Montag, 10. Oktober 2011
Wat los Wowi?
In der Stadt Berlin mit ihrer exponierten Lage zwischen Ost und West wechseln die Bürgermeister erstaunlich wenig.
Willy Brandt und Klaus Schütz regierten jeweils fast zehn Jahre, der ewige Diepgen war insgesamt fast 16 Jahre im Amt und Wowereit ist nun auch schon über zehn Jahre dran.
Interessanterweise stellte in den letzten 30 Jahren, seit der Amtsübernahme Richard von Weizsäckers am 11. Juni 1981 achtzehn Jahre die CDU den Regierungschef im roten Berlin.
Damit ist es allerdings seit einer Dekade vorbei. Die Berliner CDU hatte sich durch unterirdische Provinzdeppen wie Frank Steffel zum peinlichsten Landesverband entwickelt und ist nun schon ganz aus dem Häuschen vor Glück es bei einer Wahl auf über 20% gebracht zu haben.
Jetzt fallen auch noch Weihnachten und Geburtstag auf einen Tag dachte sich CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel, als der „nette Bürgermeister“ Wowereit die Grünen vor die Tür setze und die Abgesandten Merkels einlud in die Regierung zu kommen.
Und nun sind alle sauer. Die Linken in der SPD. Die Wähler, die Bundes-SPD und natürlich die Grünen.
Ich bin auch sauer.
Erstens weil ich der 2011er CDU nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönne. Zweitens, weil ich es absolut unangebracht finde, daß Merkel sich jetzt damit sonnen kann eine Landesregierung erobert zu haben und drittens weil ich es für strategisch unverantwortlich halte vier rotgrüne Bundesratsstimmen ohne Not zu neutralisieren (die wird Bundeskanzler Steinbrück noch dringend benötigen!). Viertens weil ich es für eine Pervertierung des Wählerwillens halte, wenn ein Parlament, welches so klar links der Mitte verortet ist, ausgerechnet die 23%-CDU in die Regierung wählt.
Die Parteien, die man gemeinhin zum linken Spektrum zählt verfügen im Berliner Abgeordnetenhaus über eine satte Mehrheit von 113 Sitzen (SPD 48, Grüne 30, Linke 20, Piraten 15), während aus der rechten Seite lediglich 39 CDU-Stimmen versammelt sind.
Das sind fast 75% links und 25% rechts.
Nach der Höchststrafe für die FDP (1,8%) kann man eindeutig sehen, was „die Wähler“ von schwarzgelb halten.
Und da holt sich Wowi, das kuschelige Wowibärchen die CDU ins Boot?
Geht es noch?
Ich starte mal einen Erklärungsversuch.
Erstens ist das Bild vom Wowi, den alle liebhaben, zwar ein nettes Image, aber wenig realistisch. Einen Landesverband und eine Regierung so lange zu prägen, ohne auch Arschlochqualitäten zu haben, ist vermutlich unmöglich.
Constanze von Bullion beschreibt den Bürgermeister heute wie folgt:
Man muss diskutieren, Klaus Wowereit spricht von sich gern in der dritten Person, das hält Persönliches und das Gegenüber auf Distanz. Insistiert das Gegenüber, auch bei anderen Themen, nimmt er schon mal eine drohende Haltung ein. Und dann? 'Kann ich auch laut werden.' So laut, dass mancher Ministerpräsident schon das Weite suchte und manchem Mitarbeiter eine fehlerhafte Vorlage um die Ohren geflogen sein soll. Wowereit kann mit Spott verletzen, gezielt demütigen, sagt eine langjährige Mitarbeiterin. Inkompetenz, sagt Wowereit, darauf reagiere er instinktiv. 'Ich bin ein fleißiger Mensch, sehr fleißig.' Er könnte aber auch faul sein, sagt er, rein theoretisch, 'wenn es zulässig wäre'.
(SZ, 10.10.2011)
Da ist die knappe Mehrheit von einem Sitz für RotGrün.
Wowereit hat vermutlich keine Lust sich die nächsten fünf Jahre von jedem einzelnen Grünen erpressen zu lassen.
Wenn schon eine einzige Stimmenthaltung des Koalitionspartners „keine Mehrheit“ bedeutet, liegt der Regierungschef an der ganz kurzen Leine.
Das muß nicht schlimm sein und kann disziplinierend wirken, wenn ein gewisses Grundvertrauen besteht, aber damit komme ich zum zweiten Problem:
Wowereit mag Künast und Ratzmann nicht.
Er traut ihnen nicht weiter als er spucken kann.
Tatsächlich gab sich Frau Künast einige Wochen so siegessicher als künftige Regierende Bürgermeisterin, daß sie den Amtierenden gar nicht mehr wahrnahm.
Nachdem es Kretschmann im stramm konservativen BW geschafft hatte, sollte es doch in der Grünen-Hochburg Berlin ein Leichtes sein das zweite Bundesland zu erobern.
Künast signalisierte dem Amtsinhaber, daß er gar nicht mehr gefragt würde, weil sie ihn einfach platt zu walzen gedenke.
Und als ihre Umfragen bröckelten, hielt sie sich bis drei Wochen vor der Wahl die Option offen sich von der CDU ins Amt wählen zu lassen.
Wowereit, der sich als Apotheose Berlins betrachtet schäumte.
Insbesondere ärgerte ihn mit welchen Themen die Grünen so erfolgreich wurden.
Mit Auschließeritis.
Grüne sind seit einigen Jahren nicht mehr nur gegen Atomkraft, sondern gegen fast jedes große Infrastrukturprojekt.
Sie lehnen eine Elbvertiefung ab, protestieren gegen Stuttgart 21, gegen den Bau von Europas größtem Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg, gegen neue Startbahnen der Flughäfen München und Frankfurt und eben auch gegen die 3,2 km Autobahn A100 in Berlin.
All das soll es mit ihnen nicht geben.
Für einen Regierungschef, der zehn Jahre praktische Politik macht, muß es eine Pest sein zu erleben wie eine Oppositionspartei mit einem „wir sind gegen alles“ in den Umfragen immer höher klettert.
Die Grünen sind sich aus Wowereits Sicht einfach zu sicher und glauben sich alles erlauben zu können.
3,2 km Autobahn? Sind die so wichtig, mag sich Wowereit gefragt haben.
Immerhin haben die Grünen 2008 in Hamburg auch harten Kampf gegen Moorburg und „K-Ohle von Beust“ geführt, nur um dann doch mit der CDU ins Bett zu hüpfen und schließlich das Monsterkraftwerk ausgerechnet von der Grünen Senatorin Hajduk genehmigen zu lassen.
Immerhin haben die Grünen in BW auch eine Koalition mit der SPD, die eine grundsätzlich andere Auffassung in der Stuttgart21-Frage hat.
Der Unterschied ist der, daß sich Kretschmann und Schmid offensichtlich gegenseitig vertrauen.
In Berlin stellten sich die Grünen aber 100% stur.
Stur und auch noch dumm, indem sie ständig suggerierten, sie könnten die 420 für die Autobahn geplanten Euros besser für andere Zwecke verwenden - als ob CSU-Minister Ramsauer ihnen den Gefallen täte!!
Weiter heißt es - dies hatten die Grünen vorgeschlagen - man werde versuchen, die 420 Millionen Euro, die der Bund für die A 100 zahlen wolle, umzuwidmen. Statt in einen Neubau wolle Rot-Grün das Geld in bestehende Autobahnen oder in noch zu planende Projekte stecken. So ginge es Berlin nicht verloren. Was fehlt am Ende dieser vier Sätze, ist eine Schlussfolgerung. Offenbar konnte man sich darauf nicht einigen. Was passiert, wenn die Umwidmung der Bundesgelder scheitert? Dies nämlich zeichnet sich ab. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beschied Rot-Grün mit großer Geste und aktueller Stunde im Bundestag, die Umwidmung sei "unmöglich". Wer meine, er könne "irgendwo Geld hinräumen, wo es nicht hingehört", habe die "Rechnung ohne den Bundesverkehrsminister" gemacht. Haben die Grünen sich verrannt, einem CSU-Minister die Zukunft ihrer Koalition anvertraut? Werden sie am Ende die A100 doch bauen? Schon regt sich Protest an der grünen Basis. Kreuzbergs Dauerbürgermeister Franz Schulz droht für diesen Fall mit Parteiaustritt.
(SZ, 29.09.2011)
In den Verhandlungen waren die Grünen immer noch so aufgeblasen, daß sich Fraktionschef Ratzmann beispielsweise zu fein war ans Telephon zu gehen, wenn Wowereit anrief.
Die Grünen, um es kurz zu machen, haben ihre Kräfte überschätzt in diesem Wahlkampf, sie haben strategische Fehler gemacht und ein Ergebnis eingefahren, das zu gut war, um zu kapitulieren, aber zu schlecht, um harte Forderungen stellen zu können. Vor allem aber haben sie Wowereits Zuneigung überschätzt, sind gutgläubig wie Schafe in seinen Bau getapst nach der Wahl. Vielleicht dachten sie, da drin wohnt ein netter Kuschelbär, der mal eben eine Autobahn einstampft, auch sonst Appetit auf neue Ideen hat und es ihnen dann so richtig schön macht im rot-grünen Zuhause.
Wowereit hat sich das eine Weile angesehen. Er hat bei drei Treffen den Anführer der Schafe beschnuppert, Volker Ratzmann, den Fraktionschef der Grünen. Der hat nach dem Abgang von Renate Künast die Führung der grünen Herde übernommen in Berlin, und er ist keiner, der sich für ein Schaf hält. Im Gegenteil. Ratzmann ist Wowereit nicht unähnlich. Groß gewachsen. Selbstbewusst. Nicht bereit zur Unterwerfung. Wowereit wusste, dass er mit der CDU eine viel bequemere Mehrheit haben könnte als mit den Grünen. Er hat geschnuppert, und er hat nicht gemocht, was da in seine Nase stieg. In der Nacht vor dem Blutbad soll er noch mal versucht haben, den grünen Anführer anzurufen. Aber der ging nicht ran. Wenn der Leitwolf anruft, hat ein Schaf ranzugehen.
(Constanze von Bullion 10.10.11)
Von solchen realitätsentrückten Typen wollte sich Wowereit offensichtlich nicht auf der Nase rumtrampeln lassen.
Also zog er die Reißleine und Künasts völlig überzogene Reaktion gibt ihm a posteriori Recht.
Zeternd ziehen Grüne jetzt über Wowereit und, einmal in Rage, sippenhaftig über die ganze SPD her:
Die frühere Spitzenkandidatin der Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Renate Künast, verwies auf die Werte ihrer Partei: "Grüne denken an die Glaubwürdigkeit." Zugleich geht Künast von nachhaltigen Folgewirkungen der gescheiterten Verhandlungen für die Zukunft von Rot-Grün insgesamt aus. "Ich bin mir sicher, kein Grüner wird das der SPD vergessen", was mit Wowereit in Berlin passiert sei, drohte Künast in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung. "Denen ist diese Stadt doch völlig egal, während sich die Grünen um eine Idee für die gesamte Stadt gekümmert haben", sagte Künast.
[…] Sie habe den Eindruck gehabt, Wowereit führe "Kapitulationsverhandlungen eines potenziellen Partners und nicht Koalitionsverhandlungen", sagte Künast im ZDF-Morgenmagazin. Sie befürchtet auch Auswirkungen auf künftige Koalitionen: "Das Signal in den Bund ist nicht unbedingt positiv."
(SZ 06.10.11)
Fast möchte ich sagen: Geschieht den Grünen Recht, daß sie aus der sicher geglaubten Regierung geflogen sind!
Was bilden die sich eigentlich ein nun mit Rache und Konsequenzen für den Bund zu drohen?
Künasts verletztes Ego darf sich nicht auf die Politik im Bundestag auswirken.
Die Frau hat sich nicht im Griff.
Außerdem hat selten jemand direkt im Glashaus sitzend so massiv mit Steinen um sich geworfen.
Darf ich daran erinnern, daß die Grünen in 2008 in Hamburg mit der CDU eine Koalition eingingen?
Darf ich daran erinnern, daß die Grünen 2009 im Saarland - NACH EINER 30.000-Euro-„Spende“ vom FDP-Strippenzieher auf einmal eine Jamaika-Koalition mit der CDU und der FDP eingingen, obwohl es eine gewollte und rechnerische rot-rot-grüne Mehrheit im Landtag gibt? Bis heute sitzen Grüne, CDU und FDP kuschelig im Koalitionsbettchen, wärhend SPD und Linke opponieren.
Wo kämen wir denn da hin, wenn all Parteien so zimperlich wie die Grünen reagierten?
Oder hat die SPD etwa mit „bundespolitischen Konsequenzen“ gedroht und wutschnaubend apolitisch apodiktisch gedroht, daß kein Sozi das jemals „den Grünen“ vergessen werde?
So geht’s ja nun nicht.
Damit kein Zweifel aufkommt; ich finde es immer noch falsch von Wowereit, daß er lieber mit der CDU koapulieren will.
Aber immerhin ist es nachvollziehbar, wieso es ihm als der bequemere Weg erscheint.
Für Wowi ist CDU vermutlich insofern interessant, weil er dann zukünftig alle harten Entscheidungen, die beim Berliner Wähler nicht ankommen (Polizeieinsätze, Sparmaßnahmen, fiese Verkehrsprojekte, etc..), auf die CDU abwälzen kann.
Daran sind zukünftig immer „die“ Schuld. Wenn ein CDU’ler Finanzminister wird, müßte der auch die ganze bittere Suppe auslöffeln.
Wowereit könnte dann den präsidialen Überbürgermeister geben, der sich nicht mit den Niederungen der Kommunalverwaltung, die überall kürzt, beschäftigen muß.
Wowereit strebt jetzt das Modell Merkel 2005 an und man weiß was nach vier Jahren mit ihrem damaligen kleineren Koalitionspartner passierte.
Meine Wunschkoalition wäre stattdessen natürlich SPD-Linke-Piraten.
Das wären sechs Stimmen über den Durst und könnte die Piraten hart landen lassen.
Für so ein Experiment scheint der Wowibär aber doch zu phlegmatisch zu sein.
Der Bär will sich beim Honiglecken von den Bienen nicht stören lassen.
Willy Brandt und Klaus Schütz regierten jeweils fast zehn Jahre, der ewige Diepgen war insgesamt fast 16 Jahre im Amt und Wowereit ist nun auch schon über zehn Jahre dran.
Interessanterweise stellte in den letzten 30 Jahren, seit der Amtsübernahme Richard von Weizsäckers am 11. Juni 1981 achtzehn Jahre die CDU den Regierungschef im roten Berlin.
Damit ist es allerdings seit einer Dekade vorbei. Die Berliner CDU hatte sich durch unterirdische Provinzdeppen wie Frank Steffel zum peinlichsten Landesverband entwickelt und ist nun schon ganz aus dem Häuschen vor Glück es bei einer Wahl auf über 20% gebracht zu haben.
Jetzt fallen auch noch Weihnachten und Geburtstag auf einen Tag dachte sich CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel, als der „nette Bürgermeister“ Wowereit die Grünen vor die Tür setze und die Abgesandten Merkels einlud in die Regierung zu kommen.
Und nun sind alle sauer. Die Linken in der SPD. Die Wähler, die Bundes-SPD und natürlich die Grünen.
Ich bin auch sauer.
Erstens weil ich der 2011er CDU nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönne. Zweitens, weil ich es absolut unangebracht finde, daß Merkel sich jetzt damit sonnen kann eine Landesregierung erobert zu haben und drittens weil ich es für strategisch unverantwortlich halte vier rotgrüne Bundesratsstimmen ohne Not zu neutralisieren (die wird Bundeskanzler Steinbrück noch dringend benötigen!). Viertens weil ich es für eine Pervertierung des Wählerwillens halte, wenn ein Parlament, welches so klar links der Mitte verortet ist, ausgerechnet die 23%-CDU in die Regierung wählt.
Die Parteien, die man gemeinhin zum linken Spektrum zählt verfügen im Berliner Abgeordnetenhaus über eine satte Mehrheit von 113 Sitzen (SPD 48, Grüne 30, Linke 20, Piraten 15), während aus der rechten Seite lediglich 39 CDU-Stimmen versammelt sind.
Das sind fast 75% links und 25% rechts.
Nach der Höchststrafe für die FDP (1,8%) kann man eindeutig sehen, was „die Wähler“ von schwarzgelb halten.
Und da holt sich Wowi, das kuschelige Wowibärchen die CDU ins Boot?
Geht es noch?
Ich starte mal einen Erklärungsversuch.
Erstens ist das Bild vom Wowi, den alle liebhaben, zwar ein nettes Image, aber wenig realistisch. Einen Landesverband und eine Regierung so lange zu prägen, ohne auch Arschlochqualitäten zu haben, ist vermutlich unmöglich.
Constanze von Bullion beschreibt den Bürgermeister heute wie folgt:
Man muss diskutieren, Klaus Wowereit spricht von sich gern in der dritten Person, das hält Persönliches und das Gegenüber auf Distanz. Insistiert das Gegenüber, auch bei anderen Themen, nimmt er schon mal eine drohende Haltung ein. Und dann? 'Kann ich auch laut werden.' So laut, dass mancher Ministerpräsident schon das Weite suchte und manchem Mitarbeiter eine fehlerhafte Vorlage um die Ohren geflogen sein soll. Wowereit kann mit Spott verletzen, gezielt demütigen, sagt eine langjährige Mitarbeiterin. Inkompetenz, sagt Wowereit, darauf reagiere er instinktiv. 'Ich bin ein fleißiger Mensch, sehr fleißig.' Er könnte aber auch faul sein, sagt er, rein theoretisch, 'wenn es zulässig wäre'.
(SZ, 10.10.2011)
Da ist die knappe Mehrheit von einem Sitz für RotGrün.
Wowereit hat vermutlich keine Lust sich die nächsten fünf Jahre von jedem einzelnen Grünen erpressen zu lassen.
Wenn schon eine einzige Stimmenthaltung des Koalitionspartners „keine Mehrheit“ bedeutet, liegt der Regierungschef an der ganz kurzen Leine.
Das muß nicht schlimm sein und kann disziplinierend wirken, wenn ein gewisses Grundvertrauen besteht, aber damit komme ich zum zweiten Problem:
Wowereit mag Künast und Ratzmann nicht.
Er traut ihnen nicht weiter als er spucken kann.
Tatsächlich gab sich Frau Künast einige Wochen so siegessicher als künftige Regierende Bürgermeisterin, daß sie den Amtierenden gar nicht mehr wahrnahm.
Nachdem es Kretschmann im stramm konservativen BW geschafft hatte, sollte es doch in der Grünen-Hochburg Berlin ein Leichtes sein das zweite Bundesland zu erobern.
Künast signalisierte dem Amtsinhaber, daß er gar nicht mehr gefragt würde, weil sie ihn einfach platt zu walzen gedenke.
Und als ihre Umfragen bröckelten, hielt sie sich bis drei Wochen vor der Wahl die Option offen sich von der CDU ins Amt wählen zu lassen.
Wowereit, der sich als Apotheose Berlins betrachtet schäumte.
Insbesondere ärgerte ihn mit welchen Themen die Grünen so erfolgreich wurden.
Mit Auschließeritis.
Grüne sind seit einigen Jahren nicht mehr nur gegen Atomkraft, sondern gegen fast jedes große Infrastrukturprojekt.
Sie lehnen eine Elbvertiefung ab, protestieren gegen Stuttgart 21, gegen den Bau von Europas größtem Kohlekraftwerk Moorburg in Hamburg, gegen neue Startbahnen der Flughäfen München und Frankfurt und eben auch gegen die 3,2 km Autobahn A100 in Berlin.
All das soll es mit ihnen nicht geben.
Für einen Regierungschef, der zehn Jahre praktische Politik macht, muß es eine Pest sein zu erleben wie eine Oppositionspartei mit einem „wir sind gegen alles“ in den Umfragen immer höher klettert.
Die Grünen sind sich aus Wowereits Sicht einfach zu sicher und glauben sich alles erlauben zu können.
3,2 km Autobahn? Sind die so wichtig, mag sich Wowereit gefragt haben.
Immerhin haben die Grünen 2008 in Hamburg auch harten Kampf gegen Moorburg und „K-Ohle von Beust“ geführt, nur um dann doch mit der CDU ins Bett zu hüpfen und schließlich das Monsterkraftwerk ausgerechnet von der Grünen Senatorin Hajduk genehmigen zu lassen.
Immerhin haben die Grünen in BW auch eine Koalition mit der SPD, die eine grundsätzlich andere Auffassung in der Stuttgart21-Frage hat.
Der Unterschied ist der, daß sich Kretschmann und Schmid offensichtlich gegenseitig vertrauen.
In Berlin stellten sich die Grünen aber 100% stur.
Stur und auch noch dumm, indem sie ständig suggerierten, sie könnten die 420 für die Autobahn geplanten Euros besser für andere Zwecke verwenden - als ob CSU-Minister Ramsauer ihnen den Gefallen täte!!
Weiter heißt es - dies hatten die Grünen vorgeschlagen - man werde versuchen, die 420 Millionen Euro, die der Bund für die A 100 zahlen wolle, umzuwidmen. Statt in einen Neubau wolle Rot-Grün das Geld in bestehende Autobahnen oder in noch zu planende Projekte stecken. So ginge es Berlin nicht verloren. Was fehlt am Ende dieser vier Sätze, ist eine Schlussfolgerung. Offenbar konnte man sich darauf nicht einigen. Was passiert, wenn die Umwidmung der Bundesgelder scheitert? Dies nämlich zeichnet sich ab. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) beschied Rot-Grün mit großer Geste und aktueller Stunde im Bundestag, die Umwidmung sei "unmöglich". Wer meine, er könne "irgendwo Geld hinräumen, wo es nicht hingehört", habe die "Rechnung ohne den Bundesverkehrsminister" gemacht. Haben die Grünen sich verrannt, einem CSU-Minister die Zukunft ihrer Koalition anvertraut? Werden sie am Ende die A100 doch bauen? Schon regt sich Protest an der grünen Basis. Kreuzbergs Dauerbürgermeister Franz Schulz droht für diesen Fall mit Parteiaustritt.
(SZ, 29.09.2011)
In den Verhandlungen waren die Grünen immer noch so aufgeblasen, daß sich Fraktionschef Ratzmann beispielsweise zu fein war ans Telephon zu gehen, wenn Wowereit anrief.
Die Grünen, um es kurz zu machen, haben ihre Kräfte überschätzt in diesem Wahlkampf, sie haben strategische Fehler gemacht und ein Ergebnis eingefahren, das zu gut war, um zu kapitulieren, aber zu schlecht, um harte Forderungen stellen zu können. Vor allem aber haben sie Wowereits Zuneigung überschätzt, sind gutgläubig wie Schafe in seinen Bau getapst nach der Wahl. Vielleicht dachten sie, da drin wohnt ein netter Kuschelbär, der mal eben eine Autobahn einstampft, auch sonst Appetit auf neue Ideen hat und es ihnen dann so richtig schön macht im rot-grünen Zuhause.
Wowereit hat sich das eine Weile angesehen. Er hat bei drei Treffen den Anführer der Schafe beschnuppert, Volker Ratzmann, den Fraktionschef der Grünen. Der hat nach dem Abgang von Renate Künast die Führung der grünen Herde übernommen in Berlin, und er ist keiner, der sich für ein Schaf hält. Im Gegenteil. Ratzmann ist Wowereit nicht unähnlich. Groß gewachsen. Selbstbewusst. Nicht bereit zur Unterwerfung. Wowereit wusste, dass er mit der CDU eine viel bequemere Mehrheit haben könnte als mit den Grünen. Er hat geschnuppert, und er hat nicht gemocht, was da in seine Nase stieg. In der Nacht vor dem Blutbad soll er noch mal versucht haben, den grünen Anführer anzurufen. Aber der ging nicht ran. Wenn der Leitwolf anruft, hat ein Schaf ranzugehen.
(Constanze von Bullion 10.10.11)
Von solchen realitätsentrückten Typen wollte sich Wowereit offensichtlich nicht auf der Nase rumtrampeln lassen.
Also zog er die Reißleine und Künasts völlig überzogene Reaktion gibt ihm a posteriori Recht.
Zeternd ziehen Grüne jetzt über Wowereit und, einmal in Rage, sippenhaftig über die ganze SPD her:
Die frühere Spitzenkandidatin der Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Renate Künast, verwies auf die Werte ihrer Partei: "Grüne denken an die Glaubwürdigkeit." Zugleich geht Künast von nachhaltigen Folgewirkungen der gescheiterten Verhandlungen für die Zukunft von Rot-Grün insgesamt aus. "Ich bin mir sicher, kein Grüner wird das der SPD vergessen", was mit Wowereit in Berlin passiert sei, drohte Künast in einem Interview mit der Leipziger Volkszeitung. "Denen ist diese Stadt doch völlig egal, während sich die Grünen um eine Idee für die gesamte Stadt gekümmert haben", sagte Künast.
[…] Sie habe den Eindruck gehabt, Wowereit führe "Kapitulationsverhandlungen eines potenziellen Partners und nicht Koalitionsverhandlungen", sagte Künast im ZDF-Morgenmagazin. Sie befürchtet auch Auswirkungen auf künftige Koalitionen: "Das Signal in den Bund ist nicht unbedingt positiv."
(SZ 06.10.11)
Fast möchte ich sagen: Geschieht den Grünen Recht, daß sie aus der sicher geglaubten Regierung geflogen sind!
Was bilden die sich eigentlich ein nun mit Rache und Konsequenzen für den Bund zu drohen?
Künasts verletztes Ego darf sich nicht auf die Politik im Bundestag auswirken.
Die Frau hat sich nicht im Griff.
Außerdem hat selten jemand direkt im Glashaus sitzend so massiv mit Steinen um sich geworfen.
Darf ich daran erinnern, daß die Grünen in 2008 in Hamburg mit der CDU eine Koalition eingingen?
Darf ich daran erinnern, daß die Grünen 2009 im Saarland - NACH EINER 30.000-Euro-„Spende“ vom FDP-Strippenzieher auf einmal eine Jamaika-Koalition mit der CDU und der FDP eingingen, obwohl es eine gewollte und rechnerische rot-rot-grüne Mehrheit im Landtag gibt? Bis heute sitzen Grüne, CDU und FDP kuschelig im Koalitionsbettchen, wärhend SPD und Linke opponieren.
Wo kämen wir denn da hin, wenn all Parteien so zimperlich wie die Grünen reagierten?
Oder hat die SPD etwa mit „bundespolitischen Konsequenzen“ gedroht und wutschnaubend apolitisch apodiktisch gedroht, daß kein Sozi das jemals „den Grünen“ vergessen werde?
So geht’s ja nun nicht.
Damit kein Zweifel aufkommt; ich finde es immer noch falsch von Wowereit, daß er lieber mit der CDU koapulieren will.
Aber immerhin ist es nachvollziehbar, wieso es ihm als der bequemere Weg erscheint.
Für Wowi ist CDU vermutlich insofern interessant, weil er dann zukünftig alle harten Entscheidungen, die beim Berliner Wähler nicht ankommen (Polizeieinsätze, Sparmaßnahmen, fiese Verkehrsprojekte, etc..), auf die CDU abwälzen kann.
Daran sind zukünftig immer „die“ Schuld. Wenn ein CDU’ler Finanzminister wird, müßte der auch die ganze bittere Suppe auslöffeln.
Wowereit könnte dann den präsidialen Überbürgermeister geben, der sich nicht mit den Niederungen der Kommunalverwaltung, die überall kürzt, beschäftigen muß.
Wowereit strebt jetzt das Modell Merkel 2005 an und man weiß was nach vier Jahren mit ihrem damaligen kleineren Koalitionspartner passierte.
Meine Wunschkoalition wäre stattdessen natürlich SPD-Linke-Piraten.
Das wären sechs Stimmen über den Durst und könnte die Piraten hart landen lassen.
Für so ein Experiment scheint der Wowibär aber doch zu phlegmatisch zu sein.
Der Bär will sich beim Honiglecken von den Bienen nicht stören lassen.
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