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Sonntag, 19. Oktober 2008

Wichtige Wahlen im November.

Ermattet von Fettnapf-Angie (HRE-Aufsichtsrat Tietmeyer als Finanzberater der Bundesregierung) schweift der Blick in die Ferne.
Andere Länder, andere Sitten.
Andere Wahlen, wichtigere Entscheidungen.
In knapp drei Wochen gehen die Israelis zur Wahl und bestimmen neue Bürgermeister.
In Jerusalem ist ein regelrechter Kulturkampf ausgebrochen. Die Stadt war, ist und bleibt - schwierig.
Die großen Israelischen Parteien haben a priori den Schwanz eingezogen und treten erst gar nicht an - keiner will sich blamieren und einen Kandidaten demolieren.
Weder die Außenministerin und designierte Regierungschefin Tzipi Livni, noch Verteidigungsminister Ehud Barak oder Staatspräsident Schimon Peres wohnen in der israelischen Hauptstadt.
Was ist also politisch los in der Kapitale, wenn selbst die Staatspitzen nach Tel Aviv ausweichen?
4000 Jahre gibt es „die Heilige Stadt“ schon und niemand will die über 700.000 Einwohner regieren?
1204 Synagogen, 158 Kirchen und 73 Moscheen - da kommt schon einiges an Konfliktpotential zusammen. Der legendäre Teddy Kollek war von 1965 bis 1993 Bürgermeister von Jerusalem und bei der letzten Wahl errang die Arbeiterpartei nicht ein einziges Mandat.
Was also tun?
Inge Günther kanzelt gleich alle Kandidaten ab:
Selbst die Frage nach dem kleineren Übel ist schwierig: Da ist zum einen Arcadi Gaidamek, der Multimillionär aus Moskau, mit dessen Konterfei die halbe Stadt tapeziert ist. Seine Partei nennt sich Soziale Gerechtigkeit, aber wegen illegaler Waffengeschäfte wird ihm in Paris der Prozess gemacht. Da ist zum anderen Meir Porusch von der Thora-Partei, der auf den Wahlplakaten als lustig gezeichneter Rabbi posiert. Nur im Vergleich zu dem freundlichen Uri Lupolianski - auch ein Ultraorthodoxer, der Jerusalem bislang regierte - gilt Porusch als Scharfmacher. Schließlich Nir Barkat, ein smarter, säkularer Geschäftsmann: der Favorit der Rechtsnationalen von Yisrael Beitenu. Barkat ist dafür, die jüdischen Siedlungen im arabischen Ostteil auszubauen. Nette Aussichten in der Stadt des Friedens.
Nun, ganz so schwer finde ich die Wahl denn doch nicht - sehen wir uns an, was der ultra-orthodoxe Uri Lupolianski erreicht hat.
In einer Stadt, in der seine Fundis nur 30 % der Bevölkerung stellen, geht es zurück in finsterste Zeiten. Die Hälfte der Bevölkerung ist bitterarm und lebt unterhalb des Existenzminimums; kein Wunder - den die Religiösen arbeiten nicht und zahlen daher auch keine Steuern.
Für Betrachter von Außen ist das schon etwas eigenartig: Diejenigen, die grundsätzlich nur dem Staat auf der Tasche liegen und von den Mitteln der säkularen Juden Israelis leben, dominieren aber in der Hauptstadt die Politik. So wird die Stadt zunehmend intolerant und vertreibt nicht fundamentalistische Israelis nach Tel Aviv, wo man auch am Schabbat zur Not ein Auto fahren darf, das ein oder andere Geschäft geöffnet ist und sogar Frauen und Männer NEBENEINANDER sitzen dürfen.
Nicht so in Jerusalem, Thorsten Schmitz beschreibt es:
Als in Israel landesweit der Kinofilm "Sex and the City" anlief und plakatiert wurde, fehlte in Jerusalem jeglicher Hinweis auf den Streifen. Die orthodoxen Fraktionen im Stadtparlament hatten ein Bilder- und Wortverbot durchgesetzt. Der Film lief zwar auch in Jerusalem, aber nur wer Zeitung las, wusste davon. Geduldet hat Lupolianski auch, trotz massiver Proteste weltlicher Jerusalem-Bewohner, dass auf manchen sogenannten "koscheren" Buslinien Frauen hinten sitzen müssen und Männer auf den vorderen Sitzen Platz nehmen. Im ultra-orthodoxen Stadtviertel Mea Schearim sind die Geschlechter seit zwei Jahren sogar im Fußgängerverkehr getrennt: Auf einem Bürgersteig laufen die Frauen, gegenüber die Männer. Kleine Lebensmittelketten, die an Samstagen ihre Geschäfte geöffnet halten und (vorsorglich) nicht-jüdische Russen angestellt haben, müssen damit rechnen, dass Ultra-Orthodoxe ihre Läden in Brand setzen.
Ich erwähnte bereits andere altertümlich erscheinende Bizarrheiten:
Am Schabbat stehen öffentliche Verkehrsmittel still, die Maschinen der israelischen Fluglinie El-Al dürfen von Sonnenuntergang am Freitagabend bis Sonnenuntergang am Samstagabend nicht fliegen - obwohl das natürlich Millionenverluste für die Airline bedeutet.
Ehen, Scheidungen, Staatsbürgerschaftsangelegenheiten - alles Monopole der ultrareligösen Rabbiner.
Pech für die Frauen: Ohne Unterschrift ihres Mannes können sie sich nicht scheiden lassen, also auch nicht erneut heiraten. Für Männer gilt dies nicht. Auch religiöse Mischehen werden nicht zugelassen.
Hochhäuser haben seit einem Gesetz von 2001 sogenannte Schabbat-Aufzüge; sie fahren ununterbrochen, so daß Ultraorthodoxe sie benutzen können, ohne einen Knopf zu betätigen (die Arbeit einen Knopf zu betätigen ist ihnen streng verboten am Schabbat).
Schweinezucht ist verboten.
Autos dürfen nicht fahren.
Gay-Pride in Jerusalem - undenkbar.
Frauen sollen in orthodoxen Gegenden nur hinten im Bus sitzen - damit bloß kein Religiöser ihren Anblick ertragen muß.

Daher bin ich fest davon überzeugt, daß man doch einen Kandidaten finden kann, den man wählen sollte - und zwar den säkularen Nir Barkat.
Der 49-Jährige hat keinen politischen Hintergrund, sondern kommt aus der Wirtschaft.
Er ist nicht religiös verblendet und sieht die Zukunft der Jerusalems als eine weltoffene Stadt, in der Juden, Christen und Moslems als Besucher willkommen sind.
Amit Poni vom Blog "Jerusalem nicht verlassen", sagt:
"Wenn wir nicht jetzt schnell einen weltlichen Bürgermeister wählen, dann fällt bald die gesamte Innenstadt in die Hände vermögender Ultra-Orthodoxer."

Dazu wurde ein einprägsames Video mit der Kernbotschaft, daß man „nicht länger Scheiße fressen“ solle, erstellt.

Mit Verve wirbt er wie sein ferner Kollege Obama für „CHANGE“:
I believe with all my heart that Jerusalem deserves more. More in education, more in housing, more in employment, more in cleanliness, and also more in culture and leisure. A different Jerusalem is not a dream. It depends on us. On each and every one of us. All it takes is a few moments of your time on Election Day so that together we can act to replace the leadership of the city and change its failing policy. Only by voting for change will we be able to determine how the next five years of our lives in the city will look and realize the latent potential of the city for generations to come.

Hoffen wir, daß die säkularen Kräfte noch stark genug sind.

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