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Sonntag, 12. Dezember 2010

Plan 93

Demokratie und demokratische Spielregeln sind schön und gut; so wie auch Zahnseide und Morgengymnastik der Gesundheit förderlich sind.
Dennoch setzt nicht jeder die Erkenntnisse täglich in die Praxis um.
Bei den Grünen zum Beispiel kann Demokratie ganz schön konkret werden. Das mußte zuletzt Parteichefin Roth erfahren, die ihr Engagement für Münchens Olympiabewerbung beerdigen mußte, nachdem ihr vom Parteitag ein „Njet“ entgegenschallte.

Am anderen Ende der Demokratieskala stehen CDU und CSU, deren Parteisoldaten so gut wie nie gegen die Führung das Wort erheben. Selbst nach dem ersten völligen Debakeljahr der Regierung Merkel II, segneten die CDU’ler in Karlsruhe ohne Murren das gesamte Personaltableau ab, das sich die Chefin ausgedacht hatte.
Wenn öffentlich wird, wie sehr CDU-Chefs rechtliche und demokratische Regeln gebrochen haben, muß ihnen das überhaupt nicht schaden.
Im Gegenteil, Helmut Kohl wird heute bei der CDU heiß umjubelt und Roland Koch ist die Ikone der Parteirechten.
Er habe Steherqualitäten erkennen die CDU-Fußvölkler dem Multilügner mit den „Jüdischen Vermächtnissen“ an.
Lügen und mauscheln wird nicht nur innerhalb der CDU anerkannt, sondern kann auch durchaus von einer Mehrheit der Wähler belohnt werden.
Koch wurde mehrfach wiedergewählt und schied nicht aufgrund eines Wählervotums aus dem Amt aus.

Ein CDU-Skandal aus Hamburg ist inwzischen sogar völlig vergessen.

Die Wahl von 1991 brachte eine absolute Mehrheit für die SPD. Diese Wahl wurde vom Hamburgischen Verfassungsgericht 1993 für ungültig erklärt, da die CDU ihre Kandidaten undemokratisch aufgestellt hatte. Die Neuwahl im September 1993 führte zu einer Kooperationsregierung von SPD und der erstmals angetretenen Statt-Partei gegen eine Opposition aus CDU und GAL, die FDP verfehlte die Fünf-Prozent-Hürde.
(Hamburgische-Buergerschaft.de)

Die Welt ist ungerecht! SPD-Bürgermeister Henning Voscherau, der bis dahin ohne Koalitionspartner regieren konnte, badete die CDU-Mauschelei aus.
Voscherau mußte in eine Neuwahl und bekam den Image-GAU ab, den die CDU der Gesamtpolitik angetan hatte.
Seitdem ist die Hamburger SPD der absoluten Mehrheit niemals auch nur nahe gekommen.

Bis jetzt.

Das nie dagewesene Versagen der CDU-Senatoren unter Beust und Ahlhaus läßt es zumindest wieder denkbar erscheinen, daß die hanseatischen Genossen aus ihrem demoskopischen Sumpf kommen, wenn im Februar 2011 aufgrund des Kollapses des schwarzgrünen Chaossenats neu gewählt wird.

Um 20 Prozentpunkte könnte die Union unter Bürgermeister Christoph Ahlhaus abstürzen.

Zu ungeschickt, zu unfähig und zu dreist regiert der Zugezogene aus Heidelberg.
Ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt für die Beustpartei neu wählen zu lassen.

Schuld waren zwei Ereignisse, von denen sie sich nie erholte. Das Scheitern der Schulreform in einem Volksentscheid und der Rücktritt des populären Regierungschefs waren die finalen Sargnägel.
Zwei Männer symbolisieren den Niedergang. Es sind Ole von Beust, der sein Haus nicht bestellte und dann weglief, als er keine Lust mehr hatte und Walter Scheuerl, der Advokat der Reichen und Mächtigen, der Vernunft und Prekariat besiegte, indem sein Gucci-Protest* das Prinzip „gleiche Chancen für alle Schüler“ abschaffte.

Scheuerl, der Anwalt der Widerlinge, siegte gegen eine Hamburger Giga-Koalition aus SPD, GAL, CDU und Linke.
Der Kinderselektierer kämpft für den Ausbeuterkonzert „kik“, mahnt Blogger ab, versucht Kritiker des Unternehmens "Heidemark" (ein Putenfleischproduzenten unter Gammelfleisch-Verdacht) mundtot zu machen und engagiert sich für Tierquäler, indem er deren Kritiker unter Druck setzt.
Anwalt Scheuerl ist ein Mann, der die CDU so in Bedrängnis brachte, daß er ihr sogar durch eine Parteigründung am rechten Rand endgültig den Rest geben könnte.

Aber diesmal hat Ahlhaus aufgepasst und sich den Advokaten der Oberschicht gekauft.

Der 1961 in Erlangen geborene Medienanwalt soll bei der Bürgerschaftswahl am 20. Februar weit vorn auf der Liste der CDU kandidieren. Die CDU schließt damit in ohnehin schwieriger Lage eine offene Flanke. Denn Scheuerl und seine Weggefährten, die erbitterten Gegner der Schulreform, hatten erwogen, mit einer eigenen Liste zur Wahl anzutreten. Das hätte vor allem der CDU geschadet, von der sich gerade wegen der Schulreform viele bürgerliche Wähler abgewandt haben. Nun will Scheuerl mit der aus seiner Sicht geläuterten CDU für seine Schulpolitik kämpfen.
(Süddeutsche Zeitung 10.12.10)

Der CDU-Bürgermeister Ahlhaus und der CDU-Parteichef Schira führen ein Heighlight des Stücks „was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?“ auf.
Sie lehnen plötzlich Stadtbahn und Stadteilschule ab und holen sich ihren prominentesten Gegner ins Boot.

Die beiden CDU-Politiker präsentierten Scheuerl am Donnerstag mit großer Erleichterung. Der Anwalt und seine Weggefährten in der Volksinitiative 'Wir wollen lernen' hatten geprüft, ob sie mit einer Partei der bürgerlichen Mitte zu den Wahlen antreten - und so Unruhe bei der CDU ausgelöst. So eine Neugründung wäre in der Kürze der Zeit organisatorisch jedoch nicht machbar gewesen, sagte Scheuerl, der die bisherige Schulsenatorin Christa Goetsch von den Grünen heftig attackierte.
(Süddeutsche Zeitung 10.12.10)

Ahlhaus und Schira vertrauen darauf, daß sich kein Wähler daran erinnert wie vehement sie eben noch die Primarschule gegen Scheuerl verteidigt hatten.
Von eben auf jetzt verkünden sie nun das diametrale Gegenteil.

Ist das jetzt ein Coup – oder einfach peinlich? Denn bislang hat Scheuerl die Union bitter bekämpft. "CDU: Chaos Durch Unfähigkeit", so beschimpfte seine Initiative "Wir wollen lernen" auf Plakaten die Union.
Zudem ist die CDU nur seine dritte Wahl: Eigentlich wollte er mit einer eigenen Partei oder Wählergemeinschaft antreten. Doch aufgrund der Neuwahlen war der Initiative die Zeit zu knapp, eine schlagkräftige Truppe aufzustellen. "Zu wenige waren bereit, jetzt ihren Beruf und die Familie zu vernachlässigen", so Scheuerl.
Auch bei der FDP wäre er lieber untergekommen – doch dem Anwalt war das Risiko zu groß, dass die Liberalen an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern.
Deshalb also die CDU.
(Matthis Neuburger 10.12.10)

Interessant finde ich insbesondere, daß wieder einmal die Parteiführung einer Hamburger CDU mein,t sie sei ermächtigt Bürgerschaftsmandate einfach nach Gutdünken zu vergeben.
Demokratische Kandidatenaufstellung und Wahllisten sind ihnen nicht so wichtig, obwohl sie schon 1993 genau aus demselben Grund eine Neuwahl verursachten.
Das Hamburger Verfassungsgericht sah in den CDU-Methoden einen derart groben Verstoß gegen die Demokratie, daß es gleich das ganze letzte Wahlergebnis für nichtig erklärte.

Sieht die CDU nicht die Gefahr, daß 2011 erneut ihr undemokratisches Verhalten eine Wahlannullierung verursachen könnte?

Nein, eine Gefahr sieht sie nicht - aber womöglich eine Chance.

Derzeit ist die Stimmung für die CDU mies; es kann nur besser werden.
Zu einem späteren Zeitpunkt noch mal zu wählen kann aus Ahlhaus‘ Sicht nur gut sein.

Wählern, die noch Fünkchen von Anstand und Moral in sich spüren, mögen entsetzt sein. Das „bürgerliche“ Hamburger Abendblatt weniger.
Chefredakteur Claus Strunz jubelt in seinem Leitartikel über den Ahlhaus-Scheuerl-Coup.

Drei Punkte sprachen bisher dafür, dass der SPD-Kandidat Olaf Scholz mit großem Vorsprung zum neuen Bürgermeister Hamburgs gewählt wird. Erstens: Er ist in den Umfragen weit enteilt. Zweitens: Die CDU liegt nach Ole von Beusts Flucht aus dem Amt in Scherben. Und drittens: Der Volksentscheid-Gewinner Walter Scheuerl würde mit einer eigenen Partei eher die CDU schwächen. Offenkundig hat sich Bürgermeister Christoph Ahlhaus vorgenommen, einen Punkt nach dem anderen abzuarbeiten. Dabei ist ihm mit der Einbindung des Primarschulreform-Gegners Scheuerl in die CDU-Liste eine strategische Meisterleistung gelungen, die einen Eindruck davon vermittelt, dass dem amtierenden Rathauschef bis zur Wahl im Februar noch einiges zuzutrauen ist. Ahlhaus führt mit diesem Schritt zusammen, was zusammengehört.
(Abla 10.12.10)


Abschließend noch eine Videoepfehlung - die großartige Anja Reschke nahm sich bei "Panorama Reporter" des Themas
Das Märchen vom sozialen Aufstieg
an. 30 sehr interessante Minuten.


*Initiatoren des Volksentscheides für die Festschreibung der Kinderverdummung waren ein paar elitär denkende Eltern, die am liebsten ihre Gymnasien mit NATO-Draht von den ärmeren Kindern abschotten wollten.

Schüler mit gleicher Qualifikation aber aus ärmeren Elternhäusern wurden als zukünftige Konkurrenz angesehen.
Der Master dieser Verschwörung gegen das Allgemeinwohl ist ein gewisser Walter Scheuerl, der sich und seinen erzkonservativen Mitstreitern die Pfründe sichern will - auch für den Preis, daß Deutschland im Bildungsranking weiter nach unten durchgereicht wird.
"Meine Kinder sollen nicht mit den Schmuddelkindern lernen müssen" heißt das Motto der Reichen, die von einem Gedanken beseelt sind: Ihre Kinder von Unterschichts- und Migrantenkindern abschotten.

Es wurde in alle Trickkisten gegriffen. Da durfte ein NS-Vergleich nicht fehlen - der Chef der Reformgegner lieferte ihn im Oktober 2009.

Anfang Oktober schrieb dann Bündnissprecher Walter Scheuerl: Die Reformpläne hätten "eine Tradition in der NS-Pädagogik" des Erziehungswissenschaftlers Peter Petersen. Drei Tage später bat Scheuerl um Entschuldigung.

Hinter so einen Mann scharten sich Adelige, konservative Rechtsanwälte, Sky du Mont und die außerparlamentarisch Elb-FDP.

Wie die Initiatoren denken, wurde von den Medien schon lange dargestellt; zum Beispiel von Panorama:

O-Ton befragter Hamburger:
“Ich meine, man muss nicht die sozial Bevorteilten benachteiligen, um die sozial Schwächeren zu bevorteilen. Das muss, meine ich, nicht sein.“

O-Ton Blankeneser Marktfrau:
„Wir haben ja systematisch in den achtziger Jahren ein akademisches Proletariat herangezüchtet, das für die wissenschaftliche Laufbahn und auch für eine gehobene akademische Laufbahn gar nicht fähig ist.“

O-Ton befragter Hamburger:
„Man spricht immer nur von unten, dass man von unten anheben will, dass man die Sonderschulen nicht mehr will. Alles ist richtig, aber man muss doch auch sehen, dass man die Kinder, die oben gut sind, weiterentwickelt und fördert.



Die Hamburger sind heute dumm genug gewesen, um das bestehende sehr schlechte Schulsystem vor Verbesserungen zu schützen.

Scheuerl gewann seinen mit extrem unseriösen Methoden geführten Kampf klar mit 58% zu 42%.

39 % der Hamburger (das sind 492.057) beteiligten sich an dem Volksentscheid.

Davon stimmten 276.304 für die Volksverdummungsinitiative.

Über 60% hatten es gar nicht erst für notwendig erachtet sich an der Abstimmung zu beteiligen.
Rund 760.000 Hamburger konnten sich gar nicht erst aufraffen überhaupt eine Entscheidung zu fällen.

So konnten Scheuerl und Co mit gerade mal 22 % der Wahlberechtigten - einem Fünftel der Hanseaten - sämtliche Bürgerschaftsparteien ausbremsen und verhindern, daß die Hamburger Schulen besser werden und womöglich auch diejenigen eine Chance auf gute Bildung bekommen, deren Eltern nicht reiche Villenbesitzer in den Elbvororten sind.

Die Abstimmung gilt als richtungsweisend und wird das miserable und föderal zersplitterte Bildungssystem in Deutschland weiter auf das Niveau eines Dritte-Weltlandes absinken lassen.

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