Donnerstag, 5. August 2010
Bajuwarische Blessuren.
Früher war alles besser.
Na ja, nicht alles.
Aber zumindest für die Gattung der Landespolitiker von den großen Parteien gab es nettere Dekaden im letzten Jahrtausend. Da konnte man sich nach Herzenslust schmieren lassen, von den reichen Kumpels in der Wirtschaft beschenken lassen und mußte sich nicht schämen.
„Saludos Amigos“.
Es gab Bundesländer mit genetisch bedingtem Zwangswahlverhalten (vulgo „Hochburg“). In Bremen, NRW und Hamburg wählte man immer SPD. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern hieß der Sieger stets CDU, bzw CSU.
In den Parteizentralen mag man es bedauern, aber diese blöden Wähler halten sich schon geraume Zeit nicht mehr an die Regeln.
Die meisten Bürger machen übrigens nicht plötzlich ihr Kreuz an einer anderen Stelle. Es gab und gibt immer nur wenige echte Wechselwähler. Das liegt in der deutschen Natur. Man will immer nur Dasselbe. Bloß keine Experimente! Die Umstände sollen sich möglichst nicht ändern.
Daher legt der urlaubende Teutone auch großen Wert darauf auf Mallorca von deutsch sprechenden Einheimischen versorgt zu werden, deutsche Mahlzeiten zu fressen, deutsches Bier zu saufen und in den Diskos deutsche Musik zu hören.
Ein Schild mit der Aufschrift „Man spricht deutsch“ ist immer noch die beste Werbung, um deutsche Urlauber in den Laden zu holen.
Deutsche sind ob dieser Berechenbarkeit auch ganz schön praktisch.
Das schätzen zum Beispiel die Gastronomen auf „Union Lido“, dem größten Campingplatz für Deutsche in Italien.
Selbstverständlich sprechen dort alle deutsch, werden deutsche Brötchen und Würstchen verkauft und vor allem deutsche Regeln aufgestellt.
Wer würde auch schon nach Italien reisen, um dort italienisch zu essen?
Daß gewisse Gerichte, wie Pizza nicht wirklich urdeutsch sind, spielt keine Rolle. Pizza gehört ebenfalls zur deutschen Grundversorgung.
Ich sehe noch einen Pizzaria-Betreiber auf dem Campingplatz vor mir, den ich in einer TV-Doku kennenlernte.
Ja, die Deutschen seien seine Lieblingsgäste. Die kämen immer zur gleichen Uhrzeit, bestellten stets die gleichen Beläge - Salami, Margaritha und Hawaii - und verließen nach dem Aufessen sofort den Laden.
Ab und an verirrten sich zum Leidwesen des italienischen Pizzabäckers auch Italiener in sein Restaurant - aber die wären vollkommen chaotisch.
Da bestellt jeder was anderes, es wird ausprobiert, geredet, diskutiert und außerdem säßen die stundenlang am Tisch.
Dieses chaotisierende Verhalten der Italiener ist typisch. Im Grunde sind sie Anarchisten. Das beklagten schon Hitler und Mussolini, als es daran ging Juden, Schwule und Sinti zu deportieren.
Die Bevölkerung wollte einfach nicht richtig mitmachen, versteckte Juden oder kümmerte sich nicht um entsprechende Anweisungen.
Bis zum bittersten Ende mitkämpfen wollten sie auch nicht. Als der Krieg quasi verloren war, wollten sie nicht mehr mitmachen.
Ganz anders in Deutschland - dort wurden die Juden akribisch und mustergültig aus den eigenen Reihen denunziert und ausgeliefert. Die Gestapo ging regelrecht in einer Flut von Denunzierungsschreiben unter - jeder auch noch so geringe Verdacht, daß jemand jüdisch sein könnte, wurde sofort den Behörden mitgeteilt.
Und nur weil es keine Aussicht auf Sieg mehr gab und schon alles in Schutt und Asche lag, hörte man zwischen Kiel und Wien auch noch gar nicht auf zu kämpfen. „Bis alles in Scherben fällt“.
Nach 1945 etablierte sich in Deutschland ein starres Parteiensystem.
Über Dekaden hatten FDP, Union und Sozis ihr festes Stammwählerpotential.
Das ging noch lange so weiter, als in Italien die entsprechenden Schwesterparteien schon mehrfach kollabiert, untergegangen, neu gegründet, fusioniert, gespalten usw usf waren.
Soweit ist es in Deutschland auch im Jahr 2010 noch nicht.
Parteineugründungen gibt es nur ca alle 20 Jahre. Nach wie vor gibt es sehr wenig Wechselwähler.
Aber fast genauso unangenehm für die sogenannten „etablierten“ Parteien ist das Phlegma des Urnenpöbels.
Die lassen sich neuerdings erschrecken und dann gehen sie einfach nicht mehr zur Wahl.
Schröder hatte noch 20 Millionen SPD-Stimmen eingeheimst - 2009 bekam die SPD unter 10 Millionen.
Klassische Hochburgen gehen auf einmal verloren, weil die Stammwähler stinkig sind und sich in den Schmollwinkel zurück ziehen.
Ihre „Macht euren Scheiß doch allein“-Haltung bringt dann unversehens auch mal andere Parteien ans Ruder.
Ausgerechnet Phlegma-Scharping konnte Kohls Heimat erobern, Ole von Beust beendete 44 Jahre SPD-Herrschaft in Hamburg und sogar NRW, die „Herzkammer der Sozialdemokratie“ fiel an Rüttgers.
Es fällt mir immer noch schwer zu glauben, daß am 28.09.2008 bei der Bayerischen Landtagswahl die CSU auf 43,4 % abstürzte.
Natürlich sind das unter rationalen Gesichtspunkten immer noch absurd viele CSU-Stimmen.
Angesichts des von Stoiber, Huber und Beckstein ausgegebenen Regierungsmottos „Pleiten, Pech und Pannen“ wären 4,9% angemessen gewesen.
Es ging dann ganz lustig weiter. Die Bayern hatten zur Wahl als MP entweder Herrn Maget oder Herrn Beckstein.
Bekommen haben sie dann Seehofer, der nicht nur nicht zur Wahl stand, sondern noch nicht mal in Bayern politisch wirkte.
Warum ausgerechnet Horst, das Politchamäleon, der kurz zuvor noch grandios beim Kampf um den CSU-Vorsitz unterlegen war? Man weiß es nicht.
Ein Jahr lang mäanderte Ministerpräsident Seehofer fortan zwischen gegensätzlichen Politpositionen wild wechselnd hin und her, bis er im September 2009 sein persönliches Waterloo erlebte:
Die FDP wurde bei der Bundestagswahl doppelt so stark wie die CSU!
Welch eine Demütigung!
Über Dekaden waren die Christenbayern so stolz darauf auch bundesweit größer als die verhassten Liberalen zu sein und nun das!
6.316.080 Stimmen für die FDP = 93 Sitze im Bundestag und armselige 2.830.238 = 45 Sitze für die CSU - weit hinter Linke (76), Grünen (68) und FDP abgeschlagen auf Platz sechs.
Nur 42,5% in Bayern nach einem Jahr Seehofer.
Die Wahlbeteiligung war der CSU-Killer. Die Opposition konnte nicht profitieren.
Die SPD landete bei außerordentlich blamablen 16,84 % in Bayern.
Dahin hatte Seehofer also seine CSU-FDP-Koalition nach 12 Monaten gebracht.
Erneute Verluste für seine Partei, während sich die FDP fast verdoppelte von 8,0 % bei der Landtagswahl 2008 auf 14,68 % bei der Bundestagswahl in Bayern 2009.
Die Bajuwarische Seele war irreparabel verletzt und so gab der verzweifelte Seehofer den Nero-Befehl aus: Vernichtet die FDP - und wenn es unser aller Untergang ist.
Diese neue CSU-Strategie ist bisher weit erfolgreicher als die Vorherige.
Die FDP liegt am Boden, hadert mit der Fünfprozenthürde.
Guido Westerwelle ist der absolute Minusmann der Politik; niemand ist unbeliebter.
Gregor Gysis allgemeine Popularität kann der FDP-Chef nicht mehr erreichen.
Im Nebeneffekt hat sich die CSU selbst allerdings auch an den Abgrund manövriert - das ist eben der Nachteil, wenn man statt chirurgischer Schläge eine Strategie der verbrannten Erde anwendet.
Eine Umfrage sieht die CSU in Bayern bereits unter 40%.
Und es kommt noch besser; möglicherweise platzt Seehofer seine eigene Bayerische Koalition unter dem Hintern weg.
Katja Auer von der SZ malt genüßlich die Vorkommnisse in Seehofers Staatskanzlei in schwärzestem schwarz:
Der bayerischen Staatsregierung droht ein ernstes Zerwürfnis: Auf Steuerzahlerkosten hat die Staatskanzlei Studien in Auftrag gegeben, die insbesondere Strategietipps für die CSU enthalten. Unter anderem, wie sie die Liberalen am besten angreifen könnte. Pikantes Detail: Zu diesem Zeitpunkt war die FDP bereits Regierungspartner.
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hat inzwischen die CSU bei Norbert Lammert angezeigt - „versteckte Parteienfinanzierung“.
108.000 Euro hatten die CSU-Granden die Studie den Steuerzahler kosten lassen - viel Geld um dafür parteipolitische Tipps zu bekommen.
In der jüngsten Studie gaben die Demoskopen der CSU einen pikanten Tipp: Die Fokussierung in der politischen Auseinandersetzung solle auf SPD und Grüne, "eventuell auch die FDP erfolgen". Zu diesem Zeitpunkt regierten die Liberalen in Bayern allerdings schon seit drei Monaten mit. Im Sommer, vor der Bundestagswahl, griff die CSU-Spitze dann wochenlang die FDP heftig an.
(SZ)
SPD-Fraktionschef Rinderspacher: „Jetzt versteht man auch besser, warum sich die FDP als Gurkentruppe verhöhnen lassen musste"
Zwar wissen wir aus NRW, daß Lammert recht großzügig über finanzielle Verfehlungen seiner Parteifreunde hinwegsieht, aber da diesmal auch der Koalitionspartner FDP der Benachteiligte war (und nicht bloß Sozen und Grüne), dürfte es bei Münchner K.O.alitionsrunden derzeit etwas ungemütlich zugehen.
Die FDP fordert nun die Einberufung des Koalitionsausschusses und "eine lückenlose Aufklärung des Vorgangs" sowie "personelle Konsequenzen". In einem offenen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer kritisieren Wirtschaftsminister Martin Zeil und FDP-Fraktionschef Thomas Hacker am Donnerstag das Gebaren der Staatskanzlei scharf. Dadurch sei "die Grundlage unserer Zusammenarbeit" berührt. Die Staatskanzlei reagierte umgehend und versprach schnelle Antwort auf den Brief ebenso wie die geforderten Unterlagen. "Wenn dann noch Bedarf für die Einberufung des Koalitionsausschusses gesehen wird, findet dieser statt", hieß es knapp.
(SZ)
Wenigstens hat die Opposition mal was zu lachen.
Der SPD-Fraktionschef zu SPIEGEL ONLINE:
Er wolle nicht ausschließen, "dass Schwarz-Gelb in Bayern noch früher beendet ist als auf Bundesebene". Ist ein Koalitionswechsel der FDP in eine Regenbogenkoalition mit SPD, Grünen und Freien Wähler in Bayern denkbar? Er könne nicht erkennen, dass die FDP den Mut habe, "sich aus der Schicksalsgemeinschaft mit der CSU zu trennen", sagt Rinderspacher.
SPD-Landeschef Florian Pronold sagt, es habe trotz FDP und Seehofers Amtsübernahme in Bayern keinen "Traditionsbruch" gegeben: "Die CSU betrachtet den Staat weiterhin als Beute."
Auch die Kleinen können ihre Häme kaum verbergen.
Die Grünen zeigen Verständnis dafür, dass die FDP nun die Koalitionsfrage stellt. "Was sich die CSU mit ihren verkappten Wahlkampftipps auf Steuerzahlers Kosten geleistet hat, ist der größtmögliche Affront gegen den Koalitionspartner", sagte die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause. Die Liberalen seien von der CSU "regelrecht am Nasenring durch die Manege gezogen worden". Die bisherigen Rechtfertigungsversuche der Staatskanzlei überzeugen Margarete Bause nicht. "Die CSU hat sich hier ganz offensichtlich in alter Filztradition vom Steuerzahler ihre Parteiarbeit bezahlen lassen", sagte sie. Und das Ganze auch noch dreist vertuscht. Die Grünen hätten selbst schon seit Jahren von der Staatsregierung gefordert, mit Steuergeld bezahlte Untersuchungen zu veröffentlichen. Doch den Grünen ging es wie der SPD - die Staatskanzlei weigerte sich hartnäckig. Man wolle an der "langjährigen Übung" festhalten, solche Umfragen nicht zu veröffentlichen, hieß es.
Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, ist über die Studien kaum verwundert. Das sei "typisch für die bisherige Einstellung der CSU", kritisiert er. Die Christsozialen agierten, als sei "Bayern zum Plündern freigegeben".
(SZ)
Na ja, nicht alles.
Aber zumindest für die Gattung der Landespolitiker von den großen Parteien gab es nettere Dekaden im letzten Jahrtausend. Da konnte man sich nach Herzenslust schmieren lassen, von den reichen Kumpels in der Wirtschaft beschenken lassen und mußte sich nicht schämen.
„Saludos Amigos“.
Es gab Bundesländer mit genetisch bedingtem Zwangswahlverhalten (vulgo „Hochburg“). In Bremen, NRW und Hamburg wählte man immer SPD. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern hieß der Sieger stets CDU, bzw CSU.
In den Parteizentralen mag man es bedauern, aber diese blöden Wähler halten sich schon geraume Zeit nicht mehr an die Regeln.
Die meisten Bürger machen übrigens nicht plötzlich ihr Kreuz an einer anderen Stelle. Es gab und gibt immer nur wenige echte Wechselwähler. Das liegt in der deutschen Natur. Man will immer nur Dasselbe. Bloß keine Experimente! Die Umstände sollen sich möglichst nicht ändern.
Daher legt der urlaubende Teutone auch großen Wert darauf auf Mallorca von deutsch sprechenden Einheimischen versorgt zu werden, deutsche Mahlzeiten zu fressen, deutsches Bier zu saufen und in den Diskos deutsche Musik zu hören.
Ein Schild mit der Aufschrift „Man spricht deutsch“ ist immer noch die beste Werbung, um deutsche Urlauber in den Laden zu holen.
Deutsche sind ob dieser Berechenbarkeit auch ganz schön praktisch.
Das schätzen zum Beispiel die Gastronomen auf „Union Lido“, dem größten Campingplatz für Deutsche in Italien.
Selbstverständlich sprechen dort alle deutsch, werden deutsche Brötchen und Würstchen verkauft und vor allem deutsche Regeln aufgestellt.
Wer würde auch schon nach Italien reisen, um dort italienisch zu essen?
Daß gewisse Gerichte, wie Pizza nicht wirklich urdeutsch sind, spielt keine Rolle. Pizza gehört ebenfalls zur deutschen Grundversorgung.
Ich sehe noch einen Pizzaria-Betreiber auf dem Campingplatz vor mir, den ich in einer TV-Doku kennenlernte.
Ja, die Deutschen seien seine Lieblingsgäste. Die kämen immer zur gleichen Uhrzeit, bestellten stets die gleichen Beläge - Salami, Margaritha und Hawaii - und verließen nach dem Aufessen sofort den Laden.
Ab und an verirrten sich zum Leidwesen des italienischen Pizzabäckers auch Italiener in sein Restaurant - aber die wären vollkommen chaotisch.
Da bestellt jeder was anderes, es wird ausprobiert, geredet, diskutiert und außerdem säßen die stundenlang am Tisch.
Dieses chaotisierende Verhalten der Italiener ist typisch. Im Grunde sind sie Anarchisten. Das beklagten schon Hitler und Mussolini, als es daran ging Juden, Schwule und Sinti zu deportieren.
Die Bevölkerung wollte einfach nicht richtig mitmachen, versteckte Juden oder kümmerte sich nicht um entsprechende Anweisungen.
Bis zum bittersten Ende mitkämpfen wollten sie auch nicht. Als der Krieg quasi verloren war, wollten sie nicht mehr mitmachen.
Ganz anders in Deutschland - dort wurden die Juden akribisch und mustergültig aus den eigenen Reihen denunziert und ausgeliefert. Die Gestapo ging regelrecht in einer Flut von Denunzierungsschreiben unter - jeder auch noch so geringe Verdacht, daß jemand jüdisch sein könnte, wurde sofort den Behörden mitgeteilt.
Und nur weil es keine Aussicht auf Sieg mehr gab und schon alles in Schutt und Asche lag, hörte man zwischen Kiel und Wien auch noch gar nicht auf zu kämpfen. „Bis alles in Scherben fällt“.
Nach 1945 etablierte sich in Deutschland ein starres Parteiensystem.
Über Dekaden hatten FDP, Union und Sozis ihr festes Stammwählerpotential.
Das ging noch lange so weiter, als in Italien die entsprechenden Schwesterparteien schon mehrfach kollabiert, untergegangen, neu gegründet, fusioniert, gespalten usw usf waren.
Soweit ist es in Deutschland auch im Jahr 2010 noch nicht.
Parteineugründungen gibt es nur ca alle 20 Jahre. Nach wie vor gibt es sehr wenig Wechselwähler.
Aber fast genauso unangenehm für die sogenannten „etablierten“ Parteien ist das Phlegma des Urnenpöbels.
Die lassen sich neuerdings erschrecken und dann gehen sie einfach nicht mehr zur Wahl.
Schröder hatte noch 20 Millionen SPD-Stimmen eingeheimst - 2009 bekam die SPD unter 10 Millionen.
Klassische Hochburgen gehen auf einmal verloren, weil die Stammwähler stinkig sind und sich in den Schmollwinkel zurück ziehen.
Ihre „Macht euren Scheiß doch allein“-Haltung bringt dann unversehens auch mal andere Parteien ans Ruder.
Ausgerechnet Phlegma-Scharping konnte Kohls Heimat erobern, Ole von Beust beendete 44 Jahre SPD-Herrschaft in Hamburg und sogar NRW, die „Herzkammer der Sozialdemokratie“ fiel an Rüttgers.
Es fällt mir immer noch schwer zu glauben, daß am 28.09.2008 bei der Bayerischen Landtagswahl die CSU auf 43,4 % abstürzte.
Natürlich sind das unter rationalen Gesichtspunkten immer noch absurd viele CSU-Stimmen.
Angesichts des von Stoiber, Huber und Beckstein ausgegebenen Regierungsmottos „Pleiten, Pech und Pannen“ wären 4,9% angemessen gewesen.
Es ging dann ganz lustig weiter. Die Bayern hatten zur Wahl als MP entweder Herrn Maget oder Herrn Beckstein.
Bekommen haben sie dann Seehofer, der nicht nur nicht zur Wahl stand, sondern noch nicht mal in Bayern politisch wirkte.
Warum ausgerechnet Horst, das Politchamäleon, der kurz zuvor noch grandios beim Kampf um den CSU-Vorsitz unterlegen war? Man weiß es nicht.
Ein Jahr lang mäanderte Ministerpräsident Seehofer fortan zwischen gegensätzlichen Politpositionen wild wechselnd hin und her, bis er im September 2009 sein persönliches Waterloo erlebte:
Die FDP wurde bei der Bundestagswahl doppelt so stark wie die CSU!
Welch eine Demütigung!
Über Dekaden waren die Christenbayern so stolz darauf auch bundesweit größer als die verhassten Liberalen zu sein und nun das!
6.316.080 Stimmen für die FDP = 93 Sitze im Bundestag und armselige 2.830.238 = 45 Sitze für die CSU - weit hinter Linke (76), Grünen (68) und FDP abgeschlagen auf Platz sechs.
Nur 42,5% in Bayern nach einem Jahr Seehofer.
Die Wahlbeteiligung war der CSU-Killer. Die Opposition konnte nicht profitieren.
Die SPD landete bei außerordentlich blamablen 16,84 % in Bayern.
Dahin hatte Seehofer also seine CSU-FDP-Koalition nach 12 Monaten gebracht.
Erneute Verluste für seine Partei, während sich die FDP fast verdoppelte von 8,0 % bei der Landtagswahl 2008 auf 14,68 % bei der Bundestagswahl in Bayern 2009.
Die Bajuwarische Seele war irreparabel verletzt und so gab der verzweifelte Seehofer den Nero-Befehl aus: Vernichtet die FDP - und wenn es unser aller Untergang ist.
Diese neue CSU-Strategie ist bisher weit erfolgreicher als die Vorherige.
Die FDP liegt am Boden, hadert mit der Fünfprozenthürde.
Guido Westerwelle ist der absolute Minusmann der Politik; niemand ist unbeliebter.
Gregor Gysis allgemeine Popularität kann der FDP-Chef nicht mehr erreichen.
Im Nebeneffekt hat sich die CSU selbst allerdings auch an den Abgrund manövriert - das ist eben der Nachteil, wenn man statt chirurgischer Schläge eine Strategie der verbrannten Erde anwendet.
Eine Umfrage sieht die CSU in Bayern bereits unter 40%.
Und es kommt noch besser; möglicherweise platzt Seehofer seine eigene Bayerische Koalition unter dem Hintern weg.
Katja Auer von der SZ malt genüßlich die Vorkommnisse in Seehofers Staatskanzlei in schwärzestem schwarz:
Der bayerischen Staatsregierung droht ein ernstes Zerwürfnis: Auf Steuerzahlerkosten hat die Staatskanzlei Studien in Auftrag gegeben, die insbesondere Strategietipps für die CSU enthalten. Unter anderem, wie sie die Liberalen am besten angreifen könnte. Pikantes Detail: Zu diesem Zeitpunkt war die FDP bereits Regierungspartner.
SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher hat inzwischen die CSU bei Norbert Lammert angezeigt - „versteckte Parteienfinanzierung“.
108.000 Euro hatten die CSU-Granden die Studie den Steuerzahler kosten lassen - viel Geld um dafür parteipolitische Tipps zu bekommen.
In der jüngsten Studie gaben die Demoskopen der CSU einen pikanten Tipp: Die Fokussierung in der politischen Auseinandersetzung solle auf SPD und Grüne, "eventuell auch die FDP erfolgen". Zu diesem Zeitpunkt regierten die Liberalen in Bayern allerdings schon seit drei Monaten mit. Im Sommer, vor der Bundestagswahl, griff die CSU-Spitze dann wochenlang die FDP heftig an.
(SZ)
SPD-Fraktionschef Rinderspacher: „Jetzt versteht man auch besser, warum sich die FDP als Gurkentruppe verhöhnen lassen musste"
Zwar wissen wir aus NRW, daß Lammert recht großzügig über finanzielle Verfehlungen seiner Parteifreunde hinwegsieht, aber da diesmal auch der Koalitionspartner FDP der Benachteiligte war (und nicht bloß Sozen und Grüne), dürfte es bei Münchner K.O.alitionsrunden derzeit etwas ungemütlich zugehen.
Die FDP fordert nun die Einberufung des Koalitionsausschusses und "eine lückenlose Aufklärung des Vorgangs" sowie "personelle Konsequenzen". In einem offenen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer kritisieren Wirtschaftsminister Martin Zeil und FDP-Fraktionschef Thomas Hacker am Donnerstag das Gebaren der Staatskanzlei scharf. Dadurch sei "die Grundlage unserer Zusammenarbeit" berührt. Die Staatskanzlei reagierte umgehend und versprach schnelle Antwort auf den Brief ebenso wie die geforderten Unterlagen. "Wenn dann noch Bedarf für die Einberufung des Koalitionsausschusses gesehen wird, findet dieser statt", hieß es knapp.
(SZ)
Wenigstens hat die Opposition mal was zu lachen.
Der SPD-Fraktionschef zu SPIEGEL ONLINE:
Er wolle nicht ausschließen, "dass Schwarz-Gelb in Bayern noch früher beendet ist als auf Bundesebene". Ist ein Koalitionswechsel der FDP in eine Regenbogenkoalition mit SPD, Grünen und Freien Wähler in Bayern denkbar? Er könne nicht erkennen, dass die FDP den Mut habe, "sich aus der Schicksalsgemeinschaft mit der CSU zu trennen", sagt Rinderspacher.
SPD-Landeschef Florian Pronold sagt, es habe trotz FDP und Seehofers Amtsübernahme in Bayern keinen "Traditionsbruch" gegeben: "Die CSU betrachtet den Staat weiterhin als Beute."
Auch die Kleinen können ihre Häme kaum verbergen.
Die Grünen zeigen Verständnis dafür, dass die FDP nun die Koalitionsfrage stellt. "Was sich die CSU mit ihren verkappten Wahlkampftipps auf Steuerzahlers Kosten geleistet hat, ist der größtmögliche Affront gegen den Koalitionspartner", sagte die Fraktionsvorsitzende Margarete Bause. Die Liberalen seien von der CSU "regelrecht am Nasenring durch die Manege gezogen worden". Die bisherigen Rechtfertigungsversuche der Staatskanzlei überzeugen Margarete Bause nicht. "Die CSU hat sich hier ganz offensichtlich in alter Filztradition vom Steuerzahler ihre Parteiarbeit bezahlen lassen", sagte sie. Und das Ganze auch noch dreist vertuscht. Die Grünen hätten selbst schon seit Jahren von der Staatsregierung gefordert, mit Steuergeld bezahlte Untersuchungen zu veröffentlichen. Doch den Grünen ging es wie der SPD - die Staatskanzlei weigerte sich hartnäckig. Man wolle an der "langjährigen Übung" festhalten, solche Umfragen nicht zu veröffentlichen, hieß es.
Hubert Aiwanger, der Chef der Freien Wähler, ist über die Studien kaum verwundert. Das sei "typisch für die bisherige Einstellung der CSU", kritisiert er. Die Christsozialen agierten, als sei "Bayern zum Plündern freigegeben".
(SZ)
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