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Mittwoch, 2. März 2011

Bildungsferne

Der gestrige Rücktritt des Lügenbarons führt zu einem interessanten Paradoxon.

Einerseits wird darüber dermaßen breit diskutiert, daß inzwischen schon Guttenberg-Kritiker Mitleid mit ihm bekommen, weil es so enorm massiv wäre, wie aus allen Rohren Vorwürfe gegen ihn abgeschossen würden.

Dabei sei er doch zweifellos eins der größten politischen Talente der letzten Dekaden.
Allerlei Prinzessinnen und Gräfinnen drängten sich in den Talkshows des gestrigen Abends und überschlugen sich mit Begeisterungsstürmen für ihren adeligen Standeskollegen.

Was aber war Guttenbergs Begabung?
Angesichts seiner politischen Arbeitsverweigerung und seines Meinungs-Zickzacks bin ich versucht unter dem Punkt „Guttenbergs Begabungen“ TARNEN, TRICKSEN UND TÄUSCHEN einzutragen.
Aber selbst das stimmt ja nicht, denn seine Plagiate waren so grob und ungeschickt, daß sie sofort auffielen.
Wer kann denn so doof sein, gleich die Einleitung der eigenen Doktorarbeit aus einem Zeitungsartikel abzukupfern?

Was also ist an dem Politiker Guttenberg so talentiert?
Das habe ich immer noch nicht verstanden.

Andererseits gibt es die paar Hunderttausend begeisterten Guttenberg-fans auf facebook, die seine sofortige Rückkehr fordern.
Und dann gibt es die BILD-Gruppe, die den Ex-Dr. und Ex-Minister und Ex-Bundestagsabgeordneten wie einen Messias verehrt.
Sie alle verstehen nicht weshalb der Googleberg wegen solcher „Lappalien“ kein Minister mehr sein kann.

Guttenbergs Parteifreunde schimpfen über die vermeintliche "Kampagne" von Medien und Opposition, doch sie merken nicht, wie ihnen die seit jeher hoch gehaltenen bürgerlichen Werte entgleiten: Anstand, Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit. Und der stürzende Star selbst empfindet die Angriffe nicht nur als hart. Er findet sie in Teilen ungerecht. Geradezu unerhört. So jedenfalls kommt das rüber, als er Medienvertretern mehr Selbstkritik empfiehlt. Im Bundestag erklärt er sich in seinem Umgang mit der Affäre gar zum Vorbild.
(Sebastian Fischer und Matthias Gebauer 01.03.2011)

Offensichtlich reden hier Rücktritts-Gegner und Rücktritts-Befürworter aneinander vorbei.
Sie leben noch nicht mal in derselben Welt.

Der entscheidende Unterschied lautet „Bildung.“

Jeder, der auch mal in den akademischen Betrieb hinein geschnuppert hat, ist empört über Guttenbergs Performance.
Daher war die Genugtuung der gesamten akademischen Bevölkerung auch einheitlich heute.
Bei ihnen allen hatte der Gegelte sämtliche Sympathien verspielt. Insbesondere bei den Juristen, obwohl diese traditionell eher konservativ sind.

Guttenberg, ganz der Politprofi, hat versucht, sich mit den üblichen Tricks - Dementi, Ironie, einsetzende Betroffenheit, Verweis auf die wichtigen Aufgaben - aus der Affäre zu winden. Gewiss, da waren die Medien, auch diese Zeitung, die nicht lockerließen. Das war bei anderen Politikern zu früheren Zeiten von Strauß über Scharping bis Fischer auch nicht anders. Entscheidend für Guttenbergs als Rücktritt getarnten Sturz aber war, dass er durch den Versuch der Verschleierung des Plagiats und dessen Bagatellisierung ("einige Fußnoten") Universitäten, Institute und die akademische Gemeinde gegen sich aufbrachte.
Fast jedem, der ehrlich und hart an einer wissenschaftlichen Arbeit gesessen hat, schwellen die Zornesadern, wenn ein adeliger Abgeordneter als externer Promovierender ein "summa cum laude" mit einer zusammengeklebten Arbeit abräumt. Dieser Zorn brach sich Bahn im Internet, wo eine Website das Ausmaß der Doktor-Schande dokumentierte. Guttenberg ist letztlich darüber gefallen, dass er die Wissenschaft verhöhnt hat.
(Kurt Kister 01.03.2011)

Guttenberg, der Plagiator, der Schummler und Blender operiert geistig aber schon längst auf BILD-Niveau.
Dort herrscht eine regelrechte Intellektuellenfeindlichkeit und man lacht sich gerne eins ins Fäustchen über die vermeidlichen akademischen Pfennigfuchser, die sich über ein paar Zitate erregen.
Guttenberg und seine Koalitionsfreunde dachten man könne die Universitäten, die sich in ihrer Ehre gekränkt fühlten einfach aussitzen.

Doch dann hat sich die Wissenschaft erhoben; spät, dafür umso deutlicher. Die Wissenschaft ist eine Welt, von der die meisten Menschen nichts verstehen. Aber sie ist geachtet. Und sie entzieht sich dem üblichen Schema der Politik, der Freund-Feind- Welt der Parteien. Das Wort „Kampagne“, mit dem Guttenbergs politische Freunde ihn anfangs zu retten versuchten, ist lange nicht mehr gefallen. Tausende Wissenschaftler, die Protest erheben, sind keine Kampagne, sondern eine sehr, sehr ernste Sache. Wissenschaftsministerin Schavan sah sich genötigt, sich für Guttenbergs Doktoreien zu „schämen“. Ein starkes Wort. Doch es drückt aus, was viele in CDU, selbst CSU heimlich empfanden. Dass Guttenberg sie für seine Untaten in Mithaftung genommen hat, schuf Berge von stiller Wut.
(Robert Birnbaum 01.03.2011)

Die Welt der Bildung ist aber für die Majorität der Deutschen eine Ferne.
Und zwar im negativen Sinne fern; nicht so wie beispielsweise das ferne Tahiti, das üblicherweise vom Plebs positiv konnotiert wird.
Deutschland hat nicht nur eine bildungsferne Schicht, einen geistigen Bodensatz, sondern ein stabiles, festes und tiefes Fundament aus Idioten.
Bei einer Reichweite von 13 Millionen Lesern kann man bei der BILD nicht von einer überschaubaren Schicht sprechen; nein es wird in gewaltigem Ausmaß systematisch verblödet.

Neben diesen 13 Millionen partiellen geistigen Analphabeten, gibt es in Deutschland zusätzlich noch 7,5 Millionen reale Analphabeten, die tatsächlich nicht schreiben und lesen können.

Ja, ich weiß, Analphabetismus ist keine Frage der Intelligenz, aber Analphabetismus schließt die Menschen aus, sperrt sie vom Informationszufluß ab und fördert ihre geistige Verödung.

Ein Siebtel der Erwachsenen in Deutschland sind betroffen.

In Deutschland können etwa 7,5 Millionen Erwachsene keine einfachen Texte lesen oder schreiben. Damit zählten mehr als 14 Prozent der Erwerbsfähigen zu den sogenannten funktionalen Analphabeten, heißt es in einer Studie der Universität Hamburg. Diese können nur einzelne Sätze, nicht aber zusammenhängende Texte lesen und schreiben.
Damit sind hierzulande doppelt so viel Menschen vom funktionalen Analphabetismus betroffen als bislang gedacht. Zwei Millionen von ihnen scheitern der Studie zufolge schon an Sätzen, 300.000 Menschen sogar an einzelnen Wörtern. Analphabetismus im engeren Sinne zeigt sich damit bei etwa vier Prozent der Bevölkerung.
Die Hamburger Professorin Anke Grotlüschen hatte für die Studie mehr als 8000 Erwachsene befragt. Damit lägen nun erstmals umfassende Zahlen über den Analphabetismus vor, sagte die Wissenschaftlerin. Bisher gingen Schätzungen von etwa vier Millionen Menschen mit funktionalem Analphabetismus aus. 60 Prozent sind Männer, 40 Prozent Frauen. Menschen mit höherer Bildung stellen 12 Prozent der funktionalen Analphabeten.
(Zeit 28.02.2011)

Die enorme Zahl der deutschen Analphabeten zeigt aber noch etwas anderes:
Wir sind zu Recht die dummen PISA-Krüppel Europas.

Denn was sagt das eigentlich über Niveau deutscher Schulen, wenn man dort Abschlüsse erreichen kann, ohne schreiben und lesen zu beherrschen?

Sechs Millionen der insgesamt 7,5 Millionen funktionalen Analphabeten haben in Deutschland einen regulären Schulabschluß erworben.

Zusammen mit den BILD-Lesern sprechen wir also von mindestens 20 Millionen Verblödeten.

Immerhin sind wir mit dieser Zahl der Erklärung für die Wahlergebnisse der Koalition ein Stück naher gekommen.

FDP (6,3 Mio Stimmen 2009), CSU (2,8 Mio Stimmen 2009), CDU (11,8 Mio Stimmen 2009)

4 Kommentare:

Homer Simpson hat gesagt…

Am Ende ist es etwas unscharf. Die Wähler von FDP, CDU und CSU zeichnet vor Allem der Mangel an Skrupel aus. Der Gebildete, wählt hingegen häufiger sozial. Er kann sein Wissen eben auch anwenden und nicht nur wiedergeben.

Was Guttenberg für viele so interssant macht, ist sein Selbstbewußtsein. Er konnte freie Reden halten und man hörte ihm zu. Viele wollen jetzt gern wissen, warum das so war.

Ich glaube, sein "Geheimnis" zu kennen. Er war wirklich "selbst bewußt". Schwächen hatte er zu genüge. Er akzeptierte diese als ein Teil von sich. Und jemand, der Schwächen einräumen kann, ist den Menschen nunmal sympatisch. Es macht ihn vertrauenswürdig und lässt ihn weniger gefährlich erscheinen. Zudem hatte er einen klaren Standpunkt zu seinen Schwächen. Er machte sich selbst daran nicht fest.

Wenn er bei seiner Vita aufblas und sich seine Dissertation erschummelte, tat er das in Verständnis um seine eigenen Unzulänglichkeiten. Er, der "überforderte" Familienvater und aufstrebende Politiker, wollte nur den Ansprüchen genügen, die man an ihn stellte. Vermutlich sieht er sich deshalb nicht als Verantwortlichen bzgl. des Betrugs.

Wenn man seinen Lebenslauf im WIKI nachliest, hat er wirklich nicht viel zustandebekommen. Das er überhaupt so hoch in die Politik kam, ist allein der Verdienst seines Selbstbewußtseins. Nicht für Erreichtes, sondern wegen seines Verständnisses für sich selbst und seiner "Beschränktheit".

Und da niemand perfekt ist, macht ihn das einfach sympatisch. Sein Anspruch war nicht Ehrlichkeit im Sinne von Rechtschaffenheit, sondern von Ehrlichkeit zu sich selbst. Das ehrt ihn natürlich nicht in seinen Leistungen. Er bezog seine Stärke aus seiner Selbsttoleranz. Und jemand, der so tolerant sich gegenüber ist, kann frei auftreten. Der darf auch mal schwindeln und arrogant sein. Sowas, nimmt er selbst an sich wohl wahr. Er lässt es aber nicht wirklich als eigenen Fehler an sich heran. Schließlich hat jeder Mensch solche Tendenzen. Das zu verleugnen, vergeudet nur Kraft.

Ist er nun geeignet für ein hohes Amt? Wenn man sich die Minister um Merkel und sie selbst anschaut, ist Guttenberg nicht weniger Redlich als viele Andere. Das ist aber leider kein gutes Zeugnis.

Was mir aber jetzt auffällt, ist der wachsende Druck der Öffentlichkeit auf die Regierenden. Guttenberg ist ja auch dank der Internetgemeinde so beharrlich verfolgt und überführt worden. Nordafrika ist ein weiteres Beispiel. WikiLeaks nenne ich hier als Stichwort auch mal. Auch an Stuttgart21 zeige sich, wie viel Macht die "neue" öffentliche Meinung hat, die sich auch hierzulande gegen Regierungen formiert.

Möglich, dass das Internet mehr verändert als bisher vermutet. Es ist die "moderne Aufklärung" im gange. Die Freiheit des Internets, wird zur realen Freiheit. Einfach aufregend und toll!

jakebaby hat gesagt…

Gerade wurde mir wieder uebel.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Welche Schwächen hat Guttenberg denn selbst je eingeräumt und zugegeben?
Ich bin mir eigentlich sicher, daß er sich selbst für absolut großartig hält und sich dementsprechend auch alles zutraut.
Was ihn so beliebt gemacht hat, ist gerade seine Selbstverliebtheit, die ihn tagein tagaus in die Yellowpress getrieben hat, wo er ausführlich Striptease machte. Wetten, dass , BILD, Bunte, kein Tag, an dem er nicht eitel Selbst-PR machte. Er reiste sogar mit eigenen Hofphotographen und nahm seinen eigenen Showmaster mit nach Afghanistan.

Wenn er um seine Schwächen gewußt hätte, hätte er nicht noch großartige Politaufsätze für die Hanns-Seidl-Stiftung und Dissertationen für einen der renommiertesten Strafrechtsprofessoren verfassen wollen, obwohl er das (intellektuell) gar nicht konnte.

LGT

jakebaby hat gesagt…

Dein 20 Millionen-Vergleich scheint genial akkurat.
Wenn ich dann noch 20% Kinder/Jugendlich-Wahlunberechtigte, 20%'Senile und 30%Nichtwaehler abziehe, bleibt wirklich nur noch BLOED.

Gruss
Jake