TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Dienstag, 21. Dezember 2010

Die echten Versager hinter der FDP

Kein Tag, an dem man die Zeitungen aufschlägt und einem nicht als erstes ein deprimierter Guido Westerwelle entgegenguckt. Die anderen Spitzenliberalen flüchten sich inzwischen in Galgenhumor.

„Kirche und FDP glauben an die Auferstehung“, so kommentierte der Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein, Jürgen Koppelin, die neuesten Umfragewerte seiner Partei. Nur noch drei Prozent Zustimmung bescheinigten die Meinungsforscher von Forsa in ihrem wöchentlichen Wahltrend für den „Stern“ der FDP. Damit hätte die Partei seit dem Rekordergebnis von 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl rund 80 Prozent ihrer Anhängerschaft verloren. „Ich warte nur noch auf die erste Umfrage, die uns bei unter Null notiert“, sagte Ulrich Goll, der im März als FDP-Spitzenkandidat in die Landtagswahl in Baden-Württemberg zieht.
(Welt 21.12.10)

Bevor man nun in Tränen ausbricht, weil einen das Schicksal des armen Guido W. so berührt, sollte man schon berücksichtigen, daß die Hauptursachen für seine Unbeliebtheit immer noch bestehen - Westerwelles Arroganz und Westerwelles Aggressivität.

Der SPIEGEL berichtet von einem Treffen am 2. Dezember 2010 im Thomas Dehler-Haus, bei dem sieben FDP-Fraktionschefs ihrem Parteiboss mal ordentlich den Marsch blasen wollten. Funktioniert hat es nicht. Guido, der Giftige, fertigte seine Parteifreunde wie Schuljungs ab und wich keinen Millimeter zurück; Einsicht Fehlanzeige.

Die Delegation kam allerdings kaum dazu, ihre Botschaft loszuwerden, weil Westerwelle sie rüde abfertigte. Als einer der Ersten sagte der Berliner Christoph Meyer, dass das Erscheinungsbild der Parteispitze schlecht sei. So könne man die Mitglieder nicht motivieren, für die FDP zu werben.
Westerwelle ging rasch dazwischen. Der Kollege könne sich sicher sein, dass er, Westerwelle, etwas von Wahlkampf verstehe, sagte er. Der baden-württembergische Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke berichtete von wachsender Wut und Frustration in der Partei, die sich gegen die Führung richteten.
Er wisse sehr gut, wie die Stimmung sei, unterbrach Westerwelle. Man dürfe sich nicht von Stimmungen abhängig machen. Der sachsen-anhaltische Fraktionschef Veit Wolpert sagte vorsichtig, die Wähler in seinem Land liebten keine Polarisierungen.
Westerwelle bügelte ihn ab. Die Atmosphäre in Westerwelles Büro sei eisig gewesen, berichten Teilnehmer. Der Parteivorsitzende hatte gemerkt, worum es eigentlich ging: seinen Rücktritt. "Es ist mir nicht verborgen geblieben, was Ziel des Treffens ist", sagte er. Er werde aber weiterhin das tun, was er im Interesse der Partei für richtig halte. "Ich habe in WikiLeaks gelesen, dass Sie aggressiv werden, wenn Sie von politischen Schwergewichten herausgefordert werden", sagte Rülke zum Abschluss des Gesprächs süffisant. "Nun darf ich mich wohl auch als politisches Schwergewicht fühlen." Die Runde löste sich auf, ohne Ergebnis.

(Spiegel 51/2010)

Der Mövenpick-Mann glaubt offenbar immer noch, daß er nur ordentlich fauchen und drohen muß, um sich durchzusetzen.
Gemocht wurde der zweite Mann der Bundesregierung ohnehin noch nie - zu zweifelhaft ist sein Charakter, zu ätzend sein Charisma, zu abstoßend sein Humor.
Er war nie, ist nicht und wird auch nie ein umjubelter Parteichef wie Brandt, Strauß, Kohl oder Genscher.
Westerwelle hat aber auch das Glück keine Volkspartei leiten zu müssen, sondern bloß einen kleineren Klientel-Verein, der schon seit 60 Jahren als Parasit der Bundesrepublik davon lebt sich seine Mehrheitsbeschaffungstätigkeit bezahlen zu lassen.

(Keine schlechte Leistung, wenn man bedenkt, daß es die Pünktchenpartei geschafft hat die meiste Zeit der Bundesrepublik Schlüsselpositionen, wie Vizekanzler, Außenminister, Wirtschaftsminister zu besetzen, obwohl sie von 90 - 95% der Wähler nie gewählt wurden. Mit gerade mal sieben oder acht Prozent gelang es der FDP de facto zu bestimmen, wer Kanzler ist.)

Die ehemals „Liberalen“ hatten immer ihre Türen für Lobbyisten weit geöffnet und zogen auch einen bestimmten Typ Karrieristen an.
Wer in der Politik schnell nach ganz oben will, hat in der FDP die besten Chancen.
Zu groß und zu mühselig ist die Ochsentour in den Volksparteien - auch wenn sich neuerdings die Grenzen zwischen „Großen“ und „Kleinen“ verschieben.

Für einen notorisch Vorlauten, wie Guido Westerwelle war und ist die FDP die perfekte Partei; zumal er günstigerweise nur zwei so strikte Charisma-Abstinenzler wie Kinkel und Gerhardt aus dem Weg räumen mußte.
Guido riss einfach alles an sich, trampelte alle Themen außer der neoliberalen Steuersenkungsagenda nieder und mauserte sich durch schrillste Attacken auf SPD, Grüne und Linke zur viel beachteten opportunistischen Oppositionsfigur.

Und nun dieser Absturz!

Die FDP am Boden, der Vorsitzende irreparabel demontiert und Besserung ist nicht in Sicht, weil Vollpfeifen wie Homburger und Brüderle auch keinen Wähler hinter dem Ofen vorlocken würden.

Ich glaube langfristig NICHT an den Untergang der FDP.
Auch mit echt miesem Personal werden sie immer ein paar im Grunde konservative und wirtschaftlich total neoliberale Wähler finden, denen aber gleichzeitig die frömmelnde und tumb-konservative CDU unsympathisch ist.
Gestern hat Kauder wieder heftiges Homo-bashing betrieben und heute sortieren sich die meisten CDU’ler hinter dem menschenfeindlichen PID-Verbot.
Ein klassischer Fall von „das geht euch nichts an, Kauder und Co“, was jemand mit seinen Eizellen machen will, oder mit wem er ins Bett gehen möchte.

Insofern denke ich schon, daß Platz für einen FDP bleibt.

Leider.
Denn hinter so einer leicht liberal wirkenden Fassade können dann umso knallhärter Industrieinteressen durchgesetzt und die sozial Schwächsten weiter ausgepresst werden.

Der Spaß an der FDP-Krise ist aber nicht das schadenfrohe Lachen über den bedröppelten Vizekanzler, der sich coram publico zur ausgelachten Wählerverschreckungs-Vogelscheuche gemausert hat, sondern der wahre Witz sind die vielen schlauen Polit-Analysten, die jetzt aus ihren Löchern kriechen und uns erklären was die FDP jetzt tun sollte.

Dabei kommt wenig Überraschendes durch.

Der stramm-rechte Emnid-Chef Schöppner beispielsweise weiß, daß Guido im Amt bleiben sollte.

Schöppner:
Man darf nicht verkennen, dass er sich seine Arbeit alles andere als einfach macht. Es hat doch noch nie einen Außenminister gegeben, der zwei große, nicht immer zueinander passende Aufgaben unter einen Hut bringen musste: leiser Chefdiplomat und lauter Innenpolitiker. Seine Vorgänger wie Joschka Fischer oder Frank-Walter Steinmeier konnten sich auf das Abschreiten roter Teppiche konzentrieren, die Arbeit zuhause haben andere erledigt. Westerwelle fehlt diese Unterstützung – er muss dahin gehen, wo es weh tut.

Eine erstaunliche Welt, in der der Demoskopie-Guru lebt - Fischer sei nur ein bißchen über rote Teppiche gelaufen?
Das Gegenteil ist der Fall - Fischer hat es sich gerade außenpolitisch gar nicht leicht gemacht und die eigene Partei schon zu Beginn wegen der Bosnien-Frage gegen sich aufgebracht.
Im Vorfeld des Irakkrieges dürfte er einer der aktivsten Politiker weltweit gewesen sein, der den Scherheitsrat im Alleingang auf Trab brachte.
Innenpolitisch war er die ganze Zeit extrem präsent und hat wie kein Zweiter Wahlkampf betrieben. Fast auf ihn allein geht der Fortbestand von Rot/Grün 2002 zurück.

Andere Schlaumeier verlieren sich in Personalspekulationen.
Hans Peter Schütz vom STERN sieht in der Lichtgestalt Christian Linder, dem Mann mit den „beneidenswert eng geschnittenen Maßanzügen“ schon den Guttenberg 2.0

Ich hingegen sehe eher eine journalistische Krise.
Ja, Guido steht nackt da; er ist der Parteikaiser ohne Kleider. Das sehen wir jetzt.
Aber hatte er etwa jemals etwas an? Ich kenne ihn nur nackt und nicht anders.

Die 3%-Zustimmung zur FDP finde ich einen vollkommen gerechtfertigten Wert für eine Lobbyistenbeglückungspartei, die innerhalb von einer Dekade Westerwelle zur Einthemenpartei geschrumpft wurde und dann als Mitglied der Bundesregierung zur Nullthemenpartei mutierte.

Das große Frage lautet vielmehr „wie konnte es überhaupt dazu kommen, daß die FDP derart hochgeschrieben wurde“?
Wieso haben die Großjournalisten von Springer und Burda sowieso, aber auch von STERN und SPIEGEL schon vor zehn Jahren von einem Duo Westerwelle/Merkel geschwärmt?
Im Wahlkampf 2002 verging kein Tag, an dem nicht ein Gabor Steingart oder ein Hans-Ulrich Jörges massiv für die FDP und Schwarz-Gelb im Bund geworben hätten.

Warum bloß?

Tausende Blogs (und ich nebenbei bemerkt auch) haben seit Jahren auf die totale inhaltliche Leere der FDP hingewiesen.
Keine Konzepte, keine Planungen, nichts.

Genauso hat auch Merkel in ihrer Oppositionszeit jede programmatische Diskussion innerhalb der CDU unterbunden. Sie waren nur gut im Rot/Grün-Runterputzen; haben aber nie alternative Ideen präsentiert.

Von 2005 bis 2009 konnte sich Merkel dann bequem an die inhaltlichen Rockschöße der SPD heften.
Aber seit 14 Monaten steht sie mit einem genauso substanzlos Schwafelnden da und wir erleben das Erwartbare: Die Lobbyisten und Parteispender werden mit auf sie zugeschnittenen und teilweise von ihnen selbst geschriebenen Gesetzen beglückt und ansonsten herrscht großes Rätseln über den Kurs.

Schön, und nun haben es eben ein paar Wähler mehr gemerkt als vorher, weil sie es täglich in der Praxis vor Augen haben - Guido und Angie sind genau solche Windeier, wie erwartet.

Nichts ist mit „locker ein paar schöne Jahre im Außenministerium machen“ (das wäre ihm zu wenig, so Guido 2009 - daher wolle er sich auch zukünftig in die Innenpolitik einmischen).

Plötzlich stellt sich heraus, daß Ministerämter nicht nur reine Prestigejobs sind, die man sich in Koalitionsverhandlungen ermauschelt und dann vier Jahre in Ruhe absitzen kann.
Nein, wenn ein Unqualifizierter auf einem Ministersessel hockt, hat das auch Konsequenzen.
Das sind leitende Funktionen, bei denen man funktionieren muß und konzeptionelle Vorgaben abzuliefern hat.
Wer das nicht kann, so wie Merkels beschämendes Mäandern in der Euro-Krise, wird Probleme ernten.

Und genau die haben wir jetzt.

Wieso irgendjemand etwas anderes von CDU, CSU und FDP erwartet hat, kann ich nicht begreifen.

7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein kleiner Ausflug in Deutschlands "Liberalismus"... Teil 1

Prolog:

Zunächst einmal, der deutsche Liberalismus ist tot, mausetot. Er ist nicht etwa ermordet worden oder qualvoll dahingesiecht. Nein. Es hat ihn nur nie gegeben. Er ist ein Hirngespinst, eine Schimäre, ein leeres Schlagwort und eine dreiste Lüge.

1. Der grosse Übervater

Bis in unsere Zeit hinein ist der einzige Deutsche, der unmittelbar mit "Liberalismus" assoziiert wird, Friedrich der Grosse - "jeder soll nach seiner Facon glücklich werden".

"Facon" heisst wörtlich übersetzt "Frisur". Es geht bei diesem Liberalismusbegriff also nur um Äusserlichkeiten. Der aufgeklärte Monarch stört sich nicht mehr an Religion und Herkunft, denn er braucht dringend Untertanen. Aber er fordert dennoch Gehorsam. Strengen Gehorsam.

Den damals von Toleranz ansonsten nur wenig verwöhnten Europäern auf der Flucht erschien dies aber schon durchaus erstrebenswert.

Ansonsten herrschte nur wenig liberale Gedanken- und Meinungsfreiheit in Preussens Militärstaat (inkl. Pressezensur).

Auf der anderen Seite aber setzte die Monarchie nun zusehends auf das zu Wohlstand gekommene Bürgertum als Säule seine Staates und Rückgrat der Justiz und Verwaltung.

Entsprechend gab es in diesem System Aufstiegsmöglichkeiten, die vorher undenkbar gewesen wären. Im Gegenzug garantierte der Staat die Sicherheit und das Eigentum des gesamten Standes.

Dies erklärt einerseits, warum gerade das Bürgertum gern Friedrichs Zitat ausgräbt, wenn es um den "Liberalismus" in Deutschland geht. Und zum anderen, warum es dabei nie um Demokratie geht, sondern immer nur um die Möglichkeit, durch Gehorsam und Treue gegenüber dem Staat den eigenen Status zu garantieren und dem Adel nacheifern zu können.

Mit der französischen Revolution wird schnell deutlich, wie "liberal" dieses Bürgertum tatsächlich ist.

Anonym hat gesagt…

Ein kleiner Ausflug in Deutschlands "Liberalismus"... Teil 1


2. Der Lackmustest der Geschichte

Die französische Revolution kam für die meisten Aussenstehenden des Bürgertums völlig überraschend. Während man z.B. in Russland noch bis ins 20. Jahrhundert ein derart ungerechtes Feudalsystem tolerieren würde, war nun auch dem französischen Bürgertum der Kragen geplatzt.

Das deutsche Bürgertum preussischer Ausrichtung hingegen fühlte sich massiv bedroht von diesem gleichmacherischem "Irrsinn", der die etablierte Ordnung hinwegfegte und den eigenen Status Quo in Frage stellte und die Sicherheit des Wohlstandes bedrohte. Ganz zu schweigen von der Gleichmacherei der Stände, die den erhofften Aufschluss zum Adel (ohne Adel) de facto unmöglich machen würde.

Von wenigen Intellektuellen und Idealisten einmal abgesehen, die im besten Fall auch nur handzahm Reformen forderten, wurde die französische Revolution streng abgelehnt.


3. Napoleon und das süsse Gift des Nationalismus

Es ist bezeichnend, dass die Feier der Burschenschaften auf der Wartburg im Jahre 1815 als wichtiges Datum in der Geschichte des deutschen Liberalismus (diesmal ohne Anführungszeichen) erwähnt wird. (Übereifrige Geschichtelehrer des linken Spektrums kreuzten einem früher die Erwähnung dieses Ereignisses immer als Fehler an. Nationalismus ist schliesslich immer "böse".)

Doch auch hier geht es nicht etwa um die Forderung nach Demokratie oder Gleichberechtigung, sondern um die Schaffung einer vereinten deutschen Nation.

Ursache dafür war der durch Napoleons Ideologie der "Grande Nation" herbeigeführte Trend zum Glauben an die eigene Herkunft. Eine Gegenbewegung zur einseitigen "Ordnung" eines Europas unter Bonaparte.

1815 markiert auch das Ende der Bedrohung der alten Ordnung durch die französische Revolution. Der darauf folgende Metternichsche "Backlash" und die völlig entpolitisierte Ära des Biedermeier markieren diese Zeit.

Von Liberalismus muss man in dieser Zeit nicht sprechen. JEDE Form von Kritik am System gilt automatisch als "revolutionär" (heute würde man sagen: terroristisch) und subversiv.


3. Ein kleiner Wind, ein starker Gegenwind

Während der Vormärz nur eine philosophische Übung in Humanismus der etablierten Oberschicht des Bürgertums bleibt, weht ab der Mitte der 1840er Jahren wieder eine ordentliche revolutionärer Strömung aus Frankreich ins Land. Kein Wunder, dass das direkt angrenzende Baden am meisten davon angesteckt wird.

Hier entsteht nun endgültig die Legende des deutschen Liberalismus. Prinzipiell aber muss man hier auch schon von der Spaltung und dem Verrat an jeglichen liberalen Prinzipien sprechen.


4. 1848 und der deutsche Liberalismus

Mit der revolutionären Bewegung aus Frankreich kommt der Gedanke eines geeinten Deutschland und Demokratie verstärkt zu tragen.

Das klingt einfacher als es ist.

Denn im Wesentlichen sind es ZWEI Strömungen, die hier im Bürgertum massgeblich um die Vorherrschaft streiten - die eine fordert eine geeinte deutsche Nation und die andere einen demokratischen deutschen Staat.

Eine einheitliche Linie und Geschlossenheit aber gibt es nicht.

Anonym hat gesagt…

Ein kleiner Ausflug in Deutschlands "Liberalismus"... Teil 3


4. Mythen und Legenden

Das Ende der 1848er-Revolution markiert auch schon das Feld, in dem der deutsche Liberalismus "wachsen" wird. Denn es ist massgeblich das Bürgertum, das diese Revolution im Endeffekt verrät und scheitern lässt.

Die ganzen Enthusiasten und Angehörigen der Unterschicht, die aus Überzeugung noch auf den Schlachtfeldern verbluten werden, sind nur ein Bruchteil jenes grösseren Ganzen des Bürgertums, dass diese Revolution nie wollte und entschlossen dagegen war.

Als einziger Kern dieser Bewegung verbleibt der "Traum" der geeinten deutschen Nation. Keine Demokratie, keine Gleichberechtigung und ganz bestimmt nicht unter dem Ideal "alle Menschen werden Brüder". Sondern als Kontrapunkt zu den anderen Nationen Europas, die man so immer weiter zum "Erbfeind" stilisieren wird.

Das System wiederum steuert diese Entwicklung durch Scheinbekenntisse und eine in der Presse und Literatur weitgehend geduldeten "Nationalromantik".

Es ist insofern auch kein Wunder, dass ausgerechnet der preussische Junker Bismarck diesen "Traum" zu seiner Erfüllung bringen wird.


5. Ein Traum aus Blut und Eisen

1871 ist es endlich soweit. Ein geeintes Deutschland geht aus einem - mit allen Mitteln vom Zaun gebrochenen Krieg - mit Frankreich hervor.

Was an bürgerlichen Idealisten noch nicht verstummt oder ins Ausland geflüchtet ist, feiert den Moment mit grosser Begeisterung.

Aber schon die Forderung nach einer Verfassung wird entschlossen abgeledert. Das wird erst Jahre später erfolgen.

Was jetzt noch an Gleichberechtigung und sozialen Absicherungen in das System integriert wird, kommt von oben, aus Angst vor einer neuen Revolution der radikalen Linken und Unterschicht. Und das Bürgertum wird mehrheitlich lieber schweigen und kuschen.

Die Ära des Liberalismus aber ist in Deutschland endgültig vorbei.

Anonym hat gesagt…

Ein kleiner Ausflug in Deutschlands "Liberalismus"... Teil 4


6. Etikettenschwindel und Partikularinteressen

Mit der fortschreitenden Industralisierung entsteht ein immer mächtigeres Grosskapital bürgerlicher Prägung in Deutschland, das seinen Status Quo nach Innen entschlossen konsolidieren und verteidigen will und entsprechend auch zur politischen Einflussnahme übergeht.

Entsprechend "kapert" man nun die Begrifflichkeiten einer toleranten Gesellschaft und interpretiert diese nur noch dahingehend, einen optimalen Rahmen kapitalistischer Gewinnoptimierung gewährleisten zu können. "Gleiches Recht auf Eigentum und Profit."

"Liberal" ist in diesem Kontext nur der Wunsch, dass sich der Staat doch gefälligst aus den Geschäften heraushalten und evtl. Bedrohungen in Schach halten soll - der sog. "Nachtwächterstaat".

Entsprechend dieses Vorsatzes ist nun eine Partei entstanden, deren Name schon deutlich macht, wie sie diesen Begriff tatsächlich auslegt - "Nationalliberale".

Nicht schizophren, sondern befangen. Das Dilemma aller "liberaler" Parteien seit 1849.


7. In den Weltkrieg hinein, aus dem Weltkrieg hinaus

Der "Weltenbrand" wird von dieser politischen Agenda im höchsten Masse begrüsst. Gut für's Geschäft, gut für die Nation. Mehr Demokratie braucht man da nicht.

Umso enttäuschender als die Niederlage ist 1918 daher die Erkenntnis, dass man sich mit der Weimarer Republik nun in einer Demokratie befindet, die nun nicht mehr als vorrangiges politisches Kalkül gegen Links versucht die Ideale der Gleichberechtigung und des sozialen Ausgleichs ernstzunehmen.

Entsprechend wenig wird dieses System bis zum Schluss unterstützt. Im Gegenteil!

Anonym hat gesagt…

Ein kleiner Ausflug in Deutschlands "Liberalismus"... Teil 5


8. Gute Geschäfte dank dem Ersatzkaiser

Die Nazizeit ist nicht etwa eine Zäsur für die "Liberalen" sondern vielmehr die Rückkehr in ein System, das ihre Interessen am besten unterstützt. Hitler hat man aus diesem Grund auch von Anfang an mit Geld unterstützt.

Widerstand gegen seine Machtergreifung hat es hingegen von dieser Seite keinen gegeben. (Die Liberalen bleiben uns bis heute einen Verfolgten ihrer Gesinnung während dieser Zeit schuldig. Ein Demokrat muss noch lange kein Liberaler sein. Ebensowenig wie ein Liberaler ein Demokrat sein muss.)

Und was die Realpolitik der Nazioberen angeht wird auch dem Letzten schnell klar, dass der völkische Gedanke sich optimal in bare Münze umsetzen lässt - vor allem wenn es keine Opposition bzw. Revolutionsgefahr mehr gibt, die in die Quere kommen könnten und man die Parteibonzen mit Geld kaufen bzw. schmeicheln und bestechen kann.

Kein Wunder wenn die Liberalen bis 1945 nicht mehr wahrnehmbar sind. Sie sind "verschwunden".


9. Die wundersame Vermehrung der Demokraten

Dank den USA kommt Deutschlands Grosskapital nach 1945 weitgehend ungeschoren davon. Man braucht jetzt einen "Puffer" gegen das neue Reich des Bösen im Osten. Und was wäre besser geeignet im Kampf gegen den Kommunismus als geldgierige Opportunisten.

Die Wiederauferstehung der "Liberalen" in Form der F.D.P. ist von daher kein glorreiches Kapitel der Geschichte der Demokratie in diesem Land, sondern vielmehr eine Tragödie, ein Schlag ins Gesicht jedes Demokraten und ein Schande für einen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat.

Aber das passt irgendwie auch genau zu diesem Staat, der da nach 1945 auf Druck der Aliierten entstanden ist.

Anonym hat gesagt…

Ein kleiner Ausflug in Deutschlands "Liberalismus"... Teil 6


10. Kontinuität

Wer sich die "Fortentwicklung" des deutschen Liberalismus einmal verdeutlichen möchte, muss sich nur vor Augen führen, dass ausgerechnet Genscher und Scheel einmal als "Reformer" und "Lichtgestalten" ihrer Parteien verehrt wurden.

Wie sagte Volker Pispers einmal so schön? Die Sonne der Demokratie muss in diesem Land schon wirklich sehr niedrig stehen, wenn solche Zwerge so einen riesigen Schatten werfen können.

Das wesentlichste Merkmal dieser Generation, den Vorgängern des "Spasspolitikers" Guido und Konsorten, war der Umstand, dass sie an den Verbrechen der Nazis nicht mehr unmittelbar beteiligt waren.

Ideologisch hingegen sieht man in dieser Partei (bis heute) keinen Unterschied zum Reichstag der Kaiserzeit. Klientelpolitik, Wortbekenntnisse und Korruption. Nur im Kontrast zur noch korrupteren CDU konnte bzw. kann die FDP überhaupt punkten.

Die "Bürgerrechtspartei" ist bisher aber immer umgefallen, wenn die entsprechenden Entscheidungen anstanden. Die "Partei des Mittelstandes" hat bisher noch jedesmal für Grosskonzerne entschieden und sich einen Dreck für die Auswirkungen in der Breite interessiert. Die "Partei des Geldes" hat mit die schlimmsten Steuergeldverschwendungen und Subventionsbetrügereien zu verantworten, unterstützt in vielen Fällen offen Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität und fördert den Abbau des Gemeinwohls zugunsten von einseitigen Partikularinteressen.

Die Renitenz aber, jahrzehntelang ungestraft damit durchgekommen zu sein, manifestiert sich nirgends deutlicher als in Guido Westerwelle. Insofern ist es kein Wunder, dass er sich für den wichtigsten Mann seiner Partei hält bzw. wortgleich mit ihr genannt wird. Er verkörpert ihre völlige Rücksichtslosigkeit, Prinzipienlosigkeit und Dreistigkeit. Kein Wunder also wenn die Wähler von diesem Mann und seiner Partei die Nase voll haben.

"Liberal" ist dank dieser Zustände - im besten Fall - zu einer Worthülse verkommen. Im Normalfall aber ist es ein Schimpfwort im Deutschland des Jahres 2010.


Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Hallo Nordstern - mit etwas Verzögerung, Sorry, sage ich noch mal Danke für Deine Ausführungen.

Der historische Einblick ist wichtig und interessant.

Folgt man der These, daß es deutschen Liberalismus nie gab - und ich stimme dem folgen Satz ausdrücklich zu -
„Die ganzen Enthusiasten und Angehörigen der Unterschicht, die aus Überzeugung noch auf den Schlachtfeldern verbluten werden, sind nur ein Bruchteil jenes grösseren Ganzen des Bürgertums, dass diese Revolution nie wollte und entschlossen dagegen war.“ - stellt sich natürlich die Frage, wieso das ausgerechnet in Deutschland so war und ist.
Heinrich Manns „Der Untertan“ fällt mir dabei ein. Aber wieso ausgerechnet sind hier die Verhältnisse so Untertanen-artig. Wieso beugt sich der Deutsche so gern vor „denen da oben“. Wieso haben die „Obertanen“ ausgerechnet hier so leichtes Spiel und mußten eigentlich nie befürchten auch mal einen Kopf kürzer gemacht zu werden?


Volle Zustimmung auch zu:

„Die "Bürgerrechtspartei" ist bisher aber immer umgefallen, wenn die entsprechenden Entscheidungen anstanden. Die "Partei des Mittelstandes" hat bisher noch jedesmal für Grosskonzerne entschieden und sich einen Dreck für die Auswirkungen in der Breite interessiert. Die "Partei des Geldes" hat mit die schlimmsten Steuergeldverschwendungen und Subventionsbetrügereien zu verantworten, unterstützt in vielen Fällen offen Steuerhinterziehung und Wirtschaftskriminalität und fördert den Abbau des Gemeinwohls zugunsten von einseitigen Partikularinteressen.“

Hierbei ist allerdings erstaunlich, daß einige wenige FDP-Leute dennoch irgendwie „liberal“ gesinnt waren und hin und wieder enttäuscht die FDP verließen, wenn ihnen das von Dir geschilderte Verhalten auffiel. Konnten sie sich das nicht vorher denken?

Tja, und der Guido…da habe ich nichts hinzuzufügen.
Da bin ich schon lange nicht mehr neutral.
Westerwelle ist schließlich mein erklärtes Haupthassobjekt.
Man soll ja vorsichtig mit so großen Worten sein, aber den Mann „verachte“ ich tatsächlich und in den 181 (sic!) Erwähnungen in diesem Blog ist er noch nie positiv weggekommen.


LGT