TAMMOX IST UMGEZOGEN / AUS TAMMOX WURDE "TAMMOX-II"

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Samstag, 2. Januar 2010

Aus die Maus

Als Kind war ich gewohnt zuhause ordentliches und grammatikalisch korrektes Deutsch zu hören. Allerdings gab es dazwischen immer einige Englische Einsprengsel - das bringen binationale Elternhäuser wohl mit sich. Angeblich sollen Kinder mit Leichtigkeit gleichzeitig mehrere Sprachen erlernen - eine Erkenntnis, die sich soweit herumgesprochen hat, daß man in Hamburg kaum noch einen nicht englisch- oder französischsprachigen Kindergartenplatz findet.

Dummerweise leide ich unter der frühen Geburt - als ich Kind war, riet der langjährige und gutherzige Hausarzt Dr. Schmidt meinen Eltern eindringlich mit dem Kind stets deutsch zu sprechen.
Man würde es nur verwirren und es könnte Schaden annehmen.

Bis auf einige Hochbekloppte wie Ex-Verfassungsminister Schäuble, der erkannte, daß eine Doppelstaatsbürgerschaft schädlich für Kinder wäre, da sie unweigerlich in Schizophrenie ende, ist man heute klüger.

Meine Eltern wollten mir sicherlich nicht schaden - aber das mit der Konsequenz.., nun ja, lassen wir das.

Offenbar sickerten die ein oder anderen englischen Worte doch immer zu mir durch, die mich zwar nicht sonderlich konfusionierten, aber doch gelegentlich zu erstaunlich späten Einsichten führten, wenn ich erkannte, daß ein vermeidlich deutsches Wort nicht verstanden wurde.

Daß „Scotch-tape“ in Wirklichkeit „Tesa-Film“ heißen sollte, mochte ich gar nicht glauben.

„Du mußt jetzt ins Bett“ klang ähnlich fremd - hallte mir doch stattdessen immer „it’s grown-ups hour“ in den Ohren.

Ein schönes englisches Wort ist „obituaries“.
Meine Mutter suchte und fand immer diese ominösen, aber wohlklingenden „obituaries“ in der Zeitung.
Offenbar tat man das also.

Als ich selbst anfing Zeitungen zu lesen, war die Ernüchterung groß - die Rubrik „Familienanzeigen“ klingt banal und öde - das korrekte Wort „Todesanzeige“ vermeiden die meisten Blätter bis heute schamhaft.

Als ob die Sterberei irgendein Stigma wäre, über das man nur mit gesenkter Stimme spräche.
So ähnlich wie Klumpfuß oder Hasenscharte - nicht schön, aber man soll eine Familie auch deswegen nicht verachten.

Ich lernte den Begriff aber phonetisch wohlklingender kennen und las daher von Anfang an die „obituaries“.

Das ist noch besser, als Grabinschriften, die zwar oft noch ausgeklügelter formuliert sind, aber nicht so praktisch wie die Tageszeitung ins Haus geflattert kommen.

Dennoch möchte ich kurz an meine Lieblingsbücher von Enno Hansing erinnern:
„Hier liegen meine Gebeine; ich wollt’ es wären Deine“. (1996)
Einen zweiten Teil hat der gute Mann auch noch geschrieben: „Die Welt ist ganz und gar verdorben, ich bin an einem Lebkuchen gestorben“ (1997).

Ein paar Kostproben:

„Ihr Lebtag hat sie Staub gewischt.
Nun ist sie selber weiter nischt!“

„Hier schläft nach langer Arbeit sanft genug,
der Schüler, Orgel, Weib und Kinder schlug!“
(Grabspruch für den Lehrer und Organisten Kugler, Friedhof Winterthur, Schweiz)

„Hier ruht der liebe Arzt, Herr Frumm
und die er heilte rings herum“

„Hier liegt begraben
die ehrsame Jungfrau J.B.
Gestorben ist sie im siebzehnten Jahr,
just als sie zu gebrauchen war."
(Oberinntal, Tirol)

Nun gibt es endlich auch ein hübsches Büchlein mit Todesanzeigentexten:

Christian Sprang, Matthias Nöllke: "Aus die Maus. Ungewöhnliche Todesanzeigen"
ISBN: 978-3-462-04157-6, 224 Seiten, Taschenbuch. KiWi 1127


Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sammelt privat „obituaries“ und hat die Ungewöhnlichsten nun veröffentlicht.

Auch hier schon mal einige Beispiele:

Er starb wie gewünscht im Neckarstadion.“

„Nach seinem eigenen persönlichen Golgatha wurde ihm die verheißungsvolle Erlösung in der Frucht des Todes zuteil. Dies ist letztlich der tiefere Sinn vom zeitlichen Wechsel in ein ewiges Leben als geheimnisvolle Konsequenz für Jedermann.“

„Ein Gänseblümchen macht nun für immer bubu“

Erstaunlicherweise wird die Todesanzeigenformulierungskunst nicht gewürdigt - so hat „Aus die Maus“ fast nur negative, oder zumindest stirnrunzelnde Kritiken.

Es ist noch vergleichsweise freundlich, was der Tagesspiegel zu vermelden hat:

Bemüht poetisch ist dieser Nachruf auf einen Uhrmacher: „Sein Herz ist stillgestanden — doch seine Uhren ticken weiter!“ Auch in der folgenden Anzeige schlägt sich der Beruf nieder: „Erwin hat die Lampen in seinem Fachgeschäft nach 50 Geschäftsjahren abgeschaltet und sich nun auf die lange Reise zu seiner geliebten Ilse begeben“, heißt es über einen Elektromeister. Mitarbeiter eines Kaufhauses nehmen mit den Worten Abschied von ihrem Kollegen: „Er hat den Besen weggestellt.“

Klassiker und Zoten dürfen natürlich auch nicht fehlen:

Gott, dem Herrn, hat es gefallen, unsere geliebte Mutter
Ilse von Hinten
zu sich zu nehmen.

Gott, der Herr, hat unseren lieben Vater
X Y
zu sich und seiner Frau und Tochter genommen.

Selbstverständlich sammelt der dies schreibende Bloggist auch seit Jahrzehnten gelungene Todesanzeigentexte.

Beispiel:

XY ist tot!
Ein Gehirntumor veranlasste ihn sich aus seinem Leben zurück zu ziehen.
Wer Lust hat, tschüß zu sagen, kann sich am …im…einfinden.

Anna-Sabine X.
Der Herr hat mir Anna-Sabine zur Ehefrau gegeben;
der Herr hat mir Anna-Sabine genommen
- gelobt sei der Name des Herren.

Roepke 2000 - der Karton mit dem reißfesten Krempelgriff - wird weiterleben.
Sein geistiger Vater,
G.A. Roepke
ist leider am …..von uns gegangen.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Herzlich willkommen im Club, Tammox! Auch mir wurden die Freuden einer mehrsprachlich-multinationalen Kindheit/Jugend zuteil.

Die Kommunikation mit der Verwandtschaft (vor allem der älteren Generation) gestaltete sich gelegentlich schwierig und in der Schule wurde man gern wegen seinem "Dialekt" (oder dessen Abwesenheit, je nachdem) sogar von den Lehrern diskriminiert.

In einem Brief an meine Eltern hat eine dumme Sau sogar mal darauf hingewiesen, dass ich mich damit "ganz bewusst" vom Rest der Klasse abgrenzen würde. Als ich vor einigen Jahren das einem meiner besseren Lehrer von damals erzählte, meinte der dazu nur kopfschüttelnd, dass man sowas heute nicht mehr machen würde. (Und dürfte.)

Die englische Sprache wiederum ist mir nicht in den Schoss gefallen, sondern musste hart erarbeitet werden. Von unfähigen Misanthropen und Brüllaffen des Schulwesens einmal abgesehen, waren auch die ersten Trips ins englischsprachige Ausland kein Zuckerschlecken.

So fiel ich gleich am Anfang, als Bürschchen von 12 Jahren, einer ebenso besonders habgierigen wie geizigen "Gastfamilie" aus Nordengland in die Hände. Die ebenso fiese wie dumme Tochter meinte immer nur zu mir: "You have to speak ENGLISH!" - "Jawoll, mein General!" ;)

Immerhin ist mir so das Golfspielen sehr ans Herz gewachsen. 5 Pfund Gebühr und man war die Familie im Geiste Dickens erstmal für den halben Tag los.

Trotz ihrer fortgeschrittenen Armut (sog. Hungerleiden im Endstadium) konnten die sich schon Anfang der 80er Jahre einen VHS-Rekorder (!!!) leisten. Die Dinger waren schon bei uns damals unbezahlbar und in Grossbritannien erst recht - der berühmte "Inselbonus".

Nun, zumindest scherten sich die erziehungsberechtigten dort herzlich wenig um Altersfreigaben und ich durfte eine Menge Bruce Lee und Clint Eastwood anschauen. In Deutschland ging das erst 6 Jahre später.

Dafür herrschten in jedem Pub geradezu polizeistaatähnliche Zustände. "Hey, he's UNDERAGE! Out!" Na, darauf musste ich in Deutschland nur noch 4 Jahre warten.

Auch sonst herrschten allerlei wilde und willkürliche Zustände in dem Haus und jeder Tag bis zur Abreise wurde von mir dreimal aus dem Kalender ausgestrichen. Zur "Belohnung" musste ich mich am Ende auch noch vom deutschen Begleitlehrer, einer Kombination aus besonders unfähig und dumm, anmachen lassen. Vermutlich hatten die Gasteltern ein deutsches Kind aus einer Militärakademie erwartet.

Nach dieser Episode hatte sich mein Bezug zu dieser Fremdsprache auf jeden Fall drastisch verändert. So sagte ich danach zu meinen Eltern: "Wenn ihr mich noch einmal dorthin schickt, dann schneide ich mir die Pulsadern auf!!!"

Aber genug erstmal von früher. ;)

Der Nordstern.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Klingt ja nett!


Glücklicherweise haben es meine Eltern lediglich bei Drohungen belassen.

In Amerika kann es einem noch deutlich übler ergehen, wenn man in einer Fundi-Familie landet, die einem dann noch die Religion zwangsweise „nahebringt“.

http://www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,447773,00.html

Mein Gymnasium hatte eine feste Partnerschaft mit einer US-Highschool - in der zehnten Klasse gab es jeweils einen Schüleraustausch für ein paar Wochen.
Mit rüber geflogen bin ich nicht.

Aber natürlich habe ich die Amis hier erlebt - die waren allerdings nie nüchtern, denn für die 16-, 17-Jährigen war es so dermaßen begeisternd, daß sie hier legal saufen konnten, daß die ohnehin nur in dieser Kneipe rumhingen, wo man jeden Abend nach der Schule hinging.

Zu der Zeit war aus unerfindlichen Gründen dunkles Andechs-Bier DAS Getränk überhaupt.
Gab es in Halbliter-Humpen für 3 Mark. (Oder waren es 4 DM?)

Das konnte schon einem geübten Trinker zum Verhängnis werden, aber die Amerikaner fielen immer durch besonders dynamische Kotz-Fontänen auf, die sie andauernd von sich gaben.

Heute erinnern mich immer noch diese Hochdruck-Sprühstrahler an Autowaschanlagen an amerikanische Austauschschüler.


Naja, aber ich will mich nicht über die lustig machen! Ist ja auch ein hartes Brot für so einen 17-Jährigen vom Lande, der bisher nur heimlich mal an dieser amerikanischen Bierplörre genippt hat und nun auf einmal literweise Andechs mit dreimal so vielen Umdrehungen tanken soll.

Vermutlich haben sie die alle nach ihrer Rückkehr aus Deutschland in die Betty-Ford-Klinik eingewiesen.

Wird auch nicht zur Image-Aufbesserung des Images Deutschlands beigetragen haben!

LGT

Oberclown hat gesagt…

"Dummerweise leide ich unter der frühen Geburt - als ich Kind war, riet der langjährige und gutherzige Hausarzt Dr. Schmidt meinen Eltern eindringlich mit dem Kind stets deutsch zu sprechen.
Man würde es nur verwirren und es könnte Schaden annehmen. "

Naja früh ist relativ. Wir haben hier 2 Kinder (mittlerweile 18 und 13 Jahre alt), bei denen haben auch Ärzte zum besten gegeben, man würde die Kinder mit der zweisprachigen Erziehung (deutsch und Italienisch) überfordern. Die Ärzte wurden übrigens aufgesucht, weil beide Kidner mit 4 noch nciht sprechen konnten. Dass Einer von beiden ein Autist ist und der Andere Trisomie 21 hat, sowas kann man als Arzt ja nicht ahnen. Deswegen wurde erstmal die Zweisprachigkeit beschuldigt. Aber was lernern wir daraus: frühe Geburt kann in besonders schweren Fällen gerade mal 13 Jahre her sein. Bzw. die entsprechende Meinung wurde vor 9 Jahren (nicht etwa im letzten Jahrtausend) zum Besten gegeben.

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Donnerschlach! Echt?

Ich hatte nun gedacht, daß das seit vielen Dekaden vorbei ist mit dem Unsinn, daß Zweisprachigkeit (oder Zweistaatlichkeit) gefährlich wäre.

Wie alt war denn Euer Dr. Schmidt?

Über 100?

Vielleicht liegt es ja auch einfach am Italienisch! Man weiß ja - die Italiener sind sowieso alles Chaoten und Halbanarchisten! Das verträgt sich vielleicht nicht mit dem logischen Deutsch!

LG
T.

Oberclown hat gesagt…

Der Arzt war so etwa Anfang 40 also das ist nicht der Grund. Der war nur einfach nicht informiert über die Sachlage und scheinbar eher bereit was doofes zu sagen, als zu zu geben, dass er keine Ahnung hat. Das ist meiner Meinung nach im Übrigen eine Haltung, die immer für irgendeine Katastrophe gut ist. Wenn irgendwann mal eine Katastrophe die ganze Menschheit (oder die ganze Biosphäre) auslöscht, dann sagt bestimmt jemand auf die Frage "ist das gefährlich?" statt "keine Ahnung" "das ist ganz bestimmt sicher".

Tammo Oxhoft hat gesagt…

Das ist IMMER das Problem - die geben nicht zu, daß sie keine Ahnung haben.
Wenn man sich schön raushält und nur sinnentleertes Blabla von sich gibt, kann man es ja auch bekanntlich bis zum Vizekanzler und zur Kanzlerin bringen.
Weswegen sich also mit überflüssiger Faktenkenntnis beschweren?


LGT