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Montag, 26. September 2011

Alles geht nicht.

Hamburg hat nun diesen Zaunstreit.
Es hat sich richtig aufgeschaukelt und noch nicht mal mehr die rechte Presse läßt ein gutes Haar am Bezirksbürgermeister Markus Schreiber.

Klassischer Fall von politischer Abgehobenheit. Es fällt den Sozen schwer sich rauszureden.

Hamburg St. Pauli, die Reeperbahn, der Kiez ist kein Stadtteil wie jeder andere. Es ist ein Konglomerat der Hippen, der Ausgestoßenen, der Exzentriker, der Künstler, der Nachtvögel und natürlich auch der Armen.

Ich nehme an, daß viele Großstädte so ein Viertel haben, in dem sich all die sammeln, die eben nicht wie die Mehrheit der Bürger eine geleckte, verglaste, aufgehübschte, sterile und möglichst einheitlich-teure Umgebung bevorzugen.

Ich nehme an, daß in vielen Hamburger Stadtteilen die Zustimmung zu einem Bezirks-Scheriff groß wäre, wenn dieser durchgreifen würde und alles, das aus dem Rahmen fällt vertriebe.

Ich nehme an, daß es nun mal die deutsche Spießer-Seele so verlangt, daß man Asylantenheime, Frauenhäuser, Obdachlose, Behinderte, Kindergärten, Homo-Altenheime, Fixerstuben, Gefängnisse, geschlossene Heime, Psychiatrien zwar nicht generell ablehnt, sie aber keineswegs nebenan haben will.

Ich nehme an, daß im deutschen Wesen eine große Sehnsucht nach Geborgenheit in der Uniformität liegt. Reihenhaussiedlungen, Vorschriftenkataloge für die Bepflanzung von Schrebergärten, Trachtenvereine, Massengottesdienste, Schützenumzüge, Fankleidung, 4,5 Millionen VW-Golfs auf deutschen Straßen - all das sind die Symptome der Uniformitätsvorliebe. Man will so sein wie die anderen und es soll sich niemand abheben.

Ich nehme an, daß es geschichtlich begründete Komplexe gibt sich öffentlich zu seiner Extraordinärität zu bekennen.

Ich nehme an, daß die Individuen in den deutschen Vorstädten durchaus ihren geheimen Vorlieben frönen. Daß sie Bizarres mögen und das Abseitige schätzen. Aber das findet im Keller statt.

Ich nehme an, daß das alles gar keine so typisch deutschen Eigenschaften sind.

Sehen in Holland die bezaubernden endlosen Reihen der Gardinen-losen Stadthäuschen nicht auch alle gleich aus?
Muß die amerikanische Mittelklasse nicht auch hinter den weißen Gartenzäunen genau die gleichen Gartenmöbel und SUVs parken, wie die Nachbarn?
In Japan gibt es den erzieherischen Leitspruch „Wenn ein Nagel hervorsteht, dann schlag mit dem Hammer drauf, bis er in die Reihe passt“
Es fällt doch eher auf, wenn in einigen Gegenden der Welt Menschen ihrer Exzentrik frönen, wie es bei der englischen Oberschicht, den Isländern oder der Queer Community San Franciscos der Fall ist.

Aber es gibt auch innerhalb der Normalo-Städte Enklaven der Unangepasstheit. Kreuzberg 36 ist nicht wie Reinickendorf und Hamburg-St. Pauli nicht wie Blankenese.

Unglücklicherweise hat der zuständige Bezirksamtsleiter Markus Schreiber seinen eigenen Bezirk, dem er seit dem 01.02.2002 als Chef vorsteht, noch nicht verstanden.

Ob die St.-Paulianer Obdachlose besonders schätzen, ob sie sich überhaupt für das Thema Wohnungslosigkeit interessieren, weiß ich nicht.
Aber es herrscht immerhin ziemliche Einigkeit darin, daß man Vertreibungspolitik à la Markus Schreiber massiv ablehnt.
Da werden sie biestig, wenn „einer der ihren“ ausgegrenzt werden soll, wenn Schreibtischtäter ihren Privatideen von „unsere Stadt muß schöner werden“ frönen.

Am Wochenende war erfreulich wenig Indolenz im Stadtteil.
Vor dem Anti-Obdachlosenzaun fand eine Demonstration nach der nächsten statt. Von Mahnwachen über Politaktionen bis zu handfesten Auseinandersetzungen am Freitagabend im Anschluss an das Heimspiel des FC St. Pauli, die von 960 Polizisten (!!!) in Schach gehalten werden mußten, reichte das Spektrum.
Allein mit den Polizeiüberstunden des Wochenendes, könnte Markus Schreiber für Jahre tägliche Polizeivisiten unter der Kersten-Miles-Brücke bezahlen.
Nun hat sich auch noch die Kirche auf die Seite der Clochards geworfen. Es wird eng für Schreiber.

Unterdessen reagierte laut NDR 90,3 auch der Caritasverband Hamburg. Man empfinde den Zaun als Provokation und sehe darin ein Armutszeugnis für Hamburg. Hinter den Kulissen bemühen sich dem Bericht zufolge Vertreter verschiedener Organisationen und Verbänden der Wohlfahrt um weitere gemeinsame Aktionen gegen den Zaun. Er sei ein beschämendes Symbol, zugleich aber Ansporn, mehr Hilfen für Obdachlose durchzusetzen.
(NDR.de, 26.09.2011)

Der Zaun ist nach drei Tagen schon so ramponiert, daß der Bezirk schon plant ihn massiv zu verstärken.

I love it.
Der Kampf um nichts. Eine kleine Brücke an der Peripherie, unter der ein zehn Meter langer Zaun ein paar künstliche Beton-Steine schützt!

Polizei und Stadtreinigung haben Plakate und Zettel von dem umstrittenen Zaun entfernt.
[…] Vor Ort ist auch Kiez-Pastor Sieghard Wilm von der St. Pauli Kirche. "Der Zaun ist eine unverhältnismäßige Maßnahme - nicht nur, was den Finanzhaushalt angeht", sagt Wilm. Ihm gehe es vor allen Dingen um die Symbolik der Maßnahme: "Wer Politik macht, muss die Sprache der Symbole kennen. Eine Gesellschaft, der nichts anderes einfällt, als einen Zaun zu bauen, geht mit den Problemen nicht angemessen um." Brücken, so Wilm, seien ein Zeichen für Zusammenhalt, Zäune stünden für Trennungen: "Mit dieser Entscheidung sendet Bezirksamtsleiter Markus Schreiber falsche Signale aus."
(HH Abla 26.09.2011)

Manchmal geschieht aus der miserabelsten Motivation doch etwas Gutes.

So hat Herr Rösler mit seinem unsäglichen Anti-Griechen-Populismus genau das Gegenteil erreicht und die eigentlich ebenfalls Euro-Rettungsschirm-kritischen Wähler zurück auf Pro-Europa-Kurs gebracht. So widerlich wie Rösler will niemand sein.

So hat der Papst mit seiner hartnäckigen antihumanen Politik, die nichts außer absoluter Papstreue fordert, den Atheisten und Konfessionslosen den größten Dienst erwiesen.

So hat ein Herr Breivik den skandinavischen antiislamischen Rechts-Parteien das Grab geschaufelt. In Norwegen verloren die Rechtsradikalen bei den Kommunalwahlen und in Dänemark wurde sogar die rechte Regierung abgewählt.

Möglicherweise schaffen es die ultrafundamentalistischen Teaparty-Hetzer sogar das längst gestorbene Polit-Pferd Obama noch mal zum Leben zu erwecken.

Und so hat Markus Schreiber es geschafft eine bisher kaum vorstellbare Solidarisierung mit den Wohnungslosen zu initiieren.

Die letzte MONITOR-Sendung prangerte das absolut unethische und verwerfliche Handeln Deutscher Behörden an, die Asylbewerber unter unmenschlichen, versifften und demütigenden Bedingungen einkerkern.

Professor August Stich, Missionsärztliche Klinik Würzburg: "Wir glauben, dass Gemeinschaftsunterkünfte die Menschen wirklich krank machen. Wir sehen eine Zunahme an den Symptomen von psychiatrischen Erkrankungen, von Belastungsstörungen durch die Realität des Lebens in den Lagern."

Und sie haben Angst um ihre körperliche Gesundheit. In der Kaserne gibt es Ungeziefer, Taubenzecken. Der Hausmeister hat doppelseitiges Klebeband angebracht, sagen die Bewohner, mehr sei nicht geschehen."

OT Asylbewerber, anonym: "Das Zimmer hat irgendwas mit Jucken und Tränen. Da ist was, das läuft immer über das Band."

Wir zeigen die Bilder aus Augsburg dem Regensburger Jura-Professor Thorsten Kingreen. Für ihn besteht kein Zweifel, hier wird ganz offensichtlich gegen ein Grundrecht verstoßen.

Prof. Thorsten Kingreen, Universität Regensburg: "Wenn nun der Staat den Menschen die freie Entscheidung darüber abnimmt, wie sie leben, wo sie leben, dann hat er auch zugleich eine gesteigerte Schutzverantwortung. Eine Schutzverantwortung für Intimsphäre, Familienleben, aber insbesondere für die körperliche Unversehrtheit. Die körperliche Unversehrtheit ist grundrechtlich garantiert in Artikel 2.2 des Grundgesetzes und sie bedeutet, dass im Ergebnis Menschen, die in einer Unterkunft leben, wo die Gesundheit gefährdet ist, keine Verpflichtung haben, in dieser Unterkunft zu leben."
(wdr.de/tv/monitor 15.09.2011)

Aber was interessieren die Bayerische Staatsregierung Menschenrechte?
Da muß man auf die Lösung à la Mappus setzen. Abwahl.

In MeckPomm sieht es nicht besser aus. Aber auch dort regt sich Widerstand.

Schlechte Versorgung, beengte Wohnverhältnisse, Fremdenfeindlichkeit, viele Krankheitsfälle: In einem offenen Brief fordern die Bewohner des Asylbewerberheims Jürgenstorf bei Stavenhagen (Landkreis Mecklenburgische Seenplatte) die Schließung des Heims.
"Die schlimmen Lebensbedingungen hier führen dazu, dass die Menschen Depressionen und andere psychische und physische Krankheiten bekommen, die sie nachhaltig und ein Leben lang schädigen", heißt es in dem Schreiben, das an Politiker, Behörden, Kirchen und soziale Einrichtungen adressiert ist.
[…] Weil sich viele den Bus nicht leisten könnten, laufen sie oder fahren mit dem Fahrrad, sagt die Sprecherin der Heimbewohner, Katayoun Hosseini. Auf dem Weg in die Reuterstadt seien die Heimbewohner oft fremdenfeindlichen Übergriffen ausgesetzt. Mehrere Bewohner wurden bedroht, einer Frau sei das Kopftuch heruntergerissen worden.
[…] Immer wieder hätten die Bewohner mit Ungeziefer wie Kakerlaken zu kämpfen. Auch gebe es keine Möglichkeit, die deutsche Sprache zu lernen, bemängelt Hosseini.
(NDR.de 26.09.2011)

Vielleicht hat Markus Schreiber unabsichtlich eine neue Sensibilität für das Thema erzeugt.

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