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Montag, 2. August 2010

Taliban und USA in einem Boot?

Daß Ende 2001 der komplett enthirnte GWB Kabula rasa machte, war zu erwarten.
US-Politik ist in der Regel von Ideologie und Psychologie bestimmt.
Geltungsdrang und Minderwertigkeitskomplexe sind entscheidende Antriebsfedern. Am 11. September war die Demütigung so gigantisch, daß der US-Präsident ein Ventil finden mußte.

Ich erinnere mich an Stimmen von durchaus liberalen New Yorkern, die zu der Zeit wie von Sinnen forderten „Der Taliban muß weg!“
Plural oder Singular war egal, Hintergrundinformationen wollte niemand.
Die Länder waren ohnehin so weit weg und hatten komischen Namen.
Wie sollte das ein Durchschnittsamerikaner wissen, der schon in arge Schwierigkeiten gerät, wenn er Mexiko oder Kanada auf der Weltkarte finden soll?
Michael Moore forderte damals, daß der Kongress ein Gesetz erlassen möge, nach dem es Amerika nur erlaubt sei Kriege gegen die Länder zu führen, die sie auch auf der Weltkarte finden könnten.
Guter Witz - das hätte die Bush-Administration zum Dasein als echter Friedensengel verdammt.

Da gab es jedenfalls diesen einen fiesen Herrn Taliban und der sollte bitte schön büßen - aber pronto.

GWB, der nach denkwürdigen Auszählungsdesaster frisch im Oval Office saß und so sehr darunter litt 500.000 Stimmen weniger als sein Gegenkandidat Gore bekommen zu haben, daß er seine Amtszeit bis dato im Urlaub auf seiner Ranch verbracht hatte, witterte die Gelegenheit und spielte Rambo.
Schnell schossen seine Beliebtheitswerte gen 90 %.

Man wollte Blut sehen und das sollte doch wohl klappen gegen eine Steinzeitgesellschaft am hintersten Ende der Welt, wo die Frauen in Burkas rumlaufen und die Männer in Lumpen durch die Pampa krochen.

Die größte Hightech-Armee des Planeten gegen eine ausgemergelte Horde Clochards, die zivilisatorisch irgendwo bei Pfeil und Bogen stehen geblieben waren.

Mit einer knappen Dekade Verspätung ist die Erkenntnis, daß die US-Einschätzung wohl ein bißchen falsch war, sogar bis ins Weiße Haus gedrungen.

Soviel wissen wird durch die über Wikileaks veröffentlichten 92.000 Afghanistan-Dokumente:

Die Kette der Fehlschläge und Niederlagen ist nahezu unendlich.
Es klappt nichts, die Taliban sind stärker denn je, die NATO-Soldaten haben einfach keinen Bock mehr, die Afghanischen Zivilisten sind vollkommen entnervt, wollen nur noch, daß die ausländischen Truppen verschwinden und die Afghanischen Kämpfer sind nicht das geringste bißchen demotiviert.

Treue US-Verbündete setzen sich ab.
Nach vier Jahren in Urusgan verschwinden soeben die knapp 2000 Niederländischen Soldaten.
Bis September werden sie sich samt ihrer F16-Bomber nach Europa zurück gezogen haben.
Nächstes Jahr folgt dann der nächste große Player; Kanada zieht seine 2800 Mann aus dem Hindukusch ab.

Die Deutschen können nicht abziehen, weil wir erstens die allertreusten der treuen US-Verbündeten sind und zweitens bedauerlicherweise eine realitätsentrückte Regierung haben, die entweder urlaubt, oder wie der Vizekanzler vor dem Bundestag feststellt, daß in Afghanistan eigentlich alles wunderbar liefe.

Vielleicht handelt es sich da um die unerhörte Leichtigkeit der Kinderlosen - Merkel, Westerwelle, Guttenberg - daß die Bundeswehrpräsenz am Hindukusch nicht überdacht wird.

Der Chef der Niederländischen Truppen, Peter van Uhm, weiß sicherlich etwas konkreter was es mit der Sterberei der Soldaten auf sich hat.
Einer der 24 am Hindukusch getöteten Holländer war sein Sohn.

Die USA zahlen den Blutzoll leichter, denn die Politelite Washingtons schickt ihre Kinder nicht in die Kriege.
Den Kopf halten vorzugsweise die Ärmsten und Ungebildetsten hin. Jungs aus dem platten Land von Arkansas, die ihre Brillengläser mit Gummibändern hinter Ohr festmachen, weil sie sich kein neues Gestell leisten können.

Der Juni 2010 (neuere Zahlen gibt es noch nicht) war bisher der Top-Todesmonat für ausländische Truppen in Afghanistan - 102 Soldaten „fielen“.

Hauptbetroffene sind die Amerikaner, deren GIs sich auch ohnehin in Lyse befinden.
Exorbitanter Drogenkonsum, kriminelle Energien (über 1000 US-Soldaten sind bereits wegen zwei Straftaten in der Truppe verurteilt, aber immer noch nicht entlassen) und dann die Suizide!

Allein 32 US-Soldaten brachten sich im Juni 2010 selbst um.
Seit Jahresbeginn eine deutliche Steigerung - hatten sich in der US-Armee von Januar bis Mai 2010 genau 80 aktive und 65 Afghanistan-Reservisten das Leben genommen.

Wen wundert es, daß Depressionen und posttraumatischer Stress extrem sind?

Kümmern kann man sich auch nicht um die Soldaten, denn eine psychologische Betreuung würde Geld kosten und das fließt in Billionengrößenordnung in die Rüstungskonzerne ab.

Die Toten auf Afghanischer Seite zählt ohnehin niemand.
Wozu auch - ein Leben dort ist verdammt billig.

Als der deutsche Oberst Klein mutmaßlich absichtlich über 100 Zivilisten abschlachtete, fand das der Verteidigungsminister zunächst einmal „angemessen“, bestraft wurde niemand und die Entschädigung kostete die Bundesrepublik nur ein paar zehntausend Euro!

Schade eigentlich für OB Sauerland, daß die Toten in Deutschland so viel teurer sind - sonst würde die 7,5-Millionen Haftpflichtversicherung der Duisburger Loveparade ja locker ausreichen, um 21 Zerquetschte finanziell ruhig zu stellen. Hätten doch bloß mehr Afghanen beim Ruhr-Rave mitgemacht.

Das Sterben am Hindukusch ist weit weg und deswegen auch akzeptiert.
Zwar legte Peter Chiarelli, Vize-Generalstabschef der US-Armee, soeben eine Studie zur Selbstmordprävention vor, aber die wird auch wieder in den Schubladen verschwinden.

Dem Bericht zufolge ist das Selbstmordrisiko bei Soldaten, die erst spät mit etwa 28 oder 29 Jahren in die Armee eintreten, dreimal höher als bei anderen. Möglicherweise hätten diese Soldaten mehr persönliche oder finanzielle Probleme, mutmaßt der Bericht. Besonders häufig seien Suizide außerdem im ersten Jahr in der Armee, mit der Dauer des Dienstes nehme das Risiko ab.
Beunruhigt zeigte sich Chiarelli von den vielen Selbstmorden ohne offensichtlichen Grund. Zwei- bis dreimal pro Monat nähmen sich Soldaten das Leben, bei denen es keinerlei Hinweise auf schwerwiegende Probleme gegeben habe. "Das sind die, die uns so verwirren und schwer zu verstehen sind", sagte Chiarelli bei der Präsentation des Berichts.
(Spon)

Armer Chiarelli - er versteht es nicht und ist verwirrt.

Ich war bisher noch nie in Afghanistan und noch in keiner Armee - aber ich verstehe es durchaus.

Die Methode „Totschweigen“ der Probleme ist auf perfide Weise real geworden.

Eine Methode, die auch unser deutscher Superguttenberg gerne kopiert, wie man heute en passent in einer Buchbesprechung der SZ nachlesen kann:

In seinem Roman 'Kennedys Hirn' schrieb der schwedische Krimiautor und Afrikafreund Henning Mankell den klugen Satz: 'Wir wissen fast alles darüber, wie die Afrikaner sterben, aber kaum etwas darüber, wie sie leben.' Ein ähnliches Desinteresse oder besser: eine ähnliche Ignoranz bringen wir auch den deutschen Soldaten in Afghanistan entgegen.
Von ihrem Einsatz erfahren wir, wenn sie sterben oder wenn sie töten - wie im Fall des Oberst Klein. Aber wie sie in Afghanistan leben, was sie leisten, was sie bewegt, wovor sie Angst haben, was sie von dem Einsatz halten, wie es ihnen danach ergeht: Darüber wissen wir kaum etwas.
Und wenn es nach der Bundeswehrführung geht, soll das anscheinend auch so bleiben. Nur so lässt sich die Blockadepolitik erklären, mit der das Verteidigungsministerium so ziemlich jeden Versuch, den Alltag und die Gefühle der deutschen Soldaten zu erklären, auflaufen lässt oder gar zu unterbinden versucht.
Das bekam vor einigen Monaten das SZ-Magazin zu spüren, als es Feldpostbriefe von deutschen Soldaten aus Afghanistan veröffentlichen wollte, um einmal die zu Wort kommen zu lassen, die diesen Einsatz leisten, und um einmal ein etwas anderes Bild der Lage vor Ort zu zeichnen.
Die Bundeswehrleitung beziehungsweise das Verteidigungsministerium versprachen erst Unterstützung, sagten diese dann ab und suchten schließlich - ohne Erfolg -, das Projekt auf allerlei Ebenen zu verhindern, dies mit dem absurden Bundeswehr-internen Hinweis, die SZ-Journalisten wollten 'den Lesern einen möglichst realistischen Einblick in den Alltag des deutschen Kontingents geben'. Was wäre daran in einer Demokratie nicht unterstützenswert oder gar problematisch?
(Bastian Obermayer über das im Fackelträger Verlag erschienene Buch 'Ich krieg mich nicht mehr unter Kontrolle', das auch von der Bundeswehrführung blockiert wurde)

Wenn schon Deutschland nichts vom Sterben am Hindukusch wissen will, wieso sollte sich die USA um ihre toten Jungs sorgen? Ob nun gekillt by own fire oder durch Taliban.

Immerhin ist dort das Töten weit mehr akzeptiert als in Europa.

Soeben gibt es aktuelle Zahlen der Menschenrechtsgruppe „Hands Off Cain“ mit Sitz in Rom, welche Exekutionen weltweit dokumentiert und sich für die Abschaffung der Todesstrafe einsetzt.
Die Welt ist sich ziemlich einig, daß Todesstrafe barbarisch, unethisch und absolut nicht zu rechtfertigen ist.
Länder wie Russland, die sonst nicht übertrieben zimperlich bei Menschenrechten sind, haben die Todesstrafe längst abgeschafft.
Dementsprechend ging auch im Jahr 2009 weltweit abermals die Zahl der staatlichen Exekutionen um 50 % zurück.

Es gibt aber Ausnahmenationen, die keine Bedenken haben - China, Iran, Irak und die USA:

In den USA wurden im vergangenen Jahr 52 Häftlinge hingerichtet, im Jahr zuvor waren es 37.

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