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Freitag, 11. März 2011

Der Christ des Tages - Teil XL

Die Amis haben den Deutschen bei der Religiosität einiges voraus.

Für 59 Prozent der Amerikaner ist Religion »sehr wichtig«, doch nur für 27 Prozent der Menschen in Italien, immerhin die Heimat der Una Sancta. In Deutschland sind es 21 Prozent und in Frankreich gerade einmal 11. Dass es einen Gott gibt, glauben in Nordamerika 62 Prozent der Befragten, doch in Westeuropa nur 35 Prozent. Und auf die Frage »Sind Sie in der letzten Woche wenigstens ein Mal in die Kirche/Synagoge gegangen?« antworten in den Vereinigten Staaten 44 Prozent mit Ja. In Dänemark, Lettland, Norwegen, Schweden, Finnland, Estland und Island sind es nur 4 bis 5 Prozent. Tschechien, Litauen, Rumänien und die Schweiz folgen mit 16 bis 20 Prozent. Spanien, einst Land der Inquisition, schafft 25. Auf dieser Frömmigkeitsskala liegen nur drei europäische Länder vor den Vereinigten Staaten: Portugal mit 47, Polen mit 55 und Irland mit 84 Prozent.
(Josef Joffe 2009)

Viel stärker als in Europa verknüpfen Amerikaner die Begriffe „Moral“ und „Glaube“.
Atheisten gelten als höchst unmoralisch. Sie gehören nämlich nicht zu politischen Superkraft der „moral majority“, die ihre ethischen Überzeugungen immer noch klar an den drei großen G’s ausrichten; god, guns, gays.
Das sind die großen Fragen. Nur wer die ersten beiden G’s klar bejaht und das letzte G klar verneint, gilt als moralisch anständig.

Glücklicherweise sind wir in Deutschland einen kleinen Schritt weiter.
(Siehe Michael Schmidt-Salomon 2009: “Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind”)

Hierzulande kommen auch aus Kirchen durchaus mal kritische Sätze zu Waffen und Kriegen.
Zumindest aus den niederen Chargen.
Als Ex-Bischöfin Käßmann sich einst auf die Seite der Afghanistankriegsgegner manövrierte, beeilte sich aber der katholische Militärbischof Mixa (auch er ist inzwischen ein „Ex“) dem Krieg an Hindukusch viele gute Seiten abzugewinnen.
Populärer wurde allerdings seine protestantische Kollegin.

In Amerika stellen sich die großen Kirchen nicht diese Fragen. Waffen segnen, Kriegseinsätze loben und stets an der Seite der Militärs zu sein, ist für Amerikanische Kirchenführer Ehrensache.

Die homophoben Kriegsfreunde auf den Kanzeln sind derart mächtig, daß selbst ein Obama des Januars 2009, als er mit Vertrauensvorschuss und gigantischen Zustimmungswerten gesegnet war, sich nicht traute ohne eine Ikone der „moral majority“ des weißen, konservativen Amerikas ins Amt eingeschworen zu werden.
Zum Entsetzen des linken Flügels seiner Parteibasis holte er den Schwulenhasser, Bestsellerautor und Leiter einer Megachurch Rick Warren nach Washington.
Ganz offensichtlich wollte der neue Präsident in vorauseilendem Gehorsam bei den GOPern um Milde bitten. Eine fatale Fehleinschätzung, wie man heute weiß.

Der 57-Jährige Rick Warren ist Chef der evangelikalen Megachurch Saddleback Church in Lake Forest, Kalifornien, die regelmäßig von Myriaden Gläubigen besucht wird, die ihm sklavisch an den Lippen hängen.
Sein evangelikales Buch „The Purpose Driven Life“ ("Leben mit Vision") wurde über 30 Millionen mal (!) verkauft, so daß der fanatische Kämpfer wider „abortion, evolution, same-sex marriage and stem-cell research“ zu Recht als einer der einflussreichsten religiösen Führer Nordamerikas gilt.

Dieser Mann sprach am 20. Januar 2009 zu Obamas Amtseinführung das Fürbittgebet und ist hiermit zum Christ des Tages No XV ernannt.

Warren ist außerdem ein Kämpfer für den Frieden und hat einen Fünf-Punkte-Plan zur Rettung der Welt, den P.E.A.C.E. Plan, ersonnen.

„The P.E.A.C.E. Plan is a massive effort to mobilize 1 billion Christians around the world into an outreach effort to attack the five global, evil giants of our day. These are the worlds biggest problems, affecting billions, not just millions, of people: spiritual emptiness, corrupt leadership, poverty, disease, and illiteracy. These five global giants ravage the lives of billions of people worldwide and all work together to constrain them and cut them off from knowing the saving grace of a loving God who sent his son, Jesus Christ, to die for their sins allowing them eternal hope and security. There is no organization or government that can effectively eradicate these giants. The only successful solution is the global Church of Jesus Christ.”
(rickwarren.com)

Um deutlich zu machen, wie sich Pastor Warren den idealen Kämpfer für den Frieden vorstellt, hat er eine "PEACE"-Ehren-Medaille ausgelobt, die dieses Jahr das dritte mal verliehen wurde.

Die „Saddleback Church's International Medal of PEACE“ ging bisher an so bedeutenden Friedensaktivisten, daß mir ganz warm ums Herz wird, wenn ich an ihr segensreiches Wirken denke.
“The award is given to individuals who exemplify outstanding contributions toward alleviating the issues addressed by the PEACE plan.”
(Rick Warren)

Hallelujah!

Das Elend der Welt erklärt Warren damit, daß die Führer der Welt sich zwar auf Jesus berufen, ohne es aber wirklich zu meinen. Oft wäre christliches Handeln der Regierenden ein reines Lippenbekenntnis, während inzwischen Satan die Macht übernehme.

Instead of being ambassadors of Christ to the world, the Church is now being wooed to partner with political statesmen who are using the name of Christ and religion to organize a counterfeit kingdom that the coming Man of Lawlessness will assume rulership over prior to Christ's return. The kingdoms of the world belong to Satan (Matt 4:8) who is behind this agenda of coalescing politics, economics and religion for the final showdown in history, which coincidentally are the three sectors of Rick Warren's three legged stool model. The book of Revelation prophesies this coming global kingdom will eventually require worship of the Beast (religion) at the threat of death (political) in order to buy or sell (economics); "15 and cause that as many as would not worship the image of the beast should be killed. 17 And that no man might buy or sell, save he that had the mark, or the name of the beast, or the number of his name" (Rev 13:15,17). The Church is currently being hoodwinked and taken "captive to do the devil's will" (2 Tim 2:26) in spending its strength for building this false empire.
(carylmatrisciana.com)

Zum Glück gibt es aber auch echte und gute Christen unter den Führern der Welt - meint Warren.
Also sind wir dem Paradies doch nah.

Warrens bisher geehrte Träger der "PEACE"-Ehren-Medaille nenne ich nun als Sahnehäubchen ganz zum Schluß:

Erster Preisträger im Dezember 2008 war US-Präsident George W. Bush
(No comment).

Zweiter Preisträger war im September 2009 der Ruandas Präsident Paul Kagame.

Der Tutsi war an der militärischen Eliteakademie der United States Army ausgebildet worden und gründete in Uganda eine Miliz, die später in Ruandische Patriotische Front (RPF) umbenannt wurde. Direkt nach den Völkermorden wurde er 1994 erst Vizepräsident und ab 2000 Präsident Ruandas. Zunächst wurde er 2003 mit 95% der Stimmen wiedergewählt - ein Ergebnis, das er vermutlich nicht einmal selber glaubt.
Kagame ist in Frankreich mehrfach angeklagt worden, da er offensichtlich hinter dem Flugzeugsabsturz des Ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana am 6. April 1994 steckte, welcher wiederum den Völkermord auslöste.
Er ist auf einer EU-Fahndungsliste und würde bei einer Einreise nach Europa sofort verhaftet.
Inzwischen hat Kagame alle Oppositionspolitiker verhaften lassen und ließ sich 2010 mit 93% der Stimmen erneut zum Präsidenten wählen.
Mit harter Hand bekämpft Warrens PEACE-Preisträger Demokratie, Pressefreiheit und Opposition. Noch schlimmer ist aber sein kriegstreiberisches Wirken im Nachbarland Kongo - dem vermutlich übelsten Krisenherd dieses Planeten.

Ein Desaster. Da hat sie Ruandas Präsidenten Paul Kagame das Geld in den Rachen geworfen. Dabei hat der Mann mittlerweile Millionen Menschen auf dem Gewissen, die seine Armee im Nachbarland Kongo umgebracht hat.
(Der kenianische Wirtschaftsexperte James Shikwati über die schädlichen Folgen der westlichen Entwicklungspolitik, Der Spiegel, 04.07.2005)

Für den Christen Rick Warren ist Kagame aber ein sehr wertvoller Alliierter, da er mit wahrem Fanatismus Homosexualität bekämpft.
(Siehe Facebookgruppe: Stop Rick Warren and Paul Kagame's War on Gays and D.R. Congo)

Dritter Preisträger im März 2011: Tony Blair
(No Comment)

7 Kommentare:

Homer Simpson hat gesagt…

Man wird nicht so bekannt und berühmt wie Warren, wenn man keinen Antrieb, keine Motivation hat. Sein Handeln steht in der Tradition der Religiösität. Gutherzig tun und jeden hassen, der kein Teil des Kleinbürgertums ist.

Es braucht dann nur einen Warren, der keine Skrupel hat, die Ängste und Vorurteile dieses Pöbels für eigene Zwecke zu missbrauchen. So macht das seit jeher jeder Diktator. Die Methode ist also nicht neu. Heil Warren!

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@Homer - nein, NEU ist das nicht. In Amerika gibt es schließlich jede Menge Megachurches. Die sind wie Gelddruckmaschinen.


Dennoch kann ich nicht verhehlen, daß ich das sowas von ZUM KOTZEN finde, wie solche Verbrecher auch noch hofiert werden und zig Millionen mal ihre Bücher verkaufen, daß ich mich schon von eruptiven Würganfällen geplagt laut schreiend auf dem Boden wälzen möchte.

Und Blair hatte natürlich ohnehin schon lange lange total verschissen bei mir. Aber seitdem er nun auch noch zum Katholizismus übergetreten ist und sich mit solchen Leuten einläßt, ist er noch mal drei Umdrehungen widerlicher.

Irgendwie glaube ich mal wieder, daß ich nicht in der richtigen Realität lebe, sondern in einem überdimensionalen Witz gefangen bin.

Da vergibt jemand mit großem Tamtam FRIEDENS-Medaillen und findet in drei Jahren die Preisträger GWB, Kagame und Blair?
Eine echte Leistung!
Unter sieben Milliarden Menschen könnte man kaum Ungeeignetere Kandidaten finden.

Offensichtlich ist für so einen evangelikalen Mega-priest ein veritabler Massenmord Voraussetzung, um ein preiswürdiges moralisches Vorbild zu sein!

Brechkotzwürggöbelspei…..

Falls diese Warren-Medaillen auch posthum verliehen werden können, bekommt Hitler sicher auch bald so einen Orden!

LGT

jakebaby hat gesagt…

Das Adolf waere sicherlich noch ein Kandidat.

Unter 'Well Done' laufen ausser ihm auch noch ein paar Andere.
Dazu noch mal der Eddie: http://www.youtube.com/watch?v=pAOLOGGftTY

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Haha, Eddie hatte ich schon wieder vergessen...

Sach' mal Jake - hatten wir nicht schon mal über Warren gesprochen? Ich habe den ja erst im Januar 2009 richtig kennengelernt.
Aber irgendwie kommt es mir so vor, als ob ich den irgendwo schon mal durchgenudelt habe.

Hattest DU den mal in Deinem Blog bejubelt?

Mein Hirn ist auch nicht mehr das jüngste....

Aber das mit seinen PEACE-medals war mir doch neu!
Schöne Geschichte!

LGT

Anonym hat gesagt…

Sorry für Off-Topic, aber diesen netten Artikel solltest Du einmal lesen:

http://www.jungewelt.de/2011/03-12/006.php

Der Nordstern.

jakebaby hat gesagt…

Keine Ahnung mit dem Warren.
Meinem Hirn gehts auch nicht besser wie deinem.

Bei den ganzen megagrausslichen Gestalten verliert man ehh den Ueberblick.

Ich wuensch mir als etwas Zeit mit manch Monster zur Missionierung auf der Insel.
Ein paar Tage mit Vikar Knoechel wuerden sicher nicht schlecht bekommen und auch die Befriedigung im Beruf waere gewaehrleistet.
Win/Win

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

@ Nordstern - klingt ja super; habe ich mir sofort bestellt.

@Jake - der arme Vikar Knöchel hätte da aber eine Menge zu tun!! Der müßte sich buchstäblich "aufreiben" in seinem Job!

LGT