TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Montag, 16. Januar 2012

Bilder

Eine der erstaunlichsten Veränderungen der letzten 200-300 Jahre ist unser Verhältnis zu Bildern.
Noch im 18. Jahrhundert sah ein durchschnittlicher Europäer in seinem ganzen Leben nur rund 50 farbige Bilder.
Kunstmalerei mit Ölfarben war unglaublich teuer; so daß nur Aristokraten und besonderes Reiche sich Gemälde anschaffen konnten.
Smartphones, Fernseher oder Illustrierte waren damals selten.
Die Untertanen hatten praktisch nur in der Kirche die Möglichkeit ein echtes Bild zu sehen und dürften entsprechend fasziniert und beeindruckt von Altarmalereien gewesen sein.

Das Pensum eines ganzes Lebens, 50 Bilder, schafft heute jedes Kind in einer halben Minute am PC oder vor der Glotze. Eine Seniorin im Wartezimmer einer Arztpraxis benötigt nicht mehr als fünf Minuten.

Könnte man einen Mensch aus dem Jahr 1712 in eine heutige großstädtische Einkaufspassage mit all den Werbeplakaten und Bildschirmen beamen, erlitte er vermutlich ganz schnell einen Informationsoverkill, sowie einen gewaltigen Knoten in der Großhirnrinde.

In Abbildungen stecken enorme Informationsmengen, wie jeder Computeruser beim Speicherplatzverbrauch bemerkt haben wird.

Offensichtlich hat sich unsere Aufmerksamkeit für optische Reize aber stark verschoben.
Eigentlich dauert es verblüffend lange bis man vom TV-Glotzen gaga wird. Der Mensch des 20. und 21. Jahrhunderts ist völlig abgestumpft.

Dennoch sind optische Reize auch heute noch viel stärker als Informationen, die über das gesprochene oder geschriebene Wort aufgenommen werden.
Zu den ersten, die die Macht der Bilder begriffen, gehörten Joseph Goebbels und Leni Riefenstahl.
Letztere war vermutlich nicht besonders intelligent und wohl auch kein übermäßig liebevoller Charakter, aber sie hatte eine unfassbare Begabung und „ein Auge“ wie es nur einmal in 100 Jahren vorkommt.

Auch 70 oder 80 Jahre später kann man sich der Faszination ihrer „Werke“ kaum entziehen.
Ich nehme an, daß sie deshalb im Gegensatz zu den anderen berühmten NS-Künstlern wie Arno Breker, Zarah Leander, Heinz Rühmann oder Veit Harlan tatsächlich ihr Leben lang (sie starb erst 2003 im Alter von 101 Jahren) nicht mehr in ihrem Ur-Metier (als Regisseurin) arbeiten konnte.
Sie war so gut in ihrer Sparte, daß es stets unheimlich blieb sich mit ihren Filmen und Bildern zu beschäftigen.
Im Gegensatz zu ihren Klagen sie habe „Berufsverbot“ gehabt und solle „totgeschwiegen“ werden, ist Riefenstahl tatsächlich kontinuierlich immer berühmter und bedeutender geworden.

Es mögen zwar viele heutige „Künstler“ nicht mehr ihren Namen kennen, aber ich behaupte, daß jeder Werbephotograph und jeder PR-Filmer weltweit von ihr beeinflusst ist.
Ihre Methoden, um mit Kameraeinstellungen, Filtern und Schnitt Effekte zu erzielen, sind heute noch das Maß der Dinge.

Die Macht der Bilder ist so immens, daß außer Kontrolle geratene Photos das Weltgeschehen beeinflussen können.

Die USA hat das im Vietnamkrieg erlebt. Einem Krieg, in dem Pressephographen nahezu ungehindert knipsen konnten was sie wollten.

Daraus lernte die US-Regierung und versuchte bei späteren bewaffneten Eingriffen unter allen Umständen die Bilderflut zu kontrollieren.
Schließlich weiß man, daß man die größten Massaker ohne Konsequenzen anrichten kann (Ruanda 1994!), wenn „die Welt“ nur davon hört und liest, aber es nicht sieht.

George Bush Senior hielt die Zügel bei der ersten Attacke auf den Irak (1990/1991; auch „zweiter Golfkrieg“) straff in der Hand. Die Welt sah nur, was die US-Armee erlaubte.

Obschon sein Sohn GWB nicht eben als intelligent bekannt war, wollte auch er die Bilder seines Irakkrieges stark kontrollieren.
Berichten durften nur US-genehme „embedded journalists“.
Blöd nur, daß es inzwischen Al Djassira und Al Arabia gab, die zwar von den Amerikanern boykottiert wurden, aber dennoch laufend berichteten.

Noch schlimmer: Im Gegensatz zu Papas Krieg von 1990 hatten die GIs inzwischen durch die Bank weg Laptops, Digitalkameras und Mobilphones.
Und so kam es zu Abu Ghraib; einer Megagrausamkeit, die sich von anderen Kriegsgräueln dadurch unterschied, daß sie publik wurde.

Wie schon bei 9/11 selbst war damit den Amerikanern ein vernichtender Schlag verabreicht worden.

Das Wohlwollen der muslimischen Welt, das sich die Bush-Administration inzwischen so sehr wünschte (2003 dachte man allerdings noch, es ginge auch ohne), war nach den Sexfolter-Bildern aus Saddams altem Gefängnis nicht mehr zu bekommen.

Es war egal wie viele Milliarden Dollar die USA wöchentlich in den Irak pumpte; sie hatte generell verschissen.
Das war und ist so wie bei der FDP 2011. Wer einmal so tief im negativen PR-Sumpf steckt, kann strampeln, wie er will. Es gibt kein Entkommen.

Jeder Mensch der arabischen Welt, vom Säugling bis zum Greis, hat die Quäl-Bilder der US-Soldatin Lynndie England von 2006 für immer in der Hirnfestplatte eingebrannt.

Da können auch Myriaden Entschuldigungen von höchsten Stellen und Tausende Goodwill-Gesten nichts ändern.

Solche Bilder sind der Mega-GAU, geradezu die Giga-GAK für eine Supermacht.
Sie sind effektiver als jedes Waffenarsenal.

Es ist durchaus erkennbar, daß Obama und die Armeeführung inzwischen außerordentlich bemüht sind, daß solche Bilder nicht erneut entstehen und um die Welt gehen.

Geklappt hat das allerdings nicht.
Immer wieder sickern solche Ereignisse durch und sind sehr schwer einzufangen.

2006 wurde bekannt, daß deutsche Soldaten um 2003 in Afghanistan ein lustiges Photoshoting mit Gebeinen toter Afghanen veranstaltet hatten.

Nach so einem Vorfall stellt sich nur die Frage, ob der Verteidigungsminister oder die Kanzlerin selbst auf der Stelle zu Karsai fliegt, um sich vor ihm um Entschuldigung bittend in den Staub zu werfen.
Eine außenpolitische Binse, die jeder verstand - außer dem Verteidigungsminister Jung, der wie ein beleidigtes Vorschulkind rumjammerte, er sei doch noch gar nicht im Amt gewesen, als die Bilder geknipst wurden.

Im Frühjahr 2010 waren es erneut Amerikaner, die in der Provinz Kandahar als „Kill-Team“ aus purem Vergnügen Afghanen töteten.
Nach dem Auftauchen der Bilder, wurden die Täter identifiziert und schließlich in Rekordzeit abgeurteilt.
Unteroffizier Calvin Gibbs bekam nach nur einer Woche Verhandlung sein „lebenslänglich.“

Beliebt sind die Amerikaner aber nicht mehr in Afghanistan.

Dem Ansehen endgültig das Genick gebrochen hat vermutlich der neueste Bilder-Skandal, nämlich das sogenannte „Urin-Video.“



US-Soldaten urinieren auf getötete Aufständische und lassen sich dabei filmen: Das Skandalvideo von US-Militärangehörigen hat Empörung und Bestürzung in Afghanistan und den USA ausgelöst.
Die Soldaten auf dem Video erinnern an ein paar Halbwüchsige, die bei einem Klassenausflug zu tief ins Glas geschaut haben. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass sie ihre Notdurft nicht in Büschen entrichten, sondern auf Kämpfern der Taliban, die sie oder andere kurz vorher getötet haben. „Ich wünsche Dir einen guten Tag, Freundchen“, höhnt ein Marineinfanterist, der mit seinem Scharfschützen-Team aus Camp Lejeune in den USA nach Afghanistan abkommandiert worden ist. „Warm wie eine Dusche“, legt ein Kamerad nach. Ein dritter fragt: „Hast Du alles auf Video?“, worauf der Kameramann mit einem „Yeah“ entgegnet.
(FR 13.01.12)



Immerhin sind Hillary Clinton und Leon Panetta offensichtlich klüger als Franz-Josef Jung und verdammten die US-Soldaten sofort öffentlich und unmissverständlich.

Jeder Amerikaner mit mehr als drei Gehirnzellen muß, wenn schon nicht beschämt, dann wenigstens frustriert darüber sein, welch riesengroßer Schaden den Afghanisch-Amerikanischen Beziehungen zugefügt wurde.

Rick Perry allerdings hat offenbar noch nicht mal drei Hirnzellen.

Er findet es halb so wild was da passierte und warf stattdessen Präsident Obama vor seine Soldaten zu missbilligen, wenn er es wage die Urin-Spielchen zu kritisieren.
"18- oder 19-jährige Kinder machen viel zu oft blöde Fehler und das ist hier passiert" fuhr der Gouverneur von Texas fort, strafrechtliche Konsequenzen wären völlig fehl am Platze.

Die Welt empört sich über ein Video, auf dem US-Marines auf tote Taliban urinieren. Der amerikanische Pannen-Kandidat Perry findet alles nicht so schlimm – und wirft stattdessen Obama „Geringschätzung“ des Militärs vor.
Kids machten dumme Fehler, so sei das eben, sagt der republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Perry.
Weil Kids eben gerne Streiche spielen, findet Perry, solle das jüngste Skandalvideo aus Afghanistan für die Beteiligten kein gerichtliches Nachspiel haben.
Er findet es offenbar nicht besonders schlimm, dass junge Marines über mutmaßlich tote Taliban pinkeln, in einem Video, das dann auch noch auf Youtube die Runde macht.
Stattdessen richtet sich seine Wut gegen die Verwaltung Obamas, welche die Taten gleich entschieden verurteilt hat und ankündigte, die Beteiligten müssten hart bestraft werden.
Empörung = Geringschätzung des Militärs?
„Was mich wirklich verstört, ist die überzogene Rhetorik der Verwaltung und ihre Geringschätzung für das Militär“, sagte Perry.
(Jonas Nonnenmann 16.01.2012)

So viel zum Thema „GOPer können einen mit ihrer Dümmlichkeit nicht mehr überraschen.“

2 Kommentare:

jakebaby hat gesagt…

Hierzu noch jemand, die das Anpinkeln eher unterstuetzt: "Pamela Geller “loves” the soldiers pictured above urinating on dead corpses. According to her it may be the “infidel interpretation of the Islamic ritual of washing and preparing the body for burial.”"
http://www.loonwatch.com/2012/01/pamela-geller-loves-soldiers-who-urinate-on-dead-corpses/

Und noch einen vom totalverbloedeten Ueberdepp: http://www.loonwatch.com/2012/01/rick-perry-suggests-turkey-should-be-kicked-out-of-nato-calls-leaders-islamic-terrorists/

Ja, und wenn heute wieder die Grauslichkeiten ueber die Bildschirme flimmern und in den Headlines waeren wie damals ueber 'Nam, waere das mit den andauernden Schlachtereien auch nicht mehr so 'beliebt.

Gruss
Jake

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Glückwunsch Jake!

Der heutige Pokal des Irrsinns geht mal wieder an die USA!


Unglücklicherweise war GWB aber doch schlau genug, um die freie Presse gleich abzuschaffen, als es in den Irak und nach Afghanistan ging.

Ich könnte mir vorstellen, daß er bei einer NAM-artigen Bilderflut schon 2004 gar nicht mehr wiedergewählt worden wäre....

Allerdings haben sich ja in den ersten Kriegsjahren die amerikanischen Medien freiwillig alle die Eier abgeschnitten und wollten auch nichts senden, schreiben, sagen, was die Kriegsbegeisterung gestört hätte....

Die dreieinhalb Kritiker der ersten Stunde (Penn, Sontag, Moore, etc...) wurden ja eine lange Zeit bestenfalls ausgelacht, wenn nicht gar bedroht und bepöbelt.

LGT