
Im verzweifelten Strampeln irgendwie über den Doppelwahlsonntag in vier Tagen zu kommen, zählt für die Koalition nur noch eins: Irgendwie Zeit schinden und bloß keine Entscheidungen fällen.
Nach über 30 Jahren intensiver Debatte über die Atomkraft gibt es kein Argument, das nicht längst auf dem Tisch läge.
Natürlich ist Atomkraft nicht nur grundsätzlich risikoreich, sondern die Deutschen AKWs, der drittälteste Reaktorpark der Welt, sind auch noch besonders unsicher.
Nach den Plänen des Bundesumweltministeriums bis 2009 hätten das Atomoligopol rund 40 Milliarden Euro in Sicherheitsnachrüstungen stecken müssen.
Merkel interessierte das alles nicht und so strich sie ihren Atomkumpels von RWE, Vattenfall, Eon und EnBW die Ausgaben auf rund 4,5 Milliarden zusammen.
Allzu viel Sicherheit schmälert nur den Gewinn.
Wen stört schon ein Supergau ab und an? Westerwelle, Brüderle, Mappus, Merkel und Co offensichtlich nicht.
..."statistisch alle 10.000 Jahre ein GAU! Rechnen Sie mal nach: Bei ca 400 AKWs weltweit alle 25 Jahre einer: wir sind voll im Soll..."
(Pelzig)
Blöd nur für Merkel, daß sich einige Wähler daran stören KÖNNTEN (so sehr nun auch wieder nicht, wie das Abschneiden der Atom-Partei CDU in Sachsen-Anhalt vor drei Tagen zeigt), also wird jetzt erst mal wolkig gewabert und nichts getan.
Bundeskanzlerin Merkel hat nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen Kernkraftwerke laufen, erklärt, dass eine Ethik-Kommission die gesellschaftliche Dimension der künftigen Energiepolitik Deutschlands intensiv diskutieren werde.
[…] Umweltminister Norbert Röttgen erklärte, dass bei der Überprüfung „der Sicherheitsbegriff selbst infrage gestellt“ werde. Es solle eine völlig neue Sicherheitsauslegung geprüft werden. Sicherheit lasse sich nicht einfach ausrechnen, sondern hänge auch immer von der gesellschaftlichen Bewertung ab. Aus der Katastrophe in Japan müssten Lehren gezogen werden. „Wir dürfen diese Fragen nicht auf die lange Bank schieben“, so Röttgen.
(Angela-Merkel.de)
Jürgen Trittin beschrieb dieses Vorgehen treffend mit „Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis!“
Was auch immer diese „Ethikkommission“ entscheidet wird nicht verbindlich sein.
Die 14 Mitglieder sind lediglich Platzhalter in der schwarzgelben Polit-Taktiererei.
Gehen wir aber spaßeshalber mal davon aus, es wäre von Bedeutung zu welchen Schlüssen dieser Arbeitskreis käme - dann wäre es natürlich interessant einen Blick auf die „Ethik-Experten“ zu werfen.
Es sind 11 Männer und lediglich drei Frauen unter dem Vorsitz von Klaus Töpfer und Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft:
Professor Ulrich Beck (Risikoforscher, München), Klaus von Dohnanyi (ehemaliger Bildungsminister, SPD), Ulrich Fischer (evangelischer Landesbischof Baden), Alois Glück (Zentralkomitee deutscher Katholiken), Kardinal Reinhard Marx, Jürgen Hambrecht (BASF), Walter Hirche (Unesco-Kommission, FDP), Reinhard Hüttl (Geoforschungszentrum Potsdam), Professorin Weyma Lübbe (Philosophieprofessorin Regensburg), Professorin Miranda Schreurs (Leiterin Forschungszentrum für Umweltpolitik Freie Universität Berlin und Sachverständigenrat für Umweltfragen), Professor Lucia Reisch (Hochschule Calw, Mitglied des Nachhaltigkeitsrats), Michael Vassiliadis (Chef der IG Bergbau, Chemie und Energie).
Ein paar Bemerkungen:
Ich finde es gehört sich nicht einen ehemals sehr verdienstvollen, aber inzwischen offensichtlich völlig senilen Mann wie Klaus von Dohnanyi öffentlich so vorzuführen.
Als Hamburger Bürgermeister hat er zweifellos seine Verdienste, aber wie man mal wieder in der letzten „Hart aber Fair“-Sendung bemerken konnte, leidet er offensichtlich an schwerer Demenz und plappert schon seit zehn Jahren CDU und FDP nach dem Mund.
Wie üblich gehört dieser jeder demokratischen Legitimation entbehrenden Kommission kein einziger Atheist, Konfessionsfreier oder Atomkraftkritiker an.
Stattdessen aber gleich drei hauptamtliche Religioten*, die bekanntlich der Vernunft nicht zugänglich sind: Glück, Marx und Fischer. Für Prof Kleiner kann man ebenfalls eine extreme Nähe zum Christentum annehmen; er ist mit der evangelischen Pfarrerin Christine Burkhardt verheiratet und erzieht seine drei Kinder streng nach der Bibel.
*(Religiotie definiert nach MSS: Darunter verstehe ich eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Religiotie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht – etwa um das Anerkennen der empirischen Belege der Evolutionsbiologie. Religiotie ist sicherlich die am leichtesten zu erkennende Form einer weltanschaulich bedingten, partiellen Denkschwäche.)
Besonders der bayerische Kardinal hatte gerade erst eindrucksvoll demonstriert, daß er von „Ethik“ nun wirklich GAR NICHTS versteht, als er zu den sexuellen Mißbrauchsfällen durch katholische Priester an kleinen Jungs befand, die Frage sei „Was will uns Jesus damit sagen!“**
So einen Mann sähe ich lieber in einer Gummizelle, statt als Regierungsberater.
Was der studierte Theologe von Reaktortechnik versteht, weiß wohl nur Frau Merkel.
Gleich mehrere Mitglieder der Kommission sind zudem fanatische Atomfreunde:
Da wäre etwa jener von Michael Vassiliadis, dem Chef der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE. Seiner Gewerkschaft gehören auch viele Beschäftigte an, die in deutschen Kernkraftwerken arbeiten. Wohl auch deshalb fand sich Vassiliadis einst unter den Unterzeichnern des umstrittenen 'energiepolitischen Appells', mit dem die Atomkraft-Betreiber die Politik unter Druck setzen wollten. Vassiliadis allerdings geriet selber unter Druck, nämlich aus dem Gewerkschaftslager. Er zog seine Unterschrift in letzter Minute wieder zurück.
Ganz anders als Jürgen Hambrecht, der Chef des Chemiekonzerns BASF. Er gehörte bis zum Schluss zu den 40 Unterstützern des Aufrufs. BASF gehört zu den größten Stromkunden Deutschlands, entsprechend wichtig sind niedrige Strompreise. 'Auf jeden Fall muss die Laufzeit der vorhandenen Meiler in Deutschland verlängert werden', sagte Hambrecht im vorigen Sommer der SZ.
(SZ 24.03.2011)
Der vielgelobte Chef-Kommisssionare Töpfer hatte noch am letzten Wochenende im Phoenix-Frühschoppen erklärt er sehe keinen Grund die deutschen Atomkraftwerke abzuschalten. Vor 25 Jahren, als Bundesumweltminister konnte ihn schon Tschernobyl nicht vom Atom-Wahn abbringen.
1986, nach Tschernobyl, hatte er noch den Ausstieg aus der Nukleartechnik abgelehnt. Obwohl er auf strenge Sicherheitsauflagen pochte, wies er als Bundesumweltminister seinen damaligen hessischen Kollegen Joschka Fischer mehrmals an, Nuklearanlagen laufen zu lassen.
(SZ 24.03.2011)
Mit diesen Ethixperten will uns die Kanzlerin nun weismachen gut beraten zu sein.
Guter Witz.
Die Zeiten als Guido im quietschegelben Guidomobil die FDP zur Spaßpartei machte und sich bei den Gehirnamputierten von Big Brother einquartierte sind vorbei; der neue große Witz in der Parteienlandschaft heißt CDU.
**Ja, Herr Bischof, was will Jesus uns wohl damit sagen? Aber vor allem: was in Dreiteufelsnamen soll denn daran der "entscheidende Punkt" dieses ungeheurlichen Skandals sein? Später im Interview teilt uns der Oberhirte gar mit, er wisse "noch nicht genau" (also immerhin ungefähr), was Jesus denn wohl "mit alledem" vorhabe. Tja, was nur hat der Erlöser mit dieser Folter und Quälerei vorgehabt? Offenbar meint der Herr Kardinal tatsächlich, die massenhafte Vergewaltigung und Mißhandlung von Kindern durch katholische Priester sei ein kommunikativer Akt des verstorbenen Heilands. So als ob die klerikalen Kinderschänder auf höhere Weisung gehandelt hätten, sozusagen als Erfüllungsgehilfen einer himmlischen Macht, bloße Werkzeuge der Herrn. ("Wir haben nur Befehle befolgt" - schon früher beliebt...) Vergewaltigung als göttlicher Kollateralschaden, sozusagen. Meine Güte, wie durchgeknallt kann man denn sein!
(Der Humanismus-Blog 06.12.10)
Ich neige dazu tägliche Abläufe ein bißchen zu ritualisieren und klicke mich, bevor ich meine Emails abrufe in einer bestimmten Reihenfolge durch ein paar Nachrichtensites.
Am Schluß folgen noch zwei, drei Comedy-Webseiten - sonst geriete ich zu sehr in Depressionen.
Im Moment sind das „Klabusterbeere“, „Kreuznet“ und „good hates protesters“.
Allerdings überlege ich eine weitere zum Brüllen komische Internetseite in mein tägliches Ritual aufzunehmen.
Sie heißt „angela-merkel.de“ und bietet Comedy der Extraklasse.
Die Topmeldung in der Rubrik „teAM 2009“ lautet beispielsweise:
„Wie gut kennen Sie die Schlinger-Partei-Deutschlands (SPD)?“
Seit der Bundestagswahl 2009 haben die Sozialdemokraten in nahezu allen wichtigen Politikfeldern ihre Richtung geändert, teils mehrfach. Vor und zurück, links und rechts - unter Sigmar Gabriel fährt die Partei einen Schlingerkurs, dass Bürgern und SPD-Mitgliedern schwindelig wird.
Haha, der Vorwurf kommt ja von den Richtigen!
Von einer Kanzlerin, deren Kurs Christoph Schwennicke heute noch vergleichsweise wohlwollend mit „Wanken, schwanken, umschwenken“ beschreibt.
Erst die Kehrtwende in der Atompolitik, dann das vehemente Libyen-Jein vor der Uno und jetzt als Trostpflaster deutsche Awacs-Flieger: Hektisch wirft Kanzlerin Merkel feste Glaubenssätze der Union über Bord. Es geht ihr nur noch um eines - Zeit zu gewinnen.
[…] Die Bundeskanzlerin wirkt derangiert in diesen Tagen. Sie, die sonst so unerschütterlich Wirkende, wankt und schwankt. Ihre Entscheidungen sind von Ereignissen und Stimmungen getrieben und nicht von dem kühlen Kalkül, das sie sonst oft an den Tag legt.
Erster Fall: Atom.
Als am vorletzten Wochenende der GAU in Fukushima unausweichlich schien, hat Merkel, die bisher unerschütterlich fest an Kernkraft glaubte, mit diesem Glauben gebrochen und in einem Handstreich sieben Meiler in Deutschland abschalten lassen. Zehn Tage später, die Japaner unternehmen allerhand, um die Reaktoren von Fukushima in den Griff zu bekommen, lädt die Kanzlerin zu einem zweiten Atomgipfel ins Amt und verkündet episch die Einsetzung eines prominent besetzten Atom-Denkerrates der Bundesregierung, der nun in aller Ruhe nachdenken soll. Besser wäre gewesen, Merkel hätte an jenem Wochenende besser nachgedacht, denn so wirkt ihr Verhalten sonderbar widersprüchlich: Erst der Abschalt-Aktionismus, der ihre bisherige Politik komplett konterkarierte, und nun die Gremifizierung des Problems, eine Aktion, die erkennbar vor allem auf Zeit- und weniger auf Erkenntnisgewinn angelegt ist.
Zweiter Fall: Libyen
[…] Aber die Position, die Merkel und die Bundesregierung zu Libyen eingenommen haben, entbehrt jeder Stringenz: Man verweigert einem Einsatz im Uno-Sicherheitsrat politisch die Zustimmung und militärisch die Unterstützung und sichert als Kompensation in Afghanistan zusätzliche 300 Soldaten zu - zentral die Beteiligung an Awacs-Aufklärungsflügen, gegen die man sich bisher mit Hände und Füßen gewehrt hat. Mit anderen Worten: Die Bundesregierung schickt mehr Soldaten in einen Einsatz, dessen Sinn sich - jenseits der Gesichtswahrung - schon geraume Zeit keinem mehr erschließt, um einer (militärisch im übrigen leicht marginal zu haltenden) Beteiligung an einem Einsatz an Europas Gegenküste zu entgehen, dessen Sinnhaftigkeit sich allein durch die Bilder und Worte eines völlig exzentrischen Diktators Gaddafi vergleichsweise gut erschließt. Als wolle sich die Bundesregierung endgültig der Lächerlichkeit preisgeben, ruft sie hektisch alle deutschen Schiffe aus dem Mittelmeer zurück, um unter keinen Umständen mit der Überwachung eines (sehr sinnvollen) Waffen-Embargos gegen Libyen in Verbindung gebracht zu werden.
(Spon 23.03.2011)
Mit „die Kartenhaus-Koalition“ beschreibt es Stefan Braun in der SZ:
Da reiht sich ein gefährliches Weltereignis ans nächste, und das Bestimmende in der Koalition sind die Gräben, die das aufreißt. Ob es um die Atomkatastrophe in Japan geht oder um den Kampf gegen den libyschen Diktator: Immer wieder trifft die Regierungsspitze Entscheidungen und kurz danach versuchen die Ersten, sich abzusetzen. Da entscheidet sich die Koalition unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima, ihre Atompolitik zu ändern - und nicht mal eine Woche später suchen Vizekanzler und Wirtschaftsminister nach Wegen, um sich abzugrenzen. Da beschließt der Außenminister, sich im Konflikt um eine Flugverbotszone im UN-Sicherheitsrat zu enthalten - und nur Stunden später protestieren die Außen- und Verteidigungspolitiker der Union, weil sie für die Nato, für die EU und für das Verhältnis zur arabischen Welt Schlimmes befürchten. Bei dieser Regierung schweißt nichts zusammen. Bei ihr legt jede Krise von neuem offen, dass diese Union und diese FDP mit diesem Personal nicht wirklich zusammenfinden.
CDU und FDP wollen für den größten Kursschwenk ihrer Geschichte belohnt werden. Es geht am Sonntag also um die Frage, ob zwei Parteien, die - nicht zuletzt aus Angst vor dem Wähler - in der Atom- und in der Außenpolitik zentrale Überzeugungen über Bord werfen, an der Macht bleiben dürfen. So radikal ist die Frage nach der persönlichen Glaubwürdigkeit kurz vor einer Wahl noch nie gestellt worden.
(SZ)
Herzlich lachen muß ich aber nicht nur bei Angela Merkels Selbstdarstellung im Internet, sondern auch über den sogenannten „Inhalt“ ihrer Performance.
Im verzweifelten Strampeln irgendwie über den Doppelwahlsonntag in vier Tagen zu kommen, zählt für die Koalition nur noch eins: Irgendwie Zeit schinden und bloß keine Entscheidungen fällen.
Nach über 30 Jahren intensiver Debatte über die Atomkraft gibt es kein Argument, das nicht längst auf dem Tisch läge.
Natürlich ist Atomkraft nicht nur grundsätzlich risikoreich, sondern die Deutschen AKWs, der drittälteste Reaktorpark der Welt, sind auch noch besonders unsicher.
Nach den Plänen des Bundesumweltministeriums bis 2009 hätten das Atomoligopol rund 40 Milliarden Euro in Sicherheitsnachrüstungen stecken müssen.
Merkel interessierte das alles nicht und so strich sie ihren Atomkumpels von RWE, Vattenfall, Eon und EnBW die Ausgaben auf rund 4,5 Milliarden zusammen.
Allzu viel Sicherheit schmälert nur den Gewinn.
Wen stört schon ein Supergau ab und an? Westerwelle, Brüderle, Mappus, Merkel und Co offensichtlich nicht.
..."statistisch alle 10.000 Jahre ein GAU! Rechnen Sie mal nach: Bei ca 400 AKWs weltweit alle 25 Jahre einer: wir sind voll im Soll..."
(Pelzig)
Blöd nur für Merkel, daß sich einige Wähler daran stören KÖNNTEN (so sehr nun auch wieder nicht, wie das Abschneiden der Atom-Partei CDU in Sachsen-Anhalt vor drei Tagen zeigt), also wird jetzt erst mal wolkig gewabert und nichts getan.
Bundeskanzlerin Merkel hat nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder, in denen Kernkraftwerke laufen, erklärt, dass eine Ethik-Kommission die gesellschaftliche Dimension der künftigen Energiepolitik Deutschlands intensiv diskutieren werde.
[…] Umweltminister Norbert Röttgen erklärte, dass bei der Überprüfung „der Sicherheitsbegriff selbst infrage gestellt“ werde. Es solle eine völlig neue Sicherheitsauslegung geprüft werden. Sicherheit lasse sich nicht einfach ausrechnen, sondern hänge auch immer von der gesellschaftlichen Bewertung ab. Aus der Katastrophe in Japan müssten Lehren gezogen werden. „Wir dürfen diese Fragen nicht auf die lange Bank schieben“, so Röttgen.
(Angela-Merkel.de)
Jürgen Trittin beschrieb dieses Vorgehen treffend mit „Wenn du nicht mehr weiterweißt, gründe einen Arbeitskreis!“
Was auch immer diese „Ethikkommission“ entscheidet wird nicht verbindlich sein.
Die 14 Mitglieder sind lediglich Platzhalter in der schwarzgelben Polit-Taktiererei.
Gehen wir aber spaßeshalber mal davon aus, es wäre von Bedeutung zu welchen Schlüssen dieser Arbeitskreis käme - dann wäre es natürlich interessant einen Blick auf die „Ethik-Experten“ zu werfen.
Es sind 11 Männer und lediglich drei Frauen unter dem Vorsitz von Klaus Töpfer und Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft:
Professor Ulrich Beck (Risikoforscher, München), Klaus von Dohnanyi (ehemaliger Bildungsminister, SPD), Ulrich Fischer (evangelischer Landesbischof Baden), Alois Glück (Zentralkomitee deutscher Katholiken), Kardinal Reinhard Marx, Jürgen Hambrecht (BASF), Walter Hirche (Unesco-Kommission, FDP), Reinhard Hüttl (Geoforschungszentrum Potsdam), Professorin Weyma Lübbe (Philosophieprofessorin Regensburg), Professorin Miranda Schreurs (Leiterin Forschungszentrum für Umweltpolitik Freie Universität Berlin und Sachverständigenrat für Umweltfragen), Professor Lucia Reisch (Hochschule Calw, Mitglied des Nachhaltigkeitsrats), Michael Vassiliadis (Chef der IG Bergbau, Chemie und Energie).
Ein paar Bemerkungen:
Ich finde es gehört sich nicht einen ehemals sehr verdienstvollen, aber inzwischen offensichtlich völlig senilen Mann wie Klaus von Dohnanyi öffentlich so vorzuführen.
Als Hamburger Bürgermeister hat er zweifellos seine Verdienste, aber wie man mal wieder in der letzten „Hart aber Fair“-Sendung bemerken konnte, leidet er offensichtlich an schwerer Demenz und plappert schon seit zehn Jahren CDU und FDP nach dem Mund.
Wie üblich gehört dieser jeder demokratischen Legitimation entbehrenden Kommission kein einziger Atheist, Konfessionsfreier oder Atomkraftkritiker an.
Stattdessen aber gleich drei hauptamtliche Religioten*, die bekanntlich der Vernunft nicht zugänglich sind: Glück, Marx und Fischer. Für Prof Kleiner kann man ebenfalls eine extreme Nähe zum Christentum annehmen; er ist mit der evangelischen Pfarrerin Christine Burkhardt verheiratet und erzieht seine drei Kinder streng nach der Bibel.
*(Religiotie definiert nach MSS: Darunter verstehe ich eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Religiotie führt zu deutlich unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht – etwa um das Anerkennen der empirischen Belege der Evolutionsbiologie. Religiotie ist sicherlich die am leichtesten zu erkennende Form einer weltanschaulich bedingten, partiellen Denkschwäche.)
Besonders der bayerische Kardinal hatte gerade erst eindrucksvoll demonstriert, daß er von „Ethik“ nun wirklich GAR NICHTS versteht, als er zu den sexuellen Mißbrauchsfällen durch katholische Priester an kleinen Jungs befand, die Frage sei „Was will uns Jesus damit sagen!“**
So einen Mann sähe ich lieber in einer Gummizelle, statt als Regierungsberater.
Was der studierte Theologe von Reaktortechnik versteht, weiß wohl nur Frau Merkel.
Gleich mehrere Mitglieder der Kommission sind zudem fanatische Atomfreunde:
Da wäre etwa jener von Michael Vassiliadis, dem Chef der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE. Seiner Gewerkschaft gehören auch viele Beschäftigte an, die in deutschen Kernkraftwerken arbeiten. Wohl auch deshalb fand sich Vassiliadis einst unter den Unterzeichnern des umstrittenen 'energiepolitischen Appells', mit dem die Atomkraft-Betreiber die Politik unter Druck setzen wollten. Vassiliadis allerdings geriet selber unter Druck, nämlich aus dem Gewerkschaftslager. Er zog seine Unterschrift in letzter Minute wieder zurück.
Ganz anders als Jürgen Hambrecht, der Chef des Chemiekonzerns BASF. Er gehörte bis zum Schluss zu den 40 Unterstützern des Aufrufs. BASF gehört zu den größten Stromkunden Deutschlands, entsprechend wichtig sind niedrige Strompreise. 'Auf jeden Fall muss die Laufzeit der vorhandenen Meiler in Deutschland verlängert werden', sagte Hambrecht im vorigen Sommer der SZ.
(SZ 24.03.2011)
Der vielgelobte Chef-Kommisssionare Töpfer hatte noch am letzten Wochenende im Phoenix-Frühschoppen erklärt er sehe keinen Grund die deutschen Atomkraftwerke abzuschalten. Vor 25 Jahren, als Bundesumweltminister konnte ihn schon Tschernobyl nicht vom Atom-Wahn abbringen.
1986, nach Tschernobyl, hatte er noch den Ausstieg aus der Nukleartechnik abgelehnt. Obwohl er auf strenge Sicherheitsauflagen pochte, wies er als Bundesumweltminister seinen damaligen hessischen Kollegen Joschka Fischer mehrmals an, Nuklearanlagen laufen zu lassen.
(SZ 24.03.2011)
Mit diesen Ethixperten will uns die Kanzlerin nun weismachen gut beraten zu sein.
Guter Witz.
Die Zeiten als Guido im quietschegelben Guidomobil die FDP zur Spaßpartei machte und sich bei den Gehirnamputierten von Big Brother einquartierte sind vorbei; der neue große Witz in der Parteienlandschaft heißt CDU.
**Ja, Herr Bischof, was will Jesus uns wohl damit sagen? Aber vor allem: was in Dreiteufelsnamen soll denn daran der "entscheidende Punkt" dieses ungeheurlichen Skandals sein? Später im Interview teilt uns der Oberhirte gar mit, er wisse "noch nicht genau" (also immerhin ungefähr), was Jesus denn wohl "mit alledem" vorhabe. Tja, was nur hat der Erlöser mit dieser Folter und Quälerei vorgehabt? Offenbar meint der Herr Kardinal tatsächlich, die massenhafte Vergewaltigung und Mißhandlung von Kindern durch katholische Priester sei ein kommunikativer Akt des verstorbenen Heilands. So als ob die klerikalen Kinderschänder auf höhere Weisung gehandelt hätten, sozusagen als Erfüllungsgehilfen einer himmlischen Macht, bloße Werkzeuge der Herrn. ("Wir haben nur Befehle befolgt" - schon früher beliebt...) Vergewaltigung als göttlicher Kollateralschaden, sozusagen. Meine Güte, wie durchgeknallt kann man denn sein!
(Der Humanismus-Blog 06.12.10)
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6 Kommentare:
Mit dieser Kommission will Merkel doch nur eines. Hinterher nicht allein dastehen, wenn sie verkündet, das alles so weiter geht wie immer.
Mich würde es nicht wundern, wenn die Kommission zu dem Schluss käme, dass es sicherer sei, neue AKW zu bauen, als die alten Nachzurüsten - was bekanntermaßen unmöglich ist.
Die Kommissionen sind eine Freikarte für die Regierung Merkel. Man kann hinterher auf die "Experten" zeigen und sagen: "Wahrlich ich sage euch, die Kraft des Atoms ist gottgefällig und sicher!"
Wer hat schon die Cochones, sich gegen Ingenieure, Professoren, Kardinäle zu stellen? Wohl niemand wird sich mit der anerkannten und versammelten Autorität anlegen wollen.
Und Töpfer hat sicher "Altlasten", welche ihn erpressbar machen. Der wird doch bestimmt alles sagen, was Merkel gern hören will. Diese Kommission, schreit ja förmlich nach Täuschung und Blendertum. Da ist aber auch niemand drin, der wirklich Unabhängig ist.
Wer hat schon die Cochones, sich gegen Ingenieure, Professoren, Kardinäle zu stellen?
Also wenn Du damit die Typen IN der sogenannten „Ethikkommission“ meinst, dann glaube ich schon, daß es anschließend Kritik hageln wird.
Da werden sie über die 14 deppen herfallen.
Was die vorher IN der Kommission besprechen, dürfte irrelevant sein. Oder wird sind die Sitzungen etwa öffentlich? Das klüngeln die doch garantiert hinter verschlossenen Türen aus, oder?
Marx ist auch so ungeheuer mediengeil, daß er gar nicht begriffen hat in was für eine PR-Falle er sich da begeben hat, indem er sich von Merkel instrumentalisieren läßt.
Das ist eine No-Win-Nummer für ihn: Ist er FÜR den Atomausstieg, hat er die Ultrakonservativen (wenige, aber sehr wichtig für die RKK) gegen sich und wenn er für AKWs ist, beleidigt er die Mehrheit der Deutschen.
Außerdem will Marx schließlich noch der übernächste Papst werden und wenn dann mal wieder ein AKW durchbrennt, werden sie alle nachfragen, was er eigentlich damals in der Atomkommission zu suchen hatte.
Bliebe noch die Möglichkeit, daß die Kommission irgendeine windelweiche „Ja, aber..“-Nummer verabschiedet - dann hätte Marx auch verloren, weil sich jeder fragen würde, weswegen er sich eigentlich für die sieche schwarzgelbe Chaoscombo als Feigenballt hergibt.
So ein Idiot!
LGT
...FEIGENBLATT
....sollte das werden.....
Die Kommissionen sind Augenwischerei. Man will nur so tun, als habe man gründlich abgewogen und alle Fragen gründlich erörtert. Zudem bringt das viele weniger gebildete Kritiker zum Schweigen, die sich von den ganzen Titeln einschüchtern lassen.
Es ändert aber nichts daran, dass in Japan gerade 4 Blöcke explodiert sind und die Menschen heirzulande längst wissen, dass Atomkraft unsicher ist. Man muss ja kein Genie sein. Tschenobyl und jetzt Fukushima. Das kann überall passieren. Egal, was die Kommissionen empfehlen oder nicht.
Hinter Merkel stehen große und mächtige Interessengruppen. Technolgie-Konzerne wie Siemens & Co, die im Vertrieb von Spitzentechnologie ihr Ausklommen gefunden haben. Windräder, kann ja jeder bauen.
Darum können wir nicht einfach aus der Technologie aussteigen. Deutschland verlöre auch Renommee. Und die Zeiten bleiben ja nicht stehen. Kernfusion ist ja schon im Experimentalstadium. Wendelstein 7-X wird ja gerade gebaut.
Das wir am Himmel einen funktionierenden Fusionsreaktor haben, von dem wir nur die Energie abgreifen müssen, ändert nichts an den Interessen der Konzerne. Die sind das Problem. Ja, wir brauchen die auch. Aber wir können doch nicht um jeden Preis...
Lieber fahre ich mit der Schwebebahn, als dass ich mich radioaktiv verstrahlen lasse.
Fragt sich wie die Wähler das sehen. Am Sonntag können sie ihre Meinung zum Ober-Atom-Lobbyisten der CDU, Herrn Mappus, ja mal deutlich ausdrücken!
Dann wissen wir mehr über Merkels zukünftigen Kurs.
LGT
Hehe, ist eine einfache Formel:
Verlust von Wählerstimmen der CDU in %, ist gleich Anzahl der Monate zur Verkündung der Bestätigung der Laufzeitverlängerung.
Verliert die CDU mehr als 15%, wird die Bestätigung sofort verkündet, damit man zur Bundestagswahl überhaupt wieder normal Stimmen bekommen kann. Zudem gehen je 5% Verlust, ein Meiler für immer vom Netz. Und obwohl wir danach immer noch Überkapazitäten haben, steigen die Strompreise.
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